Israel befreit 2 Geiseln – Hamas meldet viele Tote in Rafah
TAL AVIV/GAZA. Israelischen Sicherheitskräften ist bei einem nächtlichen Einsatz in Rafah im Gazastreifen die Befreiung von zwei Geiseln gelungen.
Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte dazu am Montag, Israel werde keine Gelegenheit auslassen, weitere Geiseln zu befreien. Die von der Hamas kontrollierte Gaza-Gesundheitsbehörde berichtete am Montag von mindestens 70 Toten und 160 Verletzten bei dem Angriff.
Erste Befreiung ziviler Geiseln
Für eine Befreiung aller Geiseln sei anhaltender militärischer Druck bis zum "vollständigen Sieg" über die Hamas notwendig, sagt Netanyahu weiter. Bei den befreiten Geiseln habe es sich um den 60-jährigen Fernando Simon Marman und den 70-jährigen Louis Har gehandelt, teilte die Polizei mit. Die Operation sei von der der israelischen Armee, dem Geheimdienst Shin Bet und der israelischen Polizei gemeinsam durchgeführt worden. Es war die erste Befreiung von zivilen Geiseln aus Gaza seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Ende Oktober hatten israelische Spezialkräfte bereits eine Soldatin befreien können. Zudem waren im November im Rahmen eines Austausches gegen palästinensische Haftgefangene mehr als 100 Geiseln freigekommen.
Beim Überfall der von der EU und der USA als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel am 7. Oktober waren israelischen Angaben zufolge rund 1.160 Menschen brutal getötet und 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Vor der Befreiung der beiden Geiseln am Montag schätzte Israel, dass noch 132 Geiseln in Gaza festgehalten wurden, 29 sollen demnach tot sein.
Wagemutige Rettungsaktion
Der argentinische Präsident Javier Milei schrieb auf X (vormals Twitter), die Befreiten seien israelisch-argentinische Doppelstaatsbürger. Der israelische Präsident Yitzhak (Isaac) Herzog reagierte auf X mit den Worten: "Alle Achtung denen, die daran beteiligt waren, Fernando und Luis in einer wagemutigen Rettungsaktion heimzubringen. Wir werden weiter alles daransetzen, alle Geiseln nach Hause zu bringen." Auch der israelische Außenminister Israel Katz dankte den Spezialkräften und sagte, man werde weiterhin alles tun, "um alle Geiseln aus der Gewalt der mörderischen Terrororganisation zu befreien".
Bei der Befreiung seien "drei Terroristen in dem Gebäude, in dem sie festgehalten wurden", getötet worden, hieß es vonseiten der Armee. Die beiden Geiseln waren am 7. Oktober aus dem Kibbuz Nir Yitzhak entführt worden. Nach ihrer Freilassung wurden sie in ein Krankenhaus in Ramat Gan gebracht. Der Schwiegersohn eines der Befreiten sagte israelischen Medien, trotz der mehr als viermonatigen Geiselhaft sei der 70-Jährige in vergleichsweise guten Zustand, er sehe nur etwas dünn und blass aus.
Dutzende Tote in Rafah
Nur eine Minute nach der Erstürmung des Gebäudes hatte Israels Luftwaffe nach Darstellung von Armeesprecher Daniel Hagari mit Angriffen im Raum Rafah begonnen, um den Rückzug der Einsatzkräfte zu ermöglichen. Bei den nächtlichen Angriffen des israelischen Militärs wurden nach palästinensischen Angaben zufolge Dutzende Menschen getötet, darunter Kinder und Frauen. Die Angaben beider Seiten konnten zunächst unabhängig nicht überprüft werden.
Die Angriffe in Rafah trafen 14 Häuser und drei Moscheen in verschiedenen Teilen der Stadt, erklärte das Gesundheitsministerium der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas am Montag. Das israelische Militär hatte kurz zuvor bekannt gegeben, dass "eine Serie von Angriffen auf Terrorziele in der Gegend von Shaboura im südlichen Gazastreifen" durchgeführt worden sei. Shaboura liegt bei der Stadt Rafah, wo Hunderttausende palästinensische Binnenflüchtlinge Schutz gesucht haben.
UNO-Menschenrechtshochkommissar Volker Türk zeigt sich angesichts der israelischen Angriffe auf Rafah sehr besorgt und wirft Israel nach dem Hamas-Terror vom 7. Oktober "kollektive Bestrafung der Palästinenser" vor. "Diese kollektive Bestrafung der Palästinenser, vor allem auch die Abkoppelung von humanitärer Hilfe, ist eine Verletzung des humanitären Völkerrechts", sagte der Österreicher dem Ö1-Morgenjournal. Er habe "schwerwiegende Bedenken", dass Israels Vorgehen verhältnismäßig sei.
"Schreckliche" Lage im Süden
Die Lage in Rafah im Süden des Gazastreifens bezeichnete Türk, der am Montag an einem Treffen der EU-Entwicklungsminister in Brüssel teilnimmt, als "schrecklich. Mir fallen eigentlich keine Worte mehr ein, wie man die Situation zur Zeit beschreiben kann". Rafah habe vor dem Krieg eine Einwohnerzahl von ca. 300.000 Menschen gehabt. Mittlerweile seien es 1,4 Millionen - ohne zureichende Ernährung und humanitäre Unterstützung.
"Wir müssen weiter Druck auf Israel ausüben", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag vor einem Treffen der EU-Entwicklungsminister in Brüssel. Angesichts der sich anbahnenden Militäraktion Israels im Süden des Gazastreifens müsse mehr getan werden, als "nur unsere Sorge auszudrücken", so Borrell. Indirekt forderte der EU-Chefdiplomat einen Stopp von US-Waffenlieferungen an Israel, ohne die USA dabei klar zu benennen.
Internationale Kritik an Bodenoffensive
Israel plant eine Militäroffensive auf Rafah auch am Boden. Das sorgt international für deutliche Kritik, darunter auch aus Österreich. Nach Angaben von Augenzeugen hat das israelische Militär bereits mehrfach Ziele in der Stadt aus der Luft angegriffen. Israelische Bodentruppen waren dort bisher aber nicht im Einsatz. Israels Regierungschef Netanyahu hatte der Armee des Landes am Freitag den Befehl erteilt, eine Offensive auf Rafah vorzubereiten. Die Armee soll deshalb die Evakuierung der Zivilisten in Rafah vorbereiten.
Rafah gilt als letzter Zufluchtsort für palästinensische Zivilisten angesichts der israelischen Militäroperation gegen die Terrororganisation Hamas. In dem Ort, der vor dem Krieg rund 300.000 Einwohnerinnen und Einwohner hatte, sollen sich inzwischen weit mehr als eine Million Palästinenserinnen und Palästinenser aufhalten. Kritiker werfen Israel vor, eine ethnische Säuberung des Gazastreifens im Sinn zu haben. Die Hamas hatte am Sonntag gewarnt, eine israelische Offensive "torpediere" jede Vereinbarung über eine Freilassung der Geiseln, die sie im Gazastreifen noch festhält.
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