Tagelöhner als Namenspate für Markt
STEYR. Leopold Kadlitz kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg, schlief unter Brücken, trank und war den Steyrer Marktfahrern ein treuer Gehilfe. Das Stadtmarketing wirbt mit dem Original.
Wie der 1913 in Wien geborene Leopold Kadlitz 1960 nach Steyr kam, aus diesem Jahr stammt jedenfalls sein Meldezettel, weiß kaum jemand in der Stadt. Der Mann mit Vollbart, der mit Augenzwinkern unter seinem Hut hervorlugte und zur Gaudi der Kinder Grimassen schnitt, war sehr bald ein Original. Die Marktfahrer vertrauten dem Vagabunden kleine Hilfsarbeiten bis zu großen Geldbeträgen an, die er zuverlässig auf den Groschen genau bei den Banken ablieferte. "Meist hatte Kadlitz auch eine Flasche in der Hand", erinnert sich Magistratspressesprecher Michael Chvatal. Der "Stadtplatz Leo", wie sie ihn alle kannten und mochten, hatte ein Alkoholproblem, das er nicht versteckte. Der Mann, der merklich zu viel trank, musste als Obdachloser unter Brücken schlafen, bis sich seiner der legendäre Stadtpfarrer Alexander Kronsteiner erbarmte und ihm eine Unterkunft im Bürgerspital zuwies.
Die schillernde Figur ruft nun das Steyrer Stadtmarketing ins Gedächtnis zurück, das gemeinsam mit dem EU-Regionalentwicklungsprojekt "Nature Of Innovation" (NOI) und dem Förderverein FAZAT den Wochenmarkt auf dem Stadtplatz neu gestaltet hat. Die "Vielfalt regionaler Erzeugnisse", worauf Stadtmarketingchefin Daniela Limberger großen Wert legt, soll nicht nur auf von Architekten und Designern durchgestylten neuen Buden und Ständen ausgebreitet werden. Der neue Stadtmarkt soll auch ein Gesicht haben – jenes des im Jahr 1991 verstorbenen "Stadtplatz Leo" Kadlitz.
"Ein neuer Markt benötigt nicht nur ein klares Konzept, sondern muss auch als Marke mit einem Namen, einem Logo und einem unverwechselbaren Design inszeniert werden", sagt NOI-Projektleiter Andreas Kupfer.
Nichts sei dann als Antlitz des neuen Stadtmarktes nähergelegen als eine Hommage an das Original, das einst neben dem Leopoldibrunnen schon zum Stadtinventar gehörte. Natürlich hat sich Kupfer zuvor am Magistrat und im Stadtarchiv über den Mann aus der Unterschicht erkundigt. Böse Zungen – die gab es auch – sagten dem Tagelöhner vom Leopoldibrunnen wegen dessen auf den Unterarm tätowierter Nummer eine Mitgliedschaft bei der SS nach. Was gerade bei der Lebensgeschichte von Kadlitz eine ganz böse Verdrehung der Tatsachen ist: Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) führt ihn im Lexikon der Spanienkämpfer, die in der internationalen Brigade gegen den faschistischen Diktator Franco zu Felde zogen. Glaubwürdig ist, dass Kadlitz wirklich eine Tätowierung am Unterarm trug: Sie wurde ihm wohl im Lager Saint Cyprien gestochen, nachdem er als Freischärler des 11. Internationalen Bataillons im Jahr 1939 in Kriegsgefangenschaft geraten war.
Nach Interpretation der jüngsten Gesetzesänderung unserer ach so tollen Regierung, wäre der Mann als Terrorist einzustufen, da er als Freiheitskämpfer gegen seine (faschistische) Regierung gekämpft hat.
Hat die FPÖ Steyr schon eine Presseaussendung gemacht, oder brüten sie noch über den Buchstaben?
Interessant wäre, was er zwischen 1939 und 1945 gemacht hat, vielleicht hat es ihn doch noch zur SS verschlagen. Die "Spanienkämpfer" waren ja nicht nur überzeugte Antifaschisten, es waren auch viele Abenteurer dabei. Nebenbei verübten sie unzählige Verbrechen, zB ermordeten sie 5000 (!) katholische Priester, weil die katholische Kirche auf Seiten Frankos stand.
Mich stört es nicht, wenn jemand in seinem langen Leben Fehler gemacht hat. Ich bin lediglich gegen die geradezu dumme Einteilung in schwarz und weiß, wo sich Leute 80 Jahre später ein Urteil anmaßen. Gerade die Biografien der "Spanienkämpfer", die ja in Büchern nachzulesen sind, sind diesbezüglich sehr aufschlussreich.
Da geb ich ihnen vollkommen recht. Die Leute, die den Leo nicht mehr erlebt haben, berichten heute über ihn. So gut so schön - lauter Experten.
Es ist ja auch lustig, dass schamhaft verschwiegen wird, dass seine Hilfstour nicht nur zu den Marktständen sondern auch zu den berühmt-berüchtigten Etablissements geführt hat. Auch keine Schande, aber verschweigen muss man es auch nicht, denn auch dort gab's "Noagal" (Reste von Alk) die der Leo gut brauchen konnte.
Ich würde u. a. auch den Hr. Pfarrer Kronsteiner nicht der Stadtpfarrkirche zuordnen, sondern der Pfarre St. Michael, aber das sind ja nur so Kleinigkeiten.