Ihr Kinderlein singet – und tanzet
Die Adventzeit ist für große und kleine Kinder nicht zuletzt deshalb aufregend, weil viele bei Krippenspielen und Weihnachtsaufführungen mitwirken. Wir haben die Schülerinnen und Schüler der Musical Theatre Academy (MTA) Puchenau bei einer ihrer Proben für die OÖN-Christkindl-Gala besucht.
Es rumpelt und poltert, plötzlich liegt er da. "Den kenn ich doch", murmelt Mirabell verschlafen, schiebt ihre Weihnachtsschlafmaske zur Seite und reibt sich die Augen: rote Zipfelmütze, weißer Rauschebart, eine Kugel von Bauch. "Das ist doch der Weihnachtsmann?", sagt sie und steht fragend vor der Gestalt, die da durch ihren Kamin gepurzelt ist. Zumindest schaut er aus wie Santa, aber der wiederum scheint weder zu wissen, wo er ist, noch wer er ist. Ein Weihnachtsmann mit Gedächtnisverlust – eine schöne Bescherung und das so kurz vor Weihnachten. Eine Lösung muss her. Und Mirabell tut, was Mädchen in ihrem Alter nun. Sie greift zum Handy und ruft ihre Freundinnen an, Santa muss geholfen werden. Aber wie? Zunächst wird er in Kleider von Mirabells Vater gesteckt, Weihnachtspulli und Jogginghose werden übergestreift. Freundin Trixi hat die zündende Idee: "Wir gehen mit ihm zum Weihnachtsmarkt. Die Weihnachtslieder helfen ihm sicher, sich zu erinnern." You better watch out, you better not cry (…), Santa Claus is coming to town …, ertönt die Musik im Puchenauer Buchensaal, zu der gesungen wird, während draußen die ersten Schneeflocken vom bereits dunklen Himmel tanzen. Im Saal stehen die Zeichen ebenfalls auf Weihnachten. Rot-weiße Ringelsocken, Zipfelmützen, Rentierhaarreifen und bimmelnde Grinch-Schuhe beherrschen das Bild bei der Probe zum Weihnachtsmusical der Schülerinnen und Schüler der "Musical Theatre Academy" (MTA) des Landes Oberösterreichs.
Heute wird der gesamte Durchlauf geprobt, auch wenn nicht alle da sind. "Es fehlen die ganz Großen", sagt Susanne Kerbl. Seit 13 Jahren leitet die ausgebildete Pädagogin, die am Brucknerkonservatorium Gesang studiert hat, die MTA.
Ein Talent braucht Ausbildung
Das Credo der Akademie: "Ein Talent braucht Ausbildung", und diese beginnt früh, mit etwa acht Jahren, und ist stufenweise aufgebaut. In spielerischer Form werden die Kleinen einmal wöchentlich für eineinhalb Stunden an die Welt des Musicals herangeführt. In der Unterstufe geht es ans Erlernen der technischen Grundlagen in Gesang, Tanz und Schauspiel. "Besonders wichtig ist die Kombination von Gesang und Tanz, denn das ist, was Musical ausmacht", sagt Kerbl. Wer die sogenannte Basic-Ausbildung abgeschlossen hat, kann ins nächsthöhere Level aufsteigen. Unterrichtet wird von Fachpädagogen und aktiven Künstlern. Zusätzlich gibt es einmal monatlich sogenannte Company Days, wo die verschiedenen Ausbildungsstufen gemeinsam an einem Jahresprojekt arbeiten, das dann zur Aufführung kommt.
Einen weiteren Höhepunkt bildet das alljährliche Musical im Oktober. Aber weil das in diesem Jahr nur den älteren Schülerinnen und Schülern sowie Gastkünstlern vorbehalten war, hat Susanne Kerbl "für die Kleinen", wie sie sagt, kurzerhand ein Weihnachtsmusical geschrieben, hat 15 Weihnachtslieder, "die man nicht so oft hört", in eine Handlung eingebettet, in der "Santa verzweifelt gesucht" wird.
Mirabell und ihre Freundinnen auf der Probenbühne sind mittlerweile ebenfalls am Verzweifeln. Weder der als Weihnachtsmann verkleidete Benny noch der Anblick von Schnee haben seine Erinnerung zurückgebracht. "Winter Wonderland" heißt das dazu ausgewählte Musikstück, das teilweise vom Band kommt, eingesungen von den Schülern selbst – "zu Übungszwecken, damit sie lernen, mit einem Mikrofon umzugehen, die Scheu verlieren und hören, wie sie klingen", so Kerbl. Gottfried Angerer macht diese Recording-Sessions und die Musicalarrangements. Gerade sitzt er hinter dem Laptop, spielt die Musiknummern ein. Irene Kaltenböck, Susanne Kerbls rechte Hand, hilft beim Kostümieren, achtet darauf, dass niemand seinen Einsatz verpasst. An den Auftrittstagen sei das ganze MTA-Team eingespannt, sagt Kerbl. Alle sind sie Profis, haben Gesang studiert, sind ausgebildete Musiker und/oder Tänzer.
Mia muss noch warten, sitzt auf dem Boden und schaut den größeren Schülerinnen gespannt zu. Die Neunjährige aus Ottensheim ist eine der Jüngsten hier. Nicht Tanz oder Gesang ist ihr Lieblingsfach, sondern das Schauspiel, verrät sie etwas verhalten. "Mia, fertig machen", heißt es plötzlich. Mia ist ein Wichtel.
Szenenwechsel zum Nordpol. Von dort schaut Mrs Santa durch einen Gucker in die Menschenwelt. Sie weint, schnäuzt sich in ein Riesentaschentuch. "Wo ist Santa bloß? Weihnachten steht doch vor der Tür. Die Päckchen sind schon alle fertig", schluchzt sie verzweifelt.
Eine Lang- und eine Kurzversion
Während die Elfendamen steppen und "Santa Baby" besingen, reicht es Mrs Santa. "Bringt mir das Telefon. Ich rufe das Christkind an. Es muss helfen", sagt sie resolut und ruft ihre Wichtel herbei. Mia steht bereit und zu dritt bringen sie in kleinen Trippelschritten Mrs Santa den Telefonapparat.
Eine Stunde dauert die verzweifelte Suche nach Santa, bei der auch noch Feenstaub und Hypnose zum Einsatz kommen. Die beiden Vorstellungen heute und morgen im Stadttheater Bad Hall waren sofort ausverkauft. "Wir haben deshalb am Sonntag um 11 Uhr noch eine Zusatzvorstellung eingeschoben", sagt Susanne Kerbl.
Doch die Schülerinnen und Schüler der MTA und ihre verzweifelte Suche nach Santa sind auch bei der OÖN-Christkindl-Gala zu sehen und hören – komprimiert auf neun Minuten. So oder so. Die Freude auf die bevorstehenden Auftritte ist groß. Nervosität? "Nein, die Kinder sind das gewöhnt", winkt die MTA-Leiterin ab: "Die meisten sind richtige Rampenkinder, sobald sie auf der Bühne stehen, sprühen sie vor Begeisterung und Engagement, auch die Kleinen schon. Ich glaube, dass vielen gar nicht bewusst ist, wie viele Menschen da zuschauen."
OÖN Christkindl-Gala
- Am 14. Dezember (19.30 Uhr) steigt sie wieder: die Gala zugunsten der OÖN-Aktion „Christkindl“ im Schauspielhaus des Linzer Landestheaters. Seit Jahren sind auch die Schülerinnen und Schüler der Musical Theatre Academy Teil der Gala und begeistern die Zuschauer mit ihrem Auftritt.
- Das Programm: Eric Papilaya singt und moderiert, Chris Pichler liest Weihnachtsgeschichten, das Tanzensemble des Landestheaters zeigt einen Ausschnitt aus „Romeo und Julia“, weiters singen Chanda Rule (Gospel), der Hard-Chor, Beda mit Palme, ebenfalls mit dabei: die Goaßlschnalzer Munderfing.
- Karten unter: tickets.landestheater-linz.at, Tel.: 0732/7611-400
Ihr Kinderlein kommet
Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all’!
Zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall,
und seht, was in dieser hochheiligen Nacht
der Vater im Himmel für Freude uns macht.
O seht in der Krippe, im nächtlichen Stall,
seht hier bei des Lichtleins hellglänzendem Strahl,
in reinlichen Windeln das himmlische Kind,
viel schöner und holder, als Engel es sind.
Da liegt es, das Kindlein, auf Heu und auf Stroh,
Maria und Josef betrachten es froh.
Die redlichen Hirten knien betend davor,
hoch oben schwebt jubelnd der Engelein Chor.
- Kinderchor der VS Koref singt: "Ihr Kinderlein kommet"
Ein Welterfolg
Der Erfolg hat viele Väter, heißt es – so auch der Weihnachtsklassiker „Ihr Kinderlein kommet“. Verfasst vom katholischen Geistlichen Christoph von Schmid als „Die Kinder bey der Krippe“, hat es der evangelische Volksschullehrer Friedrich Eickhoff aus Gütersloh 1829 mit der Melodie, die der dänische Komponist Johann Schulz für ein Frühlingslied geschrieben hatte, unterlegt. Eickhoff nahm es 1832 in eine Liedsammlung auf, die sein Schwiegervater Carl Bertelsmann druckte. Über den norddeutschen Raum und Amerika verbreitete es sich in der Folge über die ganze Welt.