Wie die Mode der Zukunft zwischen Linz, Berlin und Valencia entsteht
LINZ. Projekt "Re-FREAM" fördert kreative Ideen für nachhaltige und "gesunde" Bekleidung
Berlin, Valencia, Linz – diese Achse verbindet. Denn in den drei Städten forschen kreative Köpfe beim Projekt "Re-FREAM" seit neun Monaten daran, wie die Modeproduktion der Zukunft aussehen könnte. Dabei geht es um den Einsatz von Technologien und um Fragen der Nachhaltigkeit, die sich natürlich nicht ganz von Design und Funktionalität loslösen können. "Es geht um Visionen, aber schon auch darum, zu zeigen, was möglich ist", sagt Verena Traunmüller von der CREATIVE REGION. Das Unternehmen leitet das Projekt in Hauptverantwortung und koordiniert von Linz aus die europaweiten Aktivitäten.
Wenn beim Ars Electronica Festival vom 9. bis 13. September die zehn ausgewählten Projekte virtuell präsentiert werden – persönliche Auftritte verhinderte die Corona-Krise –, dann wird sichtbar, welche Ideen Schritte nach vorne gemacht haben.
Von 2D auf 3D
In der Linzer Tabakfabrik, wo Traunmüller und ihr Kollege Wolfgang Gumpelmaier-Mach das Projekt "Re-FREAM" betreuen, ist der Fokus auf die Technologie gerichtet. Die Fragestellung lautet: Warum nutzen wir moderne Technologie nicht auch für die Mode?
Eine Antwort darauf entwickeln Michael Wieser und Viktor Weichselbaumer von "Yokai Studios" (siehe rechts). Ihre Vision: ein Roboter, der vom 3D-Scan des Körpers über das Schnittmuster bis zum fertig gedruckten Textilprodukt individuelle Kleidung produziert. Dieser "Schritt zurück zur Maßschneiderei" würde auch die Möglichkeit eröffnen, die Modeproduktion wieder aus Billiglohnländern dorthin zu holen, wo die Mode dann getragen wird.
"Re-FREAM" sollte nach Ansicht von Gumpelmaier-Mach auch nicht als rein künstlerisches Projekt wahrgenommen werden: "Was nützt die coolste Entwicklung, wenn sie nicht in einen Markt überführbar ist?" Hier werde in Linz, Berlin und Valencia Pionierarbeit geleistet.
Beispiele gefällig? Der Spanier Fabio Molinas stellt aus Korkverschlüssen von Weinflaschen veganes Leder her. Die Israelin Ganit Goldstein versucht in ihrem Projekt, eine Verbindung zwischen der traditionellen Handwerksmethode des Webens und 3D-Druck herzustellen, indem sie einen Algorithmus entwickelt hat, damit der Drucker die Webstruktur samt Farbverlauf digital so herstellt, dass es designt aussieht.
Youyang Song kocht buchstäblich neue Materialien, indem sie Bioabfälle wie Bananen- und Orangenschalen oder Sojamilch mit einem natürlichen Bindemittel kombiniert und daraus ein zu 100 Prozent abbaubares, abfallfreies Naturprodukt herstellt, welches zum Beispiel vergleichbar wie Leder eingesetzt werden kann.
Giulia Tomasello stellt Unterwäsche für Frauen her, die pH-Wert und Laktobakterien misst und die Informationen via Handy-App an die Trägerin übermittelt. Damit soll ein Beitrag zur Gesundheit geleistet werden. Und Jessica Smarsch bietet mit einem Sensor-Shirt Schlaganfall-Patienten eine Rehabilitationsmethode, weil dadurch Berührungen neuronale Bahnen stimulieren und zur Genesung der Patienten beitragen können. "Alle zehn Projekte zeigen sehr schön, dass wir in diesem Projekt nichts wollen, das ganz normal und leicht zu erklären ist", so Gumpelmaier-Mach. "Wir wollen neue visionäre Ideen, die gemeinsam in Teams erarbeitet werden und neue Konzepte ergeben."
Bis 30. September werden erneut Künstler und Designer gesucht, die in Zusammenarbeit mit Technologiepartnern die Mode- und Textilindustrie neu denken wollen, um gemeinsam einen weiteren Schritt in die Modeproduktion der Zukunft zu machen.
Mehr dazu unter www.creativeregion.org und www.re-fream.eu.
Der Roboter, der Mode macht
Am Anfang war die Idee, Mode dreidimensional zu designen. Das hat Michael Wieser und Viktor Weichselbaumer zusammengebracht. Mittlerweile sind die Gründer von „Yokai Studios“ – das japanische Wort bedeutet Formenwandler – in der Linzer Tabakfabrik dabei, Mode aus „Roboterhand“ zu erzeugen. Und zwar von A bis Z, also vom 3D-Scan des Körpers bis zum fertig gedruckten Bekleidungsteil. Damit würde der Schritt des zweidimensionalen Schnittmusters entfallen, so die Vision der beiden Kreativen.
Das ist aber auch einfacher gedacht als getan. Denn soll der Roboter am Ende ein fertiges Modeprodukt „auswerfen“, muss er auch die Nähte gleich selbst schließen. Daran forschen die beiden gerade im Projekt „Re-FREAM“. Dieser Prozess ist schwierig, denn nicht jede Textilie verhält sich gleich. Sollte eine Naht nur kurz halten, dann ist es bei aller individuellen Note mit der Funktionalität der Bekleidung nicht weit her.
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