Handyverbot - und zwar für alle: Warum ein französischer Ort smartphonefreie Zone ist
SEINE-PORT. Massiver Eingriff in die Privatsphäre oder notwendiger Schritt? Eine französische Gemeinde verbietet die Nutzung von Smartphones im öffentlichen Raum.
Das Handy. Es dient zur Informationsbeschaffung, zur Unterhaltung, zur Verständigung, zur Selbstdarstellung. Telefon, Kamera, PC, Musikabspielgerät, Fernseher, Zeitung, dieses Gerät ist scheinbar alles in einem - und passt zudem noch in die Hosentasche.
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Dunkel erinnert sich bestimmt der ein oder andere Leser an Zeiten, in denen es galt, nach einer Telefonzelle zu suchen, um in Kontakt treten zu können. Die wichtigsten Nummern kannte man auswendig. Wenn nicht, hat man im dicken gelben Telefonbuch blättern, leise das Alphabet vor sich hinmurmeln müssen.
Verbote und Beschränkungen als Lösung?
Aus der Zeit gefallen wirken diese Erinnerungen, die tatsächlich schon 20 Jahre her sind. Heute hat jeder immer alles dabei. Kein Wunder, dass Herr und Frau Österreicher jeden Tag mehr als drei Stunden am Smartphone verbringen. Ob das gut ist, sei dahin gestellt. Wie mit der zum Teil exzessiven Handynutzung umzugehen ist, vor allem in Schulen, das wird derzeit in vielen europäischen Ländern, auch auf auf politischer Ebene, diskutiert. Das Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen liegt im Fokus.
Die irische Stadt Greystones, südlich von Dublin gelegen, beschloss beispielsweise im Sommer 2023 ein generelles Handyverbot für Kinder unter 12. Die mediale Aufmerksamkeit war groß.
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Und in Frankreich werden Handys an Schulen bis zur Oberstufe künftig komplett verboten sein. Frankreichs Premierminister Gabriel Attal rief zudem dazu auf, soziale Medien erst ab 13 Jahren zu erlauben. Und dann auch nur mit Einverständnis der Eltern. Auch in Österreich ist die Nutzung der sozialen Medien eigentlich erst ab 14 Jahren erlaubt - das tatsächliche Alter der anmeldenden Person zu überprüfen, ist in der Praxis aber noch quasi unmöglich.
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"Will den Menschen helfen"
Eine kleine Gemeinde in Frankreich südlich von Paris hat Anfang des Monats einen derzeit noch vergleichslosen Vorstoß gewagt. Und Handys in der Öffentlichkeit einfach gleich ganz verboten - auch für die Erwachsenen. Weil der Bürgermeister, ein Konservativer, ein "Problem für die öffentliche Gesundheit" gesehen hat. Das schreibt die größte Pariser Tageszeitung Le Parisien. Wo man auch hingesehen hätte, alle hätten nur noch auf die Bildschirme gestarrt, wird der Bürgermeister zitiert. Und die Erwachsenen hätten schließlich eine Vorbildwirkung.
Schauplatz ist der Ort Seine-Port, knapp 2.000 Einwohner. Seit dem Jahr 2020 ist Vincent Paul-Petit von den konservativen Les Républicains dort Stadtchef.
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Vier Jahre nach seinem Amtsantritt hat es Paul-Petit dann gereicht mit der exzessiven Bildschirmnutzung der Bürger. Er ließ diese kurzerhand abstimmen: Soll es ein Smartphone-Verbot in der ganzen Gemeinde geben? An öffentlichen Plätzen, auf der Straße, vor Schulen, in Unternehmen, bei Zusammenkünften im öffentlichen Bereich?
"Aufdringlich wirkt das schon", sagt Paul-Petit der Le Parisien. "Aber ich will den Menschen mit der Verordnung helfen."
Die Wahlbeteiligung bei der Abstimmung war mittelprächtig. 272 Wähler beteiligten sich an der Befragung. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von gut 20 Prozent. Der Ausgang war knapp, fiel aber dennoch positiv aus für das Anliegen des Bürgermeisters. 146 Menschen waren seiner Meinung, 126 stimmten gegen das Verbot.
"Fürsorgliche Erziehungsmaßnahme"
So war es beschlossene Sache: Die Gemeinde Seine-Port wurde vor zwei Wochen zur handyfreien Zone erklärt. Zum Scrollen und Surfen sollen sich die Bewohner nun in ihre eigenen vier Wände zurückziehen. Der Bürgermeister verfasste die Bestimmung, in der das Verbot im öffentlich sozialen Raum festgelegt wurde. Da diese einen massiven Eingriff in die Privatsphäre darstellt und nicht gesetzlich verankert ist, ist es nicht möglich, etwaige Verstoße gegen den Beschluss zu sanktionieren. Ein Verstoß bliebe also straffrei. Als "fürsorgliche Erziehungsmaßnahme" ist das ganze eher zu sehen, sagt der Bürgermeister.
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Im Schriftstück sind zudem Tipps enthalten für die private Nutzung des technischen Lieblingsgeräts der Bürger von Seine-Port. Eltern wird zum Beispiel geraten, Bildschirme auch am Frühstückstisch sowie abends vor dem Schlafengehen beziehungsweise in Schlafzimmern komplett zu verbieten.
Außerdem ein Angebot: Paul-Petit will Schülern ein einfaches Handy ohne großes Display anbieten, sofern deren Eltern versprechen, auf den Kauf eines Smartphones bis zum 15. Lebensjahr des Kindes zu verzichten.
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In Österreich kaum vorstellbar, sind in Frankreich derlei Vorgehensweisen durchaus üblich. Dort ist es den Bürgern möglich, mittels Bürgerentscheid in ihren Gemeinden in Referenden mitzubestimmen. In Paris wurden auf diese Weise Miet-Roller verboten, unlängst wurde eine Erhöhung von Parkgebühren für SUVs beschlossen.
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“Hier gibt es doch nichts”
Um der Jugend Alternativen zu bieten zu TikTok und Co., wird in Seine-Port ein neuer Filmclub und ein Sportbereich für Jugendliche errichtet. Die Neuerung im Ort finden trotzdem erwartungsgemäß nicht alle jungen Einwohner von Seine-Port super.
Die Zeitung Le Parisien zitiert da zum Beispiel die 18-Jährigen Maxence und Lenka: "Keine Handys? Aber für junge Leute gibt es doch nichts in Seine-Port.""Ja, es ist besser nur die Eltern zur Verantwortung zu ziehen. Die machen das Verhalten am Smartphone ja vor." Die Leiterin des örtlichen Kindergartens hingegen begrüße das neue Verbot, da sie schon verheerende Folgen des Konsums bei Dreijährigen beobachtet hätte.