Ein Bergmarathon rund um den Traunsee, der sich gewaschen hat
GMUNDEN/EBENSEE. Keine Wolke am Himmel, aber das Wasser kommt von allen Seiten. Aus Schläuchen, Krügen, Bechern und Wannen. Kopfwäsche am Grasberg, Katzenwäsche auf dem Gmundnerberg. Und bräuchte jemand eine Schlafgelegenheit, er würde sie vermutlich auch bekommen. Die heimlichen Helden stehen an der Strecke. Kleine Mädchen, die sich ohnehin freuen, wenn sie jemanden nassspritzen dürfen und große Männer, die genau wissen, was jene brauchen, deren große Kraft irgendwo zwischen Gmunden und Ebensee verloren ging. "Wir hätten noch ein kühles Seiterl im Keller." Danke, später. Mit allen Wassern gewaschen mussten die Teilnehmer der 35. Auflage des Traunsee-Bergmarathons aber ohnehin bereits beim Start sein.
2.40 Uhr, Rathausplatz Gmunden. Mehr als 350 Nachtschwärmer haben sich versammelt. Nur wenige von ihnen dürfen bald ausschlafen. Der Großteil hat andere Pläne – sie sind 63 Kilometer lang. Einmal rund um den Traunsee, zu Fuß. Über Grünberg, Traunstein, Spitzlstein, Feuerkogel, Hochsteinalm, Grasberg und Gmundnerberg. 4500 Höhenmeter. Klingt anstrengend? Ist es auch.
Die Glühwürmchen am Grünberg
Aber das wird erfolgreich verdrängt. Vorerst. Die Wetterprognose ist im Vergleich zum vergangenen Jahr, in dem die Arche Noah am Traunsee anlegte, fast ein bisschen zu gut. Bis zu 33 Grad soll das Thermometer am Nachmittag anzeigen. Der Preis wird heiß. Punkt drei Uhr, der Startschuss fällt.
Wenige Minuten später erlebt der Grünberg seine jährliche Glühwürmchen-Plage. Gmundens größte Lichterkette spannt sich über den Ortner-Steig, erst das Morgenrot am Traunstein ersetzt die Stirnlampen. Roman Leithner, Hüttenwirt des Naturfreundehauses, darf noch früher aufstehen als gewohnt. Er ist heute auch Wirt der höchstgelegenen Labstelle. Jene, die hier geschlafen haben, dürfen zum Frühstück AC/DC hören. "Carry Me Home" wäre eine stimmige Auswahl. "Highway to Hell" passt aber vermutlich auch.
Der Schörflinger Markus Lemp bekommt davon nicht viel mit. Der zweifache Bergmarathon-Sieger ist zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht über alle, dafür aber über viele Berge. Schon bei der Halbzeit in Ebensee hat er 27 Minuten Vorsprung auf den Zweitplatzierten.
Dabei gibt an den Labstellen alles, was nötig ist, um sich zum Weiterlaufen oder -wandern durchzuringen: Süßes, Saures, Flüssiges und viel guten Zuspruch. 120 Ehrenamtliche der Naturfreunde Gmunden und Ohlsdorf machen es möglich.
Für viele ist die Natur spätestens auf dem Weg zum Feuerkogel allerdings kein Freund mehr. Auf der Skipiste kühlt nur der Gedanke an den Winter. Wanderer, die froh sind, keine Startnummer zu tragen, verschenken ihre letzten Wasserreserven. "Du schaust aus, als würdest du es brauchen." Danke, sehr lieb.
10 Uhr, Gmunden: Nur noch 30 Minuten, bis Markus Lemp aus dem Bergmarathon sein persönliches Triple macht.
Rekord bei Benefizwanderung
Gleichzeitig kann Altmünster sicher sein, dass ein Schiff kommen wird. Jenes, das die Teilnehmer der Benefiz-Wanderung ans Westufer des Traunsees bringt. Mehr als 70 haben sich heuer angemeldet, um der Familie der 16-jährigen Emelie aus Ohlsdorf unter die Arme zu greifen. Bis März war die junge Frau, die an einer seltenen entzündlichen Erkrankung des Gehirns leidet, auf der Intensivstation, kostspielige Therapien belasten die Familie zusätzlich.
Emotional ist es auch bei der Halbdistanz des Bergmarathons: Die "Rollenden Engel", ein Verein, der schwerkranken Menschen den letzten Wunsch erfüllt, brachte die Mutter eines Teilnehmers an den Traunsee, um ihn bestmöglich zu unterstützen: Er dankte es mit einem Stockerlplatz.
Spätestens ab Mittag erfüllt zumindest das Wetter keine Wünsche mehr. Grasberg und Gmundnerberg werden zur Geduldsprobe, die Sonne setzt zum Stich an. Dennoch schafft es der Großteil zum Zielbogen. Spätestens dort wissen sie: Gewonnen haben sie alle. Zumindest an Erfahrung.