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Faktencheck: Hat Polen tatsächlich die Grenze zur Ukraine geschlossen?

Von nachrichten.at/apa, 06. Jänner 2024, 07:53 Uhr
Bild: GLEB GARANICH (REUTERS)

PRZEMYSL. Ein virales Video soll einen Stau an der ukrainisch-polnischen Grenze zeigen, nachdem heimgekehrte Ukrainer nach Weihnachten angeblich wieder nach Polen einreisen wollten.

"Die Polen machen die Grenzen zu" oder "Polnische Grenze geschlossen" heißt es etwa in der beigefügten Schrift. In Wirklichkeit sind die Grenzen weiterhin geöffnet.

Einschätzung:

Das Video ist authentisch und an einem polnisch-ukrainischen Grenzort entstanden. Polen hat die Grenzen allerdings nicht geschlossen. Es ist unklar, was den Stau im Video ausgelöst hat. Ein möglicher Grund könnten verschärfte Kontrollen bei der Ausreise aus der Ukraine sein.

Überprüfung:

Das Video ist tatsächlich an der polnisch-ukrainischen Grenze entstanden. Es handelt sich um Aufnahmen nahe dem Grenzübergang beim polnischen Dorf Medyka.

Allerdings ist das Video nicht direkt an der Grenze entstanden. Im Video ist eine "WOG"-Tankstelle am Ende des Orts Schehyni auf der ukrainischen Seite der Grenze zu sehen. Dies lässt sich anhand von Google Street View-Aufnahmen abgleichen, in denen die grüne Tankstelle und die Preisanzeige eindeutig wiederzuerkennen sind. Die Entfernung bis zur Grenze beträgt etwa 3,5 Kilometer.

Keine Bauern-Demonstrationen zwischen Weihnachten und Neujahr

Auf der Suche nach möglichen Erklärungen für den Stau stößt man schnell auf Berichterstattung über Proteste polnischer Bauern und Lkw-Fahrer an der Grenze. Diese demonstrierten im November und Dezember sowie auch im neuen Jahr etwa für staatliche Subventionen und Ausnahmen einer Grundsteuererhöhung. In dieser Zeit verschärfte die polnische Regierung auch die Kontrollen von ukrainischen Lastwägen, womit sie einer Forderungen der demonstrierenden Lkw-Fahrer nachkam. Die Proteste und die Kontrollen sorgten in den letzten Wochen immer wieder für kilometerlange Staus.

Sollte das vorliegende Video allerdings tatsächlich nach Weihnachten entstanden sein, lohnt es sich, die Suche nach dem Grund fortzusetzen. Die Bauern wollten die Demonstrationen zwischen Weihnachten und Neujahr nämlich unterbrechen, sie dürften also nicht die Ursache gewesen sein.

Aufnahmen der Washington Post von derselben Stelle vom Februar 2022 zeigen, dass es auch beim Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine zu langen Staus gekommen ist. Ende des vergangenen Jahres erfolgten auch wieder heftige Angriffe Russlands, die einen Fluchtstrom hätten auslösen können.

Gerüchte über schärfere Ausreisekontrollen

Eine andere Erklärung liefert allerdings ein Instagram-Posting des ukrainischen Radiosenders "Radiotrek", der am 31. Dezember drei Videos veröffentlichte, darunter das Video, das hier untersucht wird. Laut dem Beitrag würden ukrainische Männer an der Grenze auf Dokumente hinsichtlich ihrer Wehrtauglichkeit geprüft werden. Es wird in den Raum gestellt, dass nun auch Männer mit gewissen körperlichen Einschränkungen verschärft kontrolliert und geprüft würden, wenn sie die Grenze passieren wollen. Am Tag zuvor hatte auch die ukrainische Polizei über Telegram Verkehrsblockaden am Grenzort Shehyni verkündet.

Tatsächlich kündigte die ukrainische Regierung in den letzten Wochen Verschärfungen bei der Mobilmachung neuer Soldaten an. Offiziell dürfen bereits jetzt wehrpflichtige Männer zwischen 18 und 60 Jahren nicht das Land verlassen. Viele flüchteten aber ins Ausland und sind dort für die Behörden schwer greifbar.

Der Grenzschutz reagierte am 30. Dezember auf die viralen Gerüchte und versicherte, dass sich nichts an den Regeln für das Übertreten der Grenze geändert hätte. Dennoch würde man weiterhin die Hintergründe der Ausreisenden genau prüfen. Kurz darauf gab der Grenzschutz allerdings bekannt, Männer mit mehreren Kindern nun schärfer auf ihre Dokumente zu überprüfen, die sie vom Wehrdienst befreien.

Grenzübergänge weiterhin offen

Was genau schlussendlich der tatsächliche Grund für die im Video zu sehenden stehenden Autos gewesen ist, lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Fest steht jedoch, dass die in den Postings aufgestellte Behauptung, dass Polen die Grenzen dicht gemacht hat, Unsinn ist.

Die Grenzübergänge sind weiterhin zur Einreise offen, wie sich auch auf dem X-Account der polnischen Grenzkontrolle beobachten lässt. Laut deren Informationen wurden am 30. Dezember 22.000 Menschen und am 31. Dezember 19.800 Menschen an Grenzübergängen von der Ukraine nach Polen abgefertigt.

Ob es sich im Video um Ukrainer handelt, die nach Weihnachten wieder in Länder zurückkehren, in denen sie einen Schutzstatus erhalten haben, ist eine Behauptung, die sich nicht überprüfen lässt. Grundsätzlich ist es etwa in Österreich erlaubt, Reisen anzutreten, ohne dass das Aufenthaltsrecht für Vertriebene aus der Ukraine erlischt. Bei Asylberechtigten kann die Einreise in den Herkunftsstaat laut Asylgesetz allerdings auch ein Hinweis für die Aberkennung des Asylstatus darstellen.

Kein Widerspruch ist es übrigens, dass Ukrainer trotz ihres größtenteils orthodoxen Glaubens Ende Dezember Weihnachten gefeiert haben könnten. Im Juli 2023 beschloss das ukrainische Parlament, Weihnachten künftig am 25. Dezember zu feiern. 60 Prozent der Ukrainer wollten an diesem Datum die Weihnachtsfeierlichkeiten begehen.

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