„Das gute Gefühl, dem Leben zu dienen“
Cecily Corti stellte ihr Leben in den Dienst der Obdachlosen und spürt tiefe Dankbarkeit.
Cecily Corti, 72, Sozialarbeiterin, Therapeutin und Witwe des vor 20 Jahren verstorbenen österreichischen Regisseurs Axel Corti, engagiert sich seit zehn Jahren ehrenamtlich für Obdachlose in Wien. Entstanden sind in dieser Zeit eine Notschlafstelle und viele Wohnungen. Das Projekt VinziRast finanziert sich ausschließlich aus Spenden. Cecily Corti und 100 ehrenamtliche Mitarbeiter kümmern sich täglich um Menschen, die im Leben gestolpert sind. Am 23. Mai wird die „VinziRast-Mittendrin“ eröffnet – ein Wohnhaus, in dem Studenten und Obdachlose zusammen wohnen, arbeiten, kochen. Das Haus entstand auch unter oberösterreichischer Mithilfe.
Frau Corti, Sie engagieren sich täglich für Obdachlose, machen Nachtdienste, treiben Spenden ein. Was treibt Sie an?
Cecily Corti: Diese Arbeit erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit. Ich war vor zehn Jahren gedrückt, belastet und fast gelähmt vom Elend dieser Welt. In der VinziRast kann ich unmittelbar helfen – wir geben den Menschen ein Bett, ein Frühstück und das Gefühl, mit Respekt wahrgenommen zu werden.
Welche Erwartungen haben Sie an die Menschen, für die Sie kochen, denen Sie Ihre Zeit widmen?
Keine. Das ist ja die Herausforderung. Menschen funktionieren nicht reibungslos, weil sie ja keine Maschinen sind. Menschen stolpern, Menschen scheitern. Die VinziRast ist ein Platz der Übung, um immer respektvoll zu sein – auch wenn etwas nicht so passiert, wie wir uns das wünschen.
Was wünschen sich die Menschen, die in der VinziRast für eine Nacht ein Dach über dem Kopf bekommen?
Die meisten wünschen sich ganz einfach Arbeit. Als wir das Projekt gestartet haben, waren es zum Großteil Österreicher, die gekommen sind. Jetzt sind es viele Osteuropäer, denen es zuhause total elend geht, die am totalen Minimum leben. In Österreich geht es ihnen – auch wenn sie obdachlos sind – viel besser als in ihrer Heimat.
Was sagen und bieten Sie diesen Obdachlosen?
Wir können sie maximal für 30 Tage aufnehmen. Wir vermitteln ihnen natürlich keine Arbeit, aber wir tun, was wir können, bieten ihnen Zuwendung, Ruhe, Sauberkeit, Essen, einen Platz zum Schlafen. In der VinziRast werden die Menschen nicht zu Abstinenz oder Therapien verpflichtet. Wir behandeln die Obdachlosen nicht wie Untermenschen und auch nicht mit einer falsch verstandenen Barmherzigkeit.
Das neue Projekt, die VinziRast-Mittendrin, ist etwas, was es noch nie gegeben hat – Studenten leben in Wohngemeinschaften mit Obdachlosen. Kann das funktionieren?
Es geht hier nicht darum, dass die Studenten die Obdachlosen betreuen. Es soll ein Miteinander sein. Es geht auch um das Erforschen von Erfahrungen. Was entsteht aus dem Gemeinsamen? Es gibt eine Gemeinschaftsküche, Studierzimmer, Werkstätten, ein Lokal. Es ist ein Experiment und man wird sehen, was daraus entsteht. Auch die Universität Wien ist eingebunden. Ich weiß, dass man aus der Welt der Obdachlosen viel lernen kann. Die sind nicht nur betrunken...
Wie hat sich Ihr Leben durch diese Arbeit verändert?
Ich habe immer 100prozentig gelebt. Ich hab’ viel Negatives durchlebt, den Geschmack von Tod und Schmerz geschmeckt, aber auch höchstes Glück erlebt. Ich möchte bis zu meinem letzten Atemzug lebendig bleiben. Durch die Arbeit in der VinziRast lerne ich wahnsinnig viel. Ich muss Spenden auftreiben, Reden halten, offen sein, zuhören können und Verantwortung übernehmen. Ich habe das Gefühl – auch wenn das pathetisch klingen mag –, dass ich dem Leben diene. Das gibt Kraft, Freude, Sinn, Lebendigkeit.
Lions Böhmerwald
Projekt: Das neue Obdachlosenprojekt „VinziRast-Mittendrin“ in Wien, das am 23. Mai eröffnet wird, wurde maßgeblich von den Lions Böhmerwald unterstützt. Durch eine Mühlviertlerin, die in Wien lebt und bei der VinziRast mithilft, wurde der Kontakt zu Cecily Corti hergestellt.
Auch die Katholische Jugend Rohrbach sammelte – nach einem Vortrag von Cecily Corti im Mühlviertel – mit verschiedenen Aktionen Geld für das Obdachlosenprojekt.
Die Lions Böhmerwald kochten vor der Kirche auf und sammelten Geld für die VinziRast.
Unternehmer Hannes Nösslböck aus Hofkirchen im Mühlkreis (Träumeland) spendete für das Projekt zahlreiche Betten und Matratzen.
Im Herbst 2013 wird Cecily Corti wieder nach Rohrbach zu einem Vortrag reisen.