U-Boot-Streit: EU stellt sich hinter Paris - US-Gespräche verschoben
NEW YORK/PARIS/CANBERRA. Im Streit um den geplatzten Verkauf französischer U-Boote an Australien hat die EU Frankreich Unterstützung zugesagt.
Die Außenminister der EU-Staaten hätten bei einem Treffen am Rande der UNO-Generalversammlung in New York darüber diskutiert und die Situation als "sehr enttäuschend" betrachtet, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in der Nacht auf Dienstag in New York. Unterdessen wurden Vorbereitung für ein Handels- und Technologiegespräch mit den USA verschoben.
Man habe verabredete Diskussionen über das Treffen am 29. September in Pittsburgh zunächst ausgesetzt, sagten zwei EU-Diplomaten am Dienstag in Brüssel. Frankreichs Europa-Staatssekretär Clément Beaune schloss auch einen Abbruch der laufenden Verhandlungen zwischen der EU und Australien über ein Freihandelsabkommen nicht aus. Darüber müsse gemeinsam diskutiert werden. Man könne nicht weitermachen, als sei nichts passiert. Alle Optionen müssten erwogen werden. Ein Sprecher der EU-Kommission, die die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen auf Grundlage eines Mandats der EU-Staaten führt, hatte bereits am Montag gesagt, man analysiere die Auswirkungen des U-Boot-Deals.
Am Donnerstag hatten Australien, Großbritannien und die USA einen Indopazifik-Sicherheitspakt (AUKUS) bekanntgegeben - kurz nach der Verabschiedung neuer Indopazifik-Leitlinien der EU. Der Pakt sieht unter anderem vor, dass Australien mit Technologie der beiden Partner nuklear betriebene U-Boote baut. Damit wurde die 2016 mit dem französischen Reedereikonzern Naval vereinbarte Lieferung von konventionellen U-Booten im Volumen von 40 Milliarden Dollar hinfällig.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte den neuen U-Boot-Deal als "nicht akzeptabel" bezeichnet. Von der Leyen betonte in einem Interview mit dem Sender CNN: "Einer unserer Mitgliedstaaten wurde auf eine Weise behandelt, die nicht akzeptabel ist. Also wollen wir wissen, was passiert ist und warum."
Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zeigte Verständnis für Frankreich. "Ich kann gut nachvollziehen, dass die Franzosen hier entsprechend verärgert sind", sagte Edtstadler vor einem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen am Dienstag in Brüssel. Wenn Europa zusammenstehe, "kann es auch stark in der Welt auftreten", fügte sie hinzu. Verteidigung sei sicher ein Thema, dass Europa "mehr und mehr beschäftigen wird müssen", betonte Edtstadler. Eine europäische Armee sei jetzt nicht das Thema, aber "wir brauchen insgesamt die Diskussion über Sicherheit", so die Ministerin mit Blick auf die Konferenz zur Zukunft Europas.
"Die Minister haben ihre deutliche Solidarität mit Frankreich ausgedrückt", betonte Borrell in New York. Das Thema gehe nicht nur Frankreich, sondern die gesamte EU an. Borrell sagte, er habe bei einem Treffen mit der australischen Außenministerin Marise Payne sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass die EU aus der Allianz ausgeschlossen worden sei. Frankreichs Europa-Staatssekretär Beaune zeigte sich am Dienstag in Brüssel erfreut über die Unterstützung der EU.
Der deutsche Außenminister Heiko Maas kritisierte die neue Sicherheitsallianz deutlich. "Was dort entschieden worden ist und die Art und Weise, wie diese Entscheidung zustande gekommen ist, ist irritierend. Und es ist ernüchternd nicht nur für Frankreich", sagte Mass zum Auftakt der UNO-Generaldebatte. Maas, sagte zwar, dass er keine neuen "Verhärtungen" im Verhältnis zu den USA sehe. Man werde sich nun in Europa darüber Gedanken machen müssen, wie man zu mehr Souveränität kommen könne. "Das wird letztlich an uns in Europa liegen, ob wir das hinbekommen oder eben nicht."
Auch bei einem Treffen von EU-Ratschef Charles Michel und dem australischen Regierungschef Morrison am Dienstag in New York war die neue Sicherheitsallianz Thema. Es habe einen "ehrlichen, direkten und lebhaften Austausch" gegeben, teilte Michel mit. Es brauche Klarheit unter Freunden.
Die derzeitige slowenische EU-Ratspräsidentschaft nahm unterdessen die Vorbereitung auf das von der EU geplante Spitzengespräche mit der US-Regierung zur Handels- und Technologiepolitik von der Tagesordnung für eine Sitzung der EU-Botschafter am Mittwoch in Brüssel, wie aus der vorläufigen Agenda hervorging. Eigentlich wollten hochrangige Vertreter der EU-Kommission und der US-Regierung nächste Woche Mittwoch beim ersten europäisch-amerikanischen Handels- und Technologierat in Pittsburgh das gemeinsame Vorgehen in wichtigen globalen Handels-, Wirtschafts- und Technologiefragen abstimmen. Für die EU-Kommission, die die EU-Staaten bei dem Treffen vertreten würde, sollten die Vize-Präsidenten Margrethe Vestager und Valdis Dombrovskis teilnehmen. Für die US-Regierung wurden Außenminister Antony Blinken, Handelsministerin Gina Raimondo und die Handelsbeauftragte Katherine Tai angekündigt.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte zuvor die Botschafter aus den USA und Australien vorübergehend abgezogen - eine äußerst ungewöhnliche Maßnahme unter Freunden und Verbündeten. Am Dienstag betonten Macron und Indiens Premierminister Narendra Modi bei Telefonberatungen den Willen zu einem gemeinsamen Vorgehen im Indopazifik. Das Ziel sei, die regionale Stabilität und Rechtsstaatlichkeit zu fördern und gleichzeitig jede Form von Vormachtstellung zu vermeiden, teilte der Elyséepalast mit.
Biden will in den kommenden Tagen mit Macron telefonieren, um die Wogen zu glätten. Ein Termin steht noch nicht fest. Der US-Präsident sprach am Dienstag zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt vor der UN-Vollversammlung und bekannte sich dort ausdrücklich zum Multilateralismus. Auf den Indopazifik-Streit ging Biden in der Ansprache nicht konkret ein, er beteuerte aber auch mit Blick auf diese Region den Willen zu internationaler Kooperation mit Partnern und Institutionen wie den Vereinten Nationen.
Im Anschluss kam Biden mit Morrison am Rande der UN-Generaldebatte in New York zu einem bilateralen Treffen zusammen. Beide betonten dabei das enge Bündnis ihrer Länder und die Bedeutung ihrer neuen Sicherheitsallianz mit Großbritannien. Sie bemühten sich aber um eine Beschwichtigung der Kritiker. Morrison sagte, ihre Partnerschaft betreffe auch so viele andere gleichgesinnte Verbündete in Asien und Europa, mit denen man gemeinsame Interessen habe. Biden sagte, ihr Bündnis sei auf einer Linie mit allen andere Demokratien der Welt.
Am Dienstagnachmittag (Ortszeit) wollte Biden in Washington den britischen Premier Johnson zu einem bilateralen Gespräch empfangen. Für Freitag wiederum hat der US-Präsident wichtige Verbündete aus der Indopazifik-Region - seine Kollegen aus Australien, Japan und Indien - zu einem Gipfeltreffen ins Weiße Haus eingeladen.
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