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Als ein Frieden im Nahen Osten zum Greifen nahe schien

Von Eike-Clemens Kullmann, 14. Oktober 2024, 03:50 Uhr
Als ein Frieden im Nahen Osten zum Greifen nahe schien
Der geschichtsträchtige Händedruck zwischen Jitzchak Rabin und Jassir Arafat, wohlwollend begleitet von Bill Clinton Bild: APA/AFP/SCANPIX/ERIK JOHANSEN

OSLO. Vor 30 Jahren erhielten Israels Premier Jitzchak Rabin, Außenminister Shimon Peres und PLO-Chef Jassir Arafat den Friedensnobelpreis.

Der Frieden schien in greifbarer Nähe, als das Nobelpreiskomitee in Oslo an dessen Architekten Jitzchak Rabin, Shimon Peres und Jassir Arafat am 14. Oktober 1994 vorsorglich den prestigeträchtigsten internationalen Ritterschlag verlieh. Die Auszeichnung erfolgte für ihre "Bemühungen um den Frieden im Nahen Osten".

Vor allem Arafat war umstritten: für manche ein Freiheitskämpfer, für andere ein Terrorist. Immerhin hatte er als Fatah- bzw. PLO-Chef jahrzehntelang Terroranschläge vor allem auf israelische Bürger verübt bzw. verüben lassen. Dennoch war das Komitee (ein Mitglied trat zurück, da Arafat für "Terror, Gewalt und Blutvergießen" stünde) der Ansicht, dass allein der Einsatz auf dem Weg zu einem besseren Zusammenleben preiswürdig sein könne, selbst wenn der Erfolg länger auf sich warten lasse.

Ein Bild für die Geschichtsbücher

Dem Friedensnobelpreis war das Osloer Abkommen vorausgegangen – und ein Bild für die Geschichtsbücher: Israels Premier Rabin im dunklen Anzug und Palästinenserchef Arafat in olivgrüner Uniform mit Palästinensertuch besiegelten per Handschlag inmitten der ausgebreiteten Arme von US-Präsident Bill Clinton im September 1993 besagtes Abkommen.

Darin heißt es in der Präambel: Beide Seiten seien übereingekommen, "dass die Zeit gekommen ist, den Jahrzehnten der Konfrontation und des Konflikts ein Ende zu setzen, die gegenseitigen legitimen und politischen Rechte anzuerkennen und ein Leben in friedlicher Koexistenz und beiderseitiger Würde und Sicherheit anzustreben, eine andauernde und umfassende Friedensvereinbarung und eine historische Versöhnung zu erreichen, und zwar durch einen einvernehmlichen politischen Prozess."

Dieses Abkommen galt damals als bahnbrechend: Erstmals erkannten einander die Beteiligten damit gegenseitig an, die Palästinenser sprachen Israel ein Existenzrecht zu – etwas, das heute von den schiitischen Terrororganisationen im Gazastreifen und dem Libanon, Hamas und Hisbollah, sowie vor allem vom Iran abgelehnt wird.

Israel ließ die im Exil lebende Palästinenserführung zurück ins Land. Die Palästinenser erhielten eine abgestufte Autonomie in mehreren Gebieten sowie das israelische Versprechen, sich schrittweise aus palästinensischem Gebiet zurückzuziehen. Israel sollte im Gegenzug von der Sicherheitszusammenarbeit mit den palästinensischen Behörden profitieren. Die heißesten Eisen des Konflikts – Grenzverlauf, bestehende israelische Siedlungen, der Status von Jerusalem, die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge – sollten später gelöst werden.

Der Plan: Land für Frieden

1995 folgte zwar noch ein weiteres Oslo-Abkommen, doch die Ermordung Rabins kurze Zeit später zerstörten den Friedensprozess. 1996 wurde Benjamin Netanjahu, die politische Leitfigur derer, die sich durch Rabins Verhandlungen mit den Palästinensern verraten fühlten, erstmals Premier. Unzählige weitere Verhandlungen, denen Vertagungen folgten, endeten im Jahr 2000 schließlich mit dem Abbruch des Camp-David-Gipfels am Sommersitz des US-Präsidenten.

Fünf Jahre hätte Oslo als Zeitplan bis zur Verwirklichung zweier souveräner Staaten Israel und Palästina vorgesehen. Ein grundsätzlich guter Plan, sollte es doch Autonomie für Anerkennung, Land für Frieden geben.

Doch die Karte, auf der der Weg dahin gezeichnet war, ist verbrannt. Spätestens seit dem Massaker, das die Hamas am 7. Oktober 2023 im israelischen Grenzgebiet anrichtete, und dem darauffolgenden Gaza-Krieg ist stattdessen in Dauerschleife zu beobachten: ein permanentes Töten – mittlerweile auch im Libanon, wo erst in den vergangenen Tagen sogar die UN-Blauhelme unter Beschuss gerieten. Von einem Frieden kann bestenfalls noch geträumt werden.

Wie aber könnte der aussehen? Vor allem der Westen propagiert eine Zwei-Staaten-Lösung. Das hieße, Israel und ein unabhängiger, demokratischer Palästinenserstaat würden friedlich nebeneinander leben. Doch das schließt die Rechts-Regierung unter Premier Netanjahu kategorisch aus. Er werde "keine Kompromisse eingehen, wenn es um die volle israelische Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordans geht – und das steht im Widerspruch zu einem palästinensischen Staat", versichert Netanjahu.

Um dauerhaften Frieden zu erreichen, werden zudem eine Ein-Staat- sowie eine Drei-Staaten-Lösung als Alternative überlegt. Erstere sieht die nationale Selbstbestimmung und Autonomie für Juden wie Palästinenser mit einer gemeinsamen israelischen Staatsbürgerschaft vor. Die Drei-Staaten-Lösung würde einen vom Westjordanland unabhängigen Gazastreifen bringen – also zwei palästinensische Staaten bedeuten.

Realistisch ist derzeit keiner dieser Lösungsansätze. Jedenfalls nicht, solange niemand den Mut aufbringt, sich auf die Suche nach der Präambel von Oslo und dem Vorbild der Friedensnobelpreisträger Rabin, Peres, Arafat zu machen.

Jassir Arafat, Shimon Peres, Jitzchak Rabin
Jassir Arafat, Shimon Peres, Jitzchak Rabin Bild: (APA/AFP/SCANPIX/ERIK JOHANSEN)

Zur Person

Jassir Arafat wurde 1929 geboren – entweder in Palästina, was er behauptete, oder in Kairo, wovon Biografen ausgehen. Er verbrachte seine Kindheit in Jerusalem und Kairo, studierte Elektrotechnik, war 1956 im israelisch-arabischen Krieg Reserveoffizier der ägyptischen Armee. 1958 gründete er die Al Fatah, die „Bewegung zur Befreiung Palästinas“, die 1969 in die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) aufgenommen wurde. Als deren Chef war er für unzählige Terrorakte gegen Israel verantwortlich. Arafat starb 2004.

Shimon Peres wurde 1923 in Polen geboren und kam mit seinen Eltern ins damalige Palästina. Seine Heimat fand er in Tel Aviv und später in einem Kibbuz. Bald in der Gewerkschaftsbewegung aktiv, wurde er 1953 Generaldirektor im Verteidigungsministerium und 1959 ins Parlament (Knesset) gewählt. Der Sozialdemokrat (Awoda-Partei) war mehrfach Minister (u.a. Außenminister unter Jitzchak Rabin). Obwohl er nie eine Parlamentswahl gewann, war er dreimal Premier. Von 2007 bis 2014 war er Staatspräsident. Er starb 2016.

Jitzchak Rabin wurde 1922 in Jerusalem geboren. Als siegreicher Generalstabschef wurde er 1967 zum Helden des Sechstagekrieges gegen Ägypten, Jordanien und Syrien, als Politiker der sozialdemokratischen Partei Awoda zweimal Ministerpräsident und als Friedensnobelpreisträger zum Hassobjekt der Rechten im eigenen Land. Bei einer Großdemonstration für den Frieden sprach er 1995 vor 100.000 Anhängern in Tel Aviv. Als er danach von der Bühne ging, wurde er von einem rechtsextremen Jus-Studenten erschossen.

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Autor
Eike-Clemens Kullmann
Redakteur Außenpolitik, Weltspiegel
Eike-Clemens Kullmann
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