Hisbollah-Kommandant bei israelischem Angriff in Beirut getötet
BEIRUT. Das israelische Militär hat bei einem Angriff in Libanons Hauptstadt Beirut einen hochrangigen Kommandanten der Hisbollah "eliminiert".
Die Hisbollah bestätigte den gewaltsamen Tod von Ibrahim Aqil und bezeichnete ihn als einen ihrer wichtigsten Anführer. Aqil sei tot, sagte Israels Armeesprecher Daniel Hagari am Freitag. Demnach wurden bei der Attacke noch 10 weitere Mitglieder der Hisbollah-Elitetruppe Radwan getötet. Insgesamt gab es laut libanesischen Quellen 12 Tote.
Aqil war als Gründungsmitglied der schiitischen Organisation besonders im militärischen Flügel aktiv. Medienberichten zufolge war er Militärkommandant der Hisbollah. Er war damit Nachfolger des am 30. Juli ebenfalls von Israel getöteten Fuad Shukr. Er wurde von den USA mit einem Kopfgeld von sieben Millionen Dollar gesucht. Die USA machen Aqil unter anderem für den tödlichen Bombenanschlag auf die US-Botschaft in Beirut und für die Geiselnahme von Deutschen und US-Bürgern im Libanon in den 1980er-Jahren verantwortlich.
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Die Mitglieder der radikalislamischen Hisbollah hätten gerade eine Sitzung abgehalten, als der Angriff erfolgte, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person. 59 weitere Personen seien verletzt worden, teilte das libanesische Gesundheitsministerium mit.
Bereits Anfang der 1990er-Jahre hatte Israel versucht, Aqil auszuschalten. Aqil wurde Informationen aus Beirut zufolge erst am Freitag aus dem Krankenhaus entlassen, nachdem er bei der Attacke auf technische Geräte der Hisbollah verletzt worden war. Auch dieser Angriff wird Israel zugeschrieben.
Nach offiziellen libanesischen Angaben kamen bei dem Angriff in dem dicht besiedelten Vorort der Hauptstadt mindestens zwölf Menschen ums Leben. Zumindest 66 weitere wurden verletzt. Auf Videos in sozialen Medien waren verheerende Szenen in dem südlichen Vorort Beiruts zu sehen, mit beschädigten Häuserfassaden und zerstörten Autos. Das Gebiet gilt als Hochburg der Hisbollah.
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Angriff "ähnelt Völkermord"
Israels Verteidigungsminister Joav Galant kündigte nach dem Angriff auf die Hisbollah-Mitglieder in Beirut an, Israel werde sich weiter gegen seine Feinde verteidigen - auch in dem südlichen Vorort von Beirut. "Die Reihe von Einsätzen in der neuen Phase des Krieges wird fortgesetzt, bis wir unser Ziel erreicht haben: die sichere Rückkehr der nördlichen Gemeinden Israels in ihre Häuser", sagte er nach Angaben seines Büros. Die israelische Armee erklärte nach dem Angriff, keine "breite Eskalation in der Region" anzustreben. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu teilte unterdessen mit: "Unsere Ziele sind klar und unsere Taten sprechen für sich."
Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Najib Mikati verurteilte den Angriff scharf. Israel lege "keinen Wert auf humanitäre, rechtliche oder moralische Werte", sagte er. Stattdessen schreite die israelische Regierung mit etwas voran, "was einem Völkermord ähnelt". Mikati rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, einen klaren Standpunkt gegen die "schrecklichen Massakers" Israels zu zeigen.
Der libanesische Außenminister Abdullah Bou Habib sieht die Gefahr eines großen Krieges. Er sagte, bevor es zu spät sei, "müssen Sie verstehen, dass diese Explosion weder den Osten noch den Westen verschonen und uns ins dunkle Zeitalter zurückwerfen wird."
Israel schloss weitere Angriffe auf die Hisbollah nicht aus. "Wir werden nicht zulassen, dass die Hisbollah ihre Provokationen fortsetzt. Die Aktionen verstoßen gegen das Völkerrecht und Israel wird sich verteidigen", sagte der israelische UN-Botschafter Danny Danon vor dem UN-Gremium. Die Hisbollah habe seit dem Terrorangriff der Hamas vor gut einem Jahr mehr als 8.000 Raketen auf Israel abgefeuert, dabei seien Dutzende Menschen getötet und Zehntausende vertrieben worden. Dem libanesischen Außenminister warf Danon vor, vor dem Sicherheitsrat den Namen der Hisbollah nicht einmal genannt zu haben.
Hisbollah griff sieben weitere Ziele in Israel an
Der Iran warf Israel einen "brutalen und niederträchtigen Luftangriff" vor. Dieser stelle eine "klare Verletzung des Völkerrechts sowie eine Verletzung der Souveränität, der territorialen Integrität und der nationalen Sicherheit des Libanon dar", erklärte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanani, am Freitag. Es bestehe "kein Zweifel daran, dass das zionistische Regime versucht, die Spannungen zu verschärfen und die Geografie des Krieges und der Konflikte in der Region zu erweitern", erklärte Kanani weiter.
Die Hisbollah griff indes eigenen Angaben zufolge sieben israelische Ziele an. Laut israelischem öffentlichem Rundfunk wurden etwa 150 Raketen aus dem Südlibanon auf Israel abgeschossen. Die UN-Blauhelmtruppe im Süden des Libanon forderte eine "sofortige Deeskalation" im Konflikt zwischen Israel und der radikal-islamischen Hisbollah-Miliz. Es sei eine massive Zunahme der Feindseligkeiten über die Grenze hinweg zu beobachten, sagte UNIFIL-Sprecher Andrea Tenenti.
Die UNIFIL-Truppe soll den Frieden zwischen Israel und dem Libanon wahren. Österreich nimmt derzeit nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium vom Freitag mit rund 160 Soldaten an der UNO-Mission teil. Das Hauptquartier der Friedenstruppe befindet sich im Camp Naqoura im Südwesten des Landes. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte sich am Donnerstag "zutiefst besorgt" über die jüngsten Entwicklungen im Libanon gezeigt. "Die Folgen einer weiteren Eskalation wären verheerend für die gesamte Region", unterstrich der Minister am Abend auf X. "Die Sicherheit der UNIFIL-Friedenstruppe muss zu jeder Zeit garantiert sein!"
Seit Ausbruch des Kriegs im Gazastreifen zwischen Israel und der palästinensischen Hamas vor knapp einem Jahr hat sich jedoch auch die Lage in dem Grenzgebiet erheblich verschlechtert. Nahezu täglich kommt es zu gegenseitigem Beschuss zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz. In den vergangenen Tagen spitzte sich der Konflikt zu. Zunächst explodierten an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Tausende Funkempfänger und Walkie-Talkies im Libanon, anschließend flog Israel mehrere Luftangriffe, so auch am späten Donnerstagabend. Laut libanesischen Sicherheitskreisen waren dies die heftigsten Luftangriffe seit Beginn des Gaza-Kriegs.
"Glauben an diplomatische Lösung"
Netanyahu verschob unterdessen seine für kommende Woche geplante USA-Reise wegen der angespannten Lage an der Grenze zum Libanon um einen Tag. Der Regierungschef werde nun am Mittwoch statt am Dienstag abreisen, hieß es am Freitag von einem Mitarbeiter in seinem Büro. Netanyahu soll während seines Aufenthalts eine Rede bei der alljährlichen UN-Generaldebatte in New York halten. Am Samstag kommender Woche will er nach Israel zurückreisen.
Die US-Regierung hält es trotz der jüngsten Angriffe zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz für möglich, einen Krieg zwischen beiden Seiten abzuwenden. "Wir glauben immer noch, dass es Zeit und Raum für eine diplomatische Lösung gibt, und wir halten dies für den besten Weg", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Ein Krieg an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon sei "nicht unvermeidlich, und wir werden weiterhin alles tun, was wir können, um ihn zu verhindern".
Kirby ging nicht näher auf den jüngsten israelischen Angriff in Libanons Hauptstadt Beirut ein. Dieser sei gerade erst geschehen, und das israelische Militär müsse selbst über seine Einsätze sprechen. Auf Nachfrage sagte er, ihm sei nicht bekannt, dass die US-Regierung im Voraus darüber informiert gewesen sei.
"Riskieren hier einen Flächenbrand"
Die Leiterin der Abteilung für politische Angelegenheiten der Vereinten Nationen, Rosemary DiCarlo, forderte alle Länder mit Verbindungen zu Israel und der Hisbollah auf, ihren Einfluss für eine Deeskalation geltend zu machen. "Wir riskieren hier einen Flächenbrand, der selbst die bisherigen Verwüstungen und Leiden in den Schatten stellen könnte", sagte DiCarlo.
Ungeachtet der Eskalation im Konflikt mit der libanesischen Hisbollah-Miliz trieb Israel auch seine Offensive gegen die palästinensische Hamas im Gazastreifen voran. Aus mehreren Teilen des Küstengebiets wurden israelische Luft- und Panzer-Angriffe gemeldet. Dabei kamen nach Angaben palästinensischer Behördenvertreter mindestens 14 Menschen ums Leben. US-Präsident Joe Biden hält nach eigenen Angaben eine Feuerpause im Gazastreifen aber nach wie vor für realistisch. "Wir dürfen nicht lockerlassen", sagt Biden vor Journalisten. Auch dass die Bewohner von Nordisrael und dem Südlibanon in Sicherheit in ihre Ortschaften zurückkehren können, müsse gewährleistet werden.
Dieser Artikel wurde am 21. September um 6.56 Uhr aktualisiert.