Russlands Hauptproblem ist seine Uneinsichtigkeit
Die ohnehin zahnlose Dopingsperre sieht man als Angriff des Westens, Betrüger stehen unter "Artenschutz".
Wo er denn das erste Mal mit dem Thema Doping in Berührung gekommen sei, wird Walter Mayer im Buch des verurteilten Dopinghändlers Stefan Matschiner gefragt. Der Begründer des "österreichischen Langlauf-Wunders" um die Jahrtausendwende nennt dann den Namen Juri Tscharkowski. Jenen Tscharkowski, der bis heute in Russlands Team eine leitende Funktion innehat. Und damit eines von unzähligen Beispielen dafür ist, wie die Nation im Umgang mit offenkundigen Sündern verfährt.
Tscharkowskis gibt es in Russlands Sport in allen Sparten. Und sie sind hauptschuldig daran, dass das Land international am Pranger steht. Wegen erneuter schwerwiegender Verfehlungen gegen das Dopinggesetz – so waren unter anderem die Labordaten von hunderten Sportlern wissentlich manipuliert worden – erhielt Russland am Montag von der Welt-Antidopingagentur WADA eine Sperre von vier Jahren für sportliche Großereignisse. Russland darf nach dem WADA-Beschluss als Nation unter anderem nicht an den beiden kommenden Olympischen Spielen in Tokio 2020 und Peking 2022 sowie der Fußball-WM in Katar 2022 teilnehmen. Die Sanktionen umfassen einen ganzen Strafenkatalog, russische Sportler dürfen aber an sportlichen Großereignissen unter bestimmten Voraussetzungen als "neutrale Athleten" teilnehmen. Kritiker bezeichnen die Strafe deswegen als zahnlos und zu wenig hart.
Und so fährt Russland weiter auf Verteidigungskurs. Premierminister Dimitri Medwedew nennt die nunmehrige Suspendierung eine "Fortsetzung der bereits chronisch gewordenen antirussischen Hysterie". Die Fehler im eigenen Land zu suchen hält er wie auch sein Präsident Wladimir Putin und der Großteil der Medien für nicht angebracht. Bemerkenswert ist umso mehr, dass sich Juri Ganus, neuer Leiter der russischen Anti-Doping-Agentur, in den vergangenen Monaten als Kritiker von Staatsdoping, Politikern und Funktionären offen positioniert hat. Nach dem WADA-Beschluss forderte er Putin auf, die Sache ernst zu nehmen und entschlossen zu handeln. "Insgesamt ist es so, dass einiges faul ist – und an vielen Stellen bei uns Sportfunktionäre ausgewechselt werden müssen."
Mit Aussagen wie diesen dürfte Ganus die längste Zeit im Amt gewesen sein. Ein Kulturwandel ist in Russland nicht zu erkennen. Ganz im Gegenteil: Es scheint, als fühle man sich in der Rolle des Opfers weiterhin am wohlsten.
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