„Sie folgen ihren Trieben ohne jede Rücksicht auf andere“
WIEN. Im Juni Gewaltexzesse auf den Straßen von Athen – und jetzt in britischen Großstädten: Was läuft schief mit Europas Jugend? Die OÖNachrichten sprachen mit dem Wiener Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier (51).
OÖN: Sind die Krawalle in England politisch motiviert oder reine Randale?
Heinzlmaier: Politisch wollen diese Rabauken nichts erreichen. Sie agieren spontan aus dem Gefühl heraus, dass sie alles dürfen. Sie folgen ihren Trieben ohne jede Rücksicht auf andere.
OÖN: Steht England mitten im Bürgerkrieg?
Heinzlmaier: Da ist was dran! Es gibt offenbar eine Bevölkerungsgruppe, die völlig enthemmt ist, weil sie sich sagt, „wir sind dieser Gesellschaft egal“. Die Gesellschaft ist tief gespalten. Jeder will seine eigenen Ziele mit allen Mitteln erreichen. Das wird von den Eliten, den Bankern, Managern und Politikern, vorgelebt, und die Ausgegrenzten nehmen sich diese Einstellung zum Vorbild.
OÖN: Klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander?
Heinzlmaier: Ja, und schuld ist die neoliberale Wirtschaftspolitik, die Europa zunehmend aus den USA übernimmt. Die tiefe soziale Zerrissenheit in den USA bekommen wir jetzt auch in Europa, und am stärksten ausgeprägt ist sie in Großbritannien. Nur dass wir in Europa immer noch einen Polizeiapparat aus der liberalen Ära haben. Das wird sich ändern, denn diese Jugendlichen kann man nur im Zaum halten, wenn man ihnen Angst macht. Das geht nur durch härtere Maßnahmen.
OÖN: Woher kommt der Hass der jungen Randalierer auf die Gesellschaft?
Heinzlmaier: Sie fühlen, dass sie keinen Platz in der modernen Wissensgesellschaft haben. In ihren Gebieten werden sie wie Tiere gehalten, ihnen fehlt das kulturelle Kapital, das man in der Mittel- und Oberschicht vom Elternhaus mitbekommt. Sie entwickeln ihre eigene „Kultur“, Mitgefühl ist ihnen fremd.
OÖN: Der Großteil der Randalierer hat Migrationshintergrund. Sollte man sie des Landes verweisen?
Heinzlmaier: Die Briten haben ihre Kolonien jahrhundertelang ausgebeutet, da kann man die Zuwanderer nicht einfach hinauswerfen. Außerdem ist die Hauptursache der Krawalle nicht die multiethnische Kultur, sondern die Unterschichtproblematik.
OÖN: Könnte sich Ähnliches auch bei uns ereignen?
Heinzlmaier: Kaum, denn Leistungsidentifizierung und Rückbau der Sozialsysteme, die den Nährboden der Exzesse bilden, sind bei uns noch nicht so ausgeprägt. In Österreich wird auf die Opfer der Leistungsgesellschaft mehr geachtet als in England.
Die OÖN lassen, aus welche Gründen auch immer, keine Gelegenheit aus, die Fremdenhass-Abschiebestimmung in Österreich nicht Entschlafen zu lassen: OÖN: Der Großteil der Randalierer hat Migrationshintergrund. Sollte man sie des Landes verweisen?