Terror-Alarm in Brüssel: 2 Tote
BRÜSSEL. In Brüssel sind Montagabend mindestens zwei Menschen erschossen worden. Laut mehreren Medienberichten soll es sich bei den Toten um schwedische Fußballfans gehandelt haben.
Nach den tödlichen Schüssen auf zwei Schweden in Brüssel ist der mutmaßliche Attentäter weiter auf der Flucht. Er ist den Behörden bekannt: Die Ermittlungen dauerten an, aber man könne bereits jetzt sagen, dass es sich um einen 45-jährigen Tunesier handle, der im November 2019 in Belgien Asyl beantragt habe, sagte Justizminister Vincent van Quickenborne am frühen Dienstagmorgen. In der belgischen Hauptstadt wurde am Montagabend die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen.
Der mutmaßliche Täter sei der Polizei im Zusammenhang mit Menschenhandel, illegalem Aufenthalt und Gefährdung der Staatssicherheit aufgefallen, so der Justizminister. Im Juli 2016 wurden von einer ausländischen Polizeibehörde unbestätigte Informationen übermittelt, wonach der Mann ein radikalisiertes Profil habe und in ein Konfliktgebiet in den Jihad ziehen wolle, wie van Quickenborne sagte. Solche Informationen gebe es zuhauf. Sie sei ohne Ergebnis überprüft worden. "Darüber hinaus gab es, soweit unseren Diensten bekannt, keine konkreten Hinweise auf eine Radikalisierung."
Die Staatssekretärin für Asyl und Migration, Nicole de Moor, sagte, der mutmaßliche Täter habe im November 2019 Asyl beantragt. "Er erhielt im Oktober 2020 einen negativen Bescheid und verschwand kurz darauf vom Radar." Im Februar 2021 sei er offiziell aus dem Nationalregister gestrichen worden. Er habe sich nie in einem staatlichen Aufnahmezentrum in aufgehalten. Da er aus dem Nationalregister gestrichen wurde, konnte sein Aufenthaltsort nicht ermittelt werden, um seine Rückkehr zu organisieren, sagte sie.
Eine Hausdurchsuchung durch Spezialeinheiten im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek blieb am Dienstag nach Angaben des Bundesanwalts Frédèric Van Leeuw zunächst ohne Erfolg. "An der angegebenen Adresse wurde niemand angetroffen", sagte er. Aus Sicherheitsgründen sei das gesamte Gebäude mit rund 20 Wohnungen von der Polizei durchsucht worden. Weitere Ermittlungen seien im Gange.
Belgiens Premierminister De Croo sagte, weil die Bedrohungslage für Brüssel auf die höchste Stufe hochgestuft worden sei, werde es nun eine verstärkte Polizeipräsenz geben. Auch an einer Reihe von sensiblen Orten, insbesondere an Orten, die mit der schwedischen Gemeinschaft in Verbindung stehen, würden verstärkte Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt. Auch im restlichen Land gebe es verstärkte Kontrollen. De Croo rief alle Menschen in Brüssel zu erhöhter Wachsamkeit auf. Am Nachmittag solle der nationale Sicherheitsrat zusammenkommen.
Bildergalerie: Terror-Alarm in der Brüsseler Innenstadt
Galerie ansehenAm frühen Montagabend war laut Nachrichtenagentur Belga ein bewaffneter Mann im Norden der Innenstadt von einem Roller abgestiegen und hatte auf der Straße Schüsse abgegeben. Als mehrere Menschen in einen Hauseingang flohen, soll er sie verfolgt und auf sie geschossen haben. Die Polizei bestätigte diese Angaben zunächst nicht. De Croo schrieb auf Twitter (X), bei den Todesopfern handle es sich um schwedische Staatsbürger. Ein drittes Opfer, ein Taxifahrer, ist laut Staatsanwaltschaft inzwischen außer Lebensgefahr.
Die Tat ereignete sich um kurz nach 19 Uhr in der Nähe des Place Sainctelette im Norden der belgischen Hauptstadt unmittelbar vor einem EM-Qualifikationsspiel im Brüsseler König-Badouin-Stadion. Mehreren Medienberichten zufolge handelt es sich bei den Opfern um schwedische Fans.
Die beiden Schweden starben rund fünf Kilometer entfernt vom Brüsseler Fußballstadion. Das EM-Qualifikationsspiel wurde beim Stand von 1:1 abgebrochen. Die Nachricht vom Tod der beiden Schweden verbreitete sich in der Halbzeitpause. Nach Angaben des schwedischen TV-Senders SVT hätten die Spieler der schwedischen Nationalmannschaft daraufhin beschlossen, das Spiel nicht fortzusetzen. Die belgischen Nationalspieler hätten sich dem angeschlossen. Mehrere Tausend Menschen mussten aus Sicherheitsgründen zunächst im Brüsseler Fußballstadion ausharren, bis sie evakuiert werden konnten.
Nach Angaben der für Terrorismus zuständigen belgischen Bundesstaatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben bisher keine Hinweise, dass eine Verbindung zwischen dem Angriff in Brüssel und dem Gaza-Konflikt besteht. Die schwedische Staatsangehörigkeit der Opfer könnte eine Motivation für die Tat sein, zitierte die belgische Nachrichtenagentur Belga einen Sprecher der Bundesstaatsanwaltschaft.
Aus Ermittlerkreisen hieß es, in Onlinediensten kursiere ein Bekennervideo, auf dem ein Mann auf Arabisch spreche. In einem weiteren Video, das auf der Webseite der flämischen Zeitung "Het Laatste Nieuws" veröffentlicht wurde, ist zu sehen, wie der mutmaßliche Schütze in einer orangefarbenen Neonjacke eine automatische Waffe schultert und auf einem Motorroller davonfährt. Parallel sind mindestens vier Schüsse zu hören. In den sozialen Medien wurden unbestätigte Aufnahmen eines Mannes verbreitet, der sich als ein Mitglied der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) bezeichnet und erklärt, er habe drei Schweden getötet.
De Croo drückte dem schwedischen Premier Ulf Kristersson sein aufrichtiges Beileid aus: "Als enge Partner ist der Kampf gegen den Terrorismus ein gemeinsamer Kampf." Kristersson rief die Schweden in Belgien zur Wachsamkeit auf. Der schwedische Justizminister Gunnar Strommer sprach am Montag von "schrecklichen Nachrichten aus Brüssel". Schweden hatte im August seine Terrorwarnstufe auf die zweithöchste Stufe angehoben, nachdem Koranverbrennungen in Schweden Muslime empört hatten. Die schwedische Regierung verurteilte die Verbrennungen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem "feigen Anschlag" und drückte den Menschen in Schweden gegenüber ihr Beileid aus. Der belgische EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb auf X: "Das Herz Europas wird von Gewalt getroffen. Mein Mitgefühl gilt den Familien der Opfer des tödlichen Anschlags im Zentrum von Brüssel." Der belgische Königspalast zeigte sich "schockiert" und drückte seine "Unterstützung für die Sicherheitskräfte aus, die alles tun, um den Urheber der Taten zu fassen", hieß es auf X.
Ähnlich äußerte sich Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni. "Italien verurteilt entschieden jede Form von Gewalt, Fanatismus und Terrorismus und drückt den Opfern und ihren Familien sein tiefstes Mitgefühl aus", hieß es in einer Erklärung. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verurteilte die Tat "auf das Schärfste". "Wir stehen im Kampf gegen Terror und Extremismus Seite an Seite", betonte Nehammer auf X. Auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) verurteilte das Attentat.
Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin kündigte an, die Grenzkontrollen zum Nachbarland Belgien verschärfen zu wollen. Am Freitag war an einer Schule in Nordfrankreich ein Französischlehrer von einem radikalisierten ehemaligen Schüler getötet worden. In dem Land gilt seitdem die höchste Alarmstufe.
Belgien bereits mehrfach Ziel von Angriffen
Der Rat der Muslime in Belgien verurteilte das Attentat. Er forderte die Behörden "zu größter Entschlossenheit auf, um unsere nationale Gemeinschaft zu schützen und so schnell wie möglich Licht ins Dunkel zu bringen".
Belgien war in den vergangenen Jahren mehrfach Ziel terroristischer Anschläge. Am 22. März 2016 sprengten sich in der Hauptstadt Brüssel drei Selbstmordattentäter am Flughafen und in einer U-Bahn-Station in die Luft. Dabei wurden 35 Menschen getötet und fast 700 weitere verletzt. Zu den Taten bekannte sich der IS.
Im November 2022 hatte ebenfalls in Brüssel ein mit einem Messer bewaffneter Mann zwei Polizisten angegriffen, wobei einer von ihnen getötet und der andere schwer verletzt wurde. Die Bundesstaatsanwaltschaft leitete eine Untersuchung ein.
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