"Hohe Manager-Gagen sind nicht gut zu erklären "
LINZ. Uni-Professor Friedrich Schneider spricht im OÖN-Interview über die Gerechtigkeit bei Einkommen und Steuern in Österreich und das Tabuthema Gehalt.
Herr Professor Schneider, reden wir übers Geld: Wie viel verdient ein Universitätsprofessor in Österreich?
Schneider: Wenn er anfängt, verdient er zwischen 70.000 und 80.000 Euro pro Jahr. Ist er zehn bis zwölf Jahre da und hat ein bis zwei Rufe, dann kommt er auf rund 100.00 Euro. Mit 60 Jahren und mehreren Rufen kommt er auf etwa 120.000 Euro.
Es ist selten, dass Gehälter so offengelegt werden. Das Einkommen ist in Österreich eines der großen Tabuthemen.
Ich bedauere das sehr. Als ich in Amerika gearbeitet habe, hing an der Pinnwand, was ich verdient habe. Und wenn ich gut in der Forschung war, hingen meine Gehaltssteigerungen dort. In Amerika ist das ganz transparent. Von Nachbarn wird man nach zehn Minuten gefragt: "How much do you make?" Und es gibt weniger Sozialneid als bei uns.
Wie erklären Sie sich, dass bei uns so ein Geheimnis daraus gemacht wird?
Jeder hat wohl Angst, wenn man sein Gehalt preisgibt, könnte es immer einen geben, der mehr verdient, und man selbst steht schlecht da. Wenn man gut verdient, zeigen es manche am Auto, an der Wohnung oder an der Kleidung, das sind die Symbole.
Es wird immer wieder diskutiert, in Firmen - so wie im öffentlichen Dienst – Gehaltsstrukturen offenzulegen. Was wäre der Vorteil?
Jeder Mitarbeiter könnte vergleichen und wenn er meint, er verdient zu wenig, könnte er entsprechend handeln. Für Firmen kann es durchaus eine Strategie sein, zu verschleiern, weil man die eine oder andere Gehaltssteigerung vermeidet.
Auch unter Berücksichtigung der Teilzeit verdienen Frauen weniger als Männer. Warum?
Wenn es wirklich die exakte gleiche Tätigkeit ist, kenne ich aus der Privatwirtschaft keinen Fall, bei dem Frauen weniger verdienen als Männer. Der große Nachteil für Frauen in Österreich ist, dass sie aufgrund der Kinder eine Karrierelücke haben, die sich bis zur Matura des Kindes nicht schließt. Hat sie kein „Hotel Oma“, kann sie auch keine Dienstreise machen. Damit fehlt sie auch beim Netzwerken und kommt nie in den inneren Kreis. Das behindert letztlich ihre Karriere.
Früher ließ sich mit einem Erwerbseinkommen ein Haushalt bestreiten. Das geht seltener.
Einmal, weil es sehr viele Teilzeitjobs gibt. Zum anderen, weil mit schlecht bezahlten Jobs etwa an der Supermarktkasse die heutigen Ansprüche kaum zu finanzieren sind. Unser öffentlicher Nahverkehr im Großraum Linz ist so schlecht, dass ich ein Auto haben muss, wenn ich bis um acht Uhr abends arbeite. Das erhöht den Fixkostenblock und macht es schwierig, von einem Monatseinkommen von 800 bis 1200 Euro erträglich leben zu können. Die unteren Einkommensgruppen müssten von Sozialversicherungsbeiträgen entlastet werden, oder man erleichtert ihnen den Zuverdienst außerhalb der Schwarzarbeit.
Geht die Schere zwischen gut und schlecht Verdienenden tatsächlich auseinander?
Über die vergangenen zwanzig Jahre sind alle Einkommensgruppen gewachsen, aber sehr ungleich. Die, die sehr gut verdienen, bekommen viel schneller mehr. Sie haben durch Boni höhere Gehaltssteigerungen als die unteren und mittleren Einkommensschichten. Das ist ein wesentlicher Grund, warum die Schere auseinandergeht. Die unteren und mittleren Einkommen bleiben – abzüglich der Inflationsrate – stehen oder gehen in manchen Jahren sogar leicht zurück. Dazu kommt, dass gut verdienende Leute mehr Möglichkeiten haben, sich etwas dazu zuverdienen. Wer den ganzen Tag an der Kasse eines Supermarkts sitzt, der ist so k.o., dass er nichts mehr machen kann.
Ist das ein österreichisches Phänomen?
Nein, die Einkommensschere geht in Deutschland genauso auseinander. Bei uns wird das Auseinanderklaffen sogar dadurch abgefedert, dass bei den Lohnabschlussverhandlungen die Anstiege gestaffelt werden. Hierzulande wird für die unteren Einkommensschichten, auch durch Transfers mehr getan, als in anderen europäischen Ländern.
Stichwort Spitzengehälter: Ist es moralisch und wirtschaftlich vertretbar, dass bezahlt wird, was der Markt hergibt?
Das ist eine berechtigte moralische Frage. Man kann nicht gut erklären, dass ein Manager das Fünfzig- oder Hundertfache seines Angestellten verdient. Geht man rein marktwirtschaftlich vor, werden für Topmanager diese Gehälter bezahlt. Was mich persönlich stört, ist die Asymmetrie: Das heißt, dass es für Fehlverhalten – man schaue nur auf die Deutsche Bank oder VW – keine Abschläge gibt. Es gibt Fälle, bei denen gehören die Pensions- und Vorstandsgehälter mancher Leute halbiert. Das wäre wichtig für die Einkommensgerechtigkeit.
Wie gerecht ist die Besteuerung von Einkommen in Österreich?
Es gibt eine große Zahl, die keine Steuern zahlen. Dann gibt es rasch einen progressiven Anstieg für die mittleren Einkommen. Schon ab 60.000 Euro Jahreseinkommen habe ich den Spitzensteuersatz. Dieser Anstieg ist viel zu steil und ungerecht. Die Grenze müsste auf 120.000 bis 150.000 Euro angehoben werden. Wir haben erheblichen Korrekturbedarf, weil unser Steuersystem extrem leistungsfeindlich ist.
Der hohe Anteil an Schwarzarbeit zeigt, dass die Österreicher leistungsbereit sind.
Die Österreicher sind sogar sehr leistungsbereit. Der gut bezahlte Fliesenleger pfuscht für 400 bis 500 Euro im Monat und hat im Schnitt eine 50 Stundenwoche. Die Herausforderung ist, diese Leistungsbereitschaft vom Pfusch in offizielle Wirtschaft umzuwandeln. Die deutsche Mini-Job-Regelung könnten wird schon längst haben, bei der jeder 400 Euro im Monat dazu verdienen darf mit einem Abschlag von nur zehn Prozent.
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