Pistorius in Kiew: Ukraine erhält mehr als einhundert Leopard-1-Panzer
KIEW. Die Ukraine soll von einer Gruppe mehrerer europäischer Länder mehr als 100 Kampfpanzer des älteren Typs Leopard 1A5 erhalten.
Dies gab der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius am Dienstag bei seinem ersten Besuch in Kiew bekannt. Bis zum ersten oder zweiten Quartal 2024 sollten mindestens drei Bataillone aus dem Westen mit solchen Panzern ausgestattet werden. Aus welchen europäischen Ländern neben Deutschland die Leopard 1 kommen sollen, sagte Pistorius nicht.
Der Besuch in Kiew war die erste große Auslandsreise des vor knapp drei Wochen vereidigten SPD-Verteidigungsministers. Aus Sicherheitsgründen wurde der Aufenthalt zunächst geheimgehalten. Neben Präsident Wolodymyr Selenskyj traf Pistorius auch Verteidigungsminister Olexij Resnikow (siehe unten seinen Tweet vom Besuch). Russlands Angriffskrieg gegen das Nachbarland dauert inzwischen fast schon ein Jahr.
Lieferung in Etappen
Pistorius sagte, die Lieferung der Leopard 1 werde in Etappen erfolgen. Bis zum Sommer sollten 20 bis 25 Panzer geliefert werden, bis Ende des Jahres bis zu 80. Ziel sei, im Laufe des ersten oder zweiten Quartals 2024 auf mehr als 100 zu kommen. Dies bedeute, dass mindestens drei ukrainische Bataillone einschließlich des zu beschaffenden Materials für Ersatzteile und Munition ausgerüstet werden sollten. Zudem habe man mit der Ausbildung von 600 Feldwebeln begonnen.
Der Leopard 1 ist der erste Kampfpanzer, der für die Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde. Von 1965 bis Mitte der 80er Jahre wurden 4700 Exemplare produziert. Die Bundeswehr hat ihre letzten Leopard 1 bereits vor 20 Jahren ausgemustert.
Die deutsche Bundesregierung hatte nach längerer Diskussion vor zwei Wochen entschieden, der Ukraine auch modernere Leopard-Kampfpanzer zu überlassen sowie Verbündeten solche Lieferungen des in Deutschland entwickelten Waffensystems zu erlauben. Auch Schützenpanzer vom Typ Marder und das Flugabwehrraketensystem Patriot sollen an die Ukraine gehen. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland läuft bereits.
Mit der aktuellen Zusage zur Lieferung der Leopard-1-Panzer verbinde er "den Wunsch und die große Hoffnung, dass auch dieser Beitrag dazu beitragen kann, dass die Ukraine weiter verteidigungsfähig bleibt und dem Angriff standhält", sagte Pistorius. Der Wille des ukrainischen Volkes, die Heimat zu verteidigen, sei ungebrochen. "Dafür zolle ich Ihnen meine größte Bewunderung", sagte der Minister bei einem gemeinsamen Auftritt mit seinem ukrainischen Kollegen Resnikow.
Pistorius betonte, es dürfe keinen Zweifel daran geben, dass Deutschland sowie die anderen Partner in Europa und darüber hinaus "auch in Zukunft fest an der Seite der Ukraine stehen werden und wir sie weiter unterstützen werden mit allem, was nötig ist". Bis Ende des Monats erhält die Ukraine nach Pistorius' Angaben weitere Lenkflugkörper, zudem fünf Gepard-Flugabwehrpanzer und weitere fünf Dachs-Pionierpanzer. Fünf Brückenlegepanzer vom Typ Biber würden im März geliefert.
Angesprochen auf ukrainische Forderungen nach Kampfflugzeugen etwa vom Typ Eurofighter oder Tornado sagte Resnikow, man habe nicht über spezielle Namen oder Marken gesprochen. Pistorius betonte, die erste Priorität bestehe im Moment darin, die Leopard-Panzer zu liefern und einzusetzen sowie vor allem die Luftverteidigungsfähigkeit in der Ukraine zu gewährleisten.
Pistorius hatte das Amt am 19. Jänner übernommen, nachdem Vorgängerin Christine Lambrecht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) um Entlassung gebeten hatte. Er steht vor der Aufgabe, aus den heruntergewirtschafteten Streitkräften wieder eine breit gefechtstaugliche Truppe zu machen. Pistorius, der zuvor Innenminister in Niedersachsen war, suchte seither bei Besuchen und Kasernen und auf Übungsplätzen die Nähe zur Truppe
Frühestens ab Sommer erste Lieferung
Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in einer Vorabmeldung am Dienstag berichtete, hat der deutsche Bundessicherheitsrat Anfang der Woche dem Export von insgesamt 178 Leopard-1-Kampfpanzern an die Ukraine zugestimmt. Die Panzer stammen aus Industriebeständen und müssen zum großen Teil vor einer Abgabe noch instandgesetzt werden. Im besten Fall soll eine erste Tranche der Leopard-1-Panzer schon im Sommer dieses Jahres an die Ukraine ausgeliefert werden.
Die neue Genehmigung für Waffenlieferungen soll am Abend offiziell angekündigt werden. Nach "Spiegel"-Informationen hatte das Kanzleramt in den letzten Monaten diskret mit der Rüstungsindustrie verhandelt, um den Deal perfekt zu machen. Zum einen soll nun die Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft um die 90 Leopard-1-Modelle, die dort bereits seit Jahren eingelagert sind, einsatzbereit machen und für den Einsatz in der Ukraine vorbereiten.
Das zweite Leopard-1-Paket kommt aus Italien. Dort hatte sich die Rüstungsschmiede Rheinmetall bereits vor Monaten eine Option auf 88 eingelagerte Leopard-1-Panzer gesichert. Nachdem sich nun eine Ausfuhrgenehmigung für die Ukraine abzeichnet hatte, leitete Rheinmetall den Kauf der Panzer ein und wird sie nun modernisieren. Die Kosten für Panzer und Instandsetzung übernimmt die Bundesregierung. Das Geld kommt aus einem Topf zur Ertüchtigung der Ukraine.
In Industriekreisen hieß es, man sei in der Lage, bis Sommer oder Herbst des Jahres einige Dutzend der Leopard-1-Panzer so wieder herzurichten, dass sie in die Ukraine abgegeben werden können. Der Großteil wird wohl aber erst im Jahr 2024 geliefert werden können. Möglich ist auch, dass es am Ende etwas weniger Panzer werden, weil bei der Instandsetzung einige der gelagerten Panzer für Ersatzteile ausgeschlachtet werden müssen.
Leopard seit 2003 ausgemustert
Die Bundeswehr hatte den Leopard-1-Panzer 2003 endgültig ausgemustert und durch Leopard 2 ersetzt. Das neue Modell, der Leopard 2, ist im Vergleich zum Vorgänger stärker bewaffnet, schneller und besser gepanzert.
Die deutsche Bundesregierung hatte bereits vergangene Woche bestätigt, dass sie die Lieferung von Leopard-1-Kampfpanzern aus Industriebeständen erlaubt, aber keine Zahlen genannt. Zuvor hatte die Regierung zudem entschieden, dass sie aus den Beständen der Bundeswehr zunächst 14 Leopard-2-A6-Kampfpanzer an die Ukraine abgeben wird.
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