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Krisen, Kriege und Kirchen

11. Juni 2011, 00:04 Uhr
Kriege und Katastrophen in OÖ
Bild: OÖN Grafik

Das Spätmittelalter war eine End- und Übergangszeit. Seit dem beginnenden 14. Jahrhundert zeigten sich vermehrt Krisensymptome. Die hochmittelalterliche Bevölkerungsexpansion und Rodungstätigkeit war um etwa 1300 zum Stillstand gekommen.

Das Spätmittelalter war eine End- und Übergangszeit. Seit dem beginnenden 14. Jahrhundert zeigten sich vermehrt Krisensymptome. Die hochmittelalterliche Bevölkerungsexpansion und Rodungstätigkeit war um etwa 1300 zum Stillstand gekommen. Die europaweite Hungersnot des Jahres 1317, eine der schwersten, die Europa jemals erlebt hat, war auch in Oberösterreich deutlich spürbar. Erstmals 1338 und in den nächsten Jahren wiederkehrend tauchten riesige Schwärme von Wanderheuschrecken auf, die alles Grüne mit Putz und Stingel auffraßen.

Auch im 15. Jahrhundert kamen die Heuschrecken mehrmals wieder. Die Beulen- und Lungenpest, von der Europa seit dem Frühmittelalter verschont geblieben war, wurde 1347 aus der Schwarzmeerregion nach Venedig und Genua eingeschleppt, von wo aus sie sich nach Norden ausbreitete. In Tirol trat sie 1348 auf, nach Wien gelangte sie 1349. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt. Von einem Drittel der Bevölkerung wird ausgegangen. Am schwersten waren sicher die Städte und dicht besiedelten Regionen betroffen. Von weiteren markanten Pestzügen wird 1399, 1410/11, 1436 und 1521 berichtet.

Der Aussatz oder die Lepra, die gefürchtetste ansteckende Krankheit des Hochmittelalters, wurde zwar von der Pest in den Hintergrund gedrängt, verschwand aber keineswegs. Auch die Pocken und das Fleckfieber scheinen im 15. Jahrhundert als epidemische Krankheit größere Ausbreitung erlangt zu haben.

Die wahrscheinlich aus Amerika über Venedig eingeschleppte Syphilis, die sich in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre des 15. Jahrhunderts in Mitteleuropa fast epidemieartig auszubreiten begann, wurde 1498 bereits auch in Oberösterreich festgestellt: Der Welser Benefiziat Lorenz Mitternauer berichtete in diesem Jahr von der neuen unheilbaren Seuche, die vom Volk als „französische Krankheit“ bezeichnet werde („vulgo a laycis male francoys nominata“).

Die Kriege ließen die Bevölkerung nicht zur Ruhe kommen. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wurde das Land ob der Enns durch die so genannte Schaunberger Fehde an den Rand eines Bürgerkrieges gedrängt.

Die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts war eine Zeit ständiger Fehden und Kriege. Die habsburgischen Länderteilungen führten zu fortwährenden Streitigkeiten. Dazu kam die Bedrohung von außen. Was von Südosten her die Türken waren, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts bis über die Enns voran- kamen, waren die böhmischen Hussiten nördlich der Donau. Die Schäden sind kaum quantifizierbar. Man beschuldigte die Juden, für das Unheil verantwortlich zu sein. 1420 kam es zur Vertreibung der Juden aus Linz, Steyr, Enns und Wels und zu Pogromen in Wien.

Auch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kam das Land nicht zur Ruhe, so in der so genannten Puchheimer Fehde, die für das Untere Mühlviertel und den Raum Steyr, später für die Umgebung von Lambach und St. Florian Plünderungen und Bürgerkrieg bedeutete.

Als Reaktion auf die ständige Bedrohung wurde die Heeresorganisation im Land ob der Enns reformiert: Das Land wurde erstmals in Viertel geteilt, deren Abteilungen jeweils unter einem Viertelhauptmann standen: Nördlich der Donau bildete der Haselgraben die Grenze zwischen dem Mühlviertel (heute das Obere Mühlviertel) und dem Machlandviertel (heute das Untere Mühlviertel). Südlich der Donau trennten die Traun und die Ager das Traunviertel vom Hausruckviertel. Seit dem späten 13. Jahrhundert gab es einen Landeshauptmann. Die Wallseer, die als Vertraute der Habsburger nach Österreich gekommen waren, waren für fast zwei Jahrhunderte praktisch ununterbrochen mit diesem Amt betraut und residierten in der Linzer Burg.

1408 fand der erste Landtag – die Versammlung des Landesfürsten mit den Ständen – statt, an dem nur noch Vertreter aus dem Land ob der Enns – also keine mehr aus Niederösterreich – teilnahmen. Es bildete sich ein eigenes oberösterreichisches Landrecht heraus.

Durch den Bevölkerungsrückgang (siehe „Bevölkerung im Mittelalter“) kam es zu markante Wüstungen in Oberösterreich – vor allem in der Herrschaft Schaunberg, wo von ungefähr 1700 Höfen 223 verödeten, wobei etwa die Hälfte davon ganz abkam. Auch im Mühlviertel kam es zu zahlreichen verlassenen Häusern und auch ganzen Ortschaften. Die Hektarerträge für Getreide müssten im Durchschnitt zugenommen haben, da schlechtere Böden ausgeschieden wurden. Der Getreidebau wurde durch den Buchweizenanbau bereichert und intensiviert. Pro Kopf war die Bevölkerung nunmehr besser ernährt und konnte sich mehr höherwertige Nahrungsmittel wie Fleisch, Milchprodukte und Fische leisten.

Sonderkulturen wurden gefördert und ausgedehnt, unter anderem Flachs und Hopfen, Safran und Mohn, Senf und Raps, Waid (Färberblau) und Krapp (Färberröte), Wein und Obst. Die Fleischproduktion und Milchwirtschaft, die Imkerei und Fischzucht erzielten Zuwächse. An vielen Orten wurden Teiche angelegt.

Das 15. Jahrhundert mit seinen vielen Kriegen, Seuchen und Naturkatastrophen steht in einem merkwürdigen Gegensatz zur Vielzahl der künstlerischen Überlieferung aus dieser Zeit. Die Gotik ist neben dem Barock jene Kunstrichtung, die die oberösterreichische Kulturlandschaft am entscheidendsten geprägt hat. Der Höhepunkt der spätgotischen Bau- und Ausstattungskunst, in den Bürgerhäusern wie in den Kirchen, wurde in der zweiten Hälfte des 15. und im beginnenden 16. Jahrhundert erreicht.

Krise des Ritterstandes

Die Kurve der Messstiftungen und sonstigen Stiftungen (Beim Tod des reichen Ennser Bürgers Wolfgang Kellner 1495 wurden 3000 Messen gelesen, in viele Tausende geht die Zahl der Messen zum Tod Kaiser Friedrichs III.) war ab der Mitte des 15. Jahrhunderts jäh angestiegen und hielt sich zwischen 1490 und 1517 auf hohem Niveau, um dann wieder steil abzusinken.

Die Krise des Ritterstandes, die durch die Änderungen der Militärtechnik, aber auch durch die Agrarkrise und das Sinken der Grundrenten ausgelöst war, konnte auf verschiedene Weise ausgeglichen werden. Manche Adelige versuchten sich als Raubritter, wobei dieser Weg angesichts der Festigung des staatlichen Gewaltmonopols zunehmend aussichtsloser wurde. Dagegen konnte der Erfolg als Söldnerführer oder die Übernahme von Funktionen in der landesfürstlichen Verwaltung einen raschen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufstieg bringen.

Die neuen Eliten, die Söldnerführer, Steuerverwalter, Kriegslieferanten und Kameralunternehmer, Salzamtmänner, Mautner, Fernkaufleute und Gewerken schufen sich Grundherrschaften großen und neuen Stils. Die Zelkinger, die Stifter des Kefermarkter Altars, waren eines der Geschlechter, die von der Krise der kleinen Ritter immens profitierten und ihren Besitz und Reichtum im 15. Jahrhundert entsprechend ausweiten konnten.

Der Aufschwung

Die meisten oberösterreichischen Pfarrkirchen wurden an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit baulich verändert oder ganz neu errichtet: die Stadtpfarrkirchen von Steyr, Braunau und Eferding, die Klosterkirche von Mondsee (die
bis zur Errichtung des Neuen Doms in Linz größte Kirche Oberösterreichs), und die lange Liste von Pfarrkirchen, Filialkirchen und Wallfahrtskirchen, die zwischen 1450 und 1520 neu gebaut oder umgestaltet wurden. Karl Eder führt namentlich 70 gotische Kirchenbauten nördlich der Donau und 127 südlich der Donau an. Aber auch in Burgen wie der Greinburg, oder Stadthäusern wie dem Bummerlhaus in Steyr manifestierte sich die Baukonjunktur. Der Reichtum der Kirchenaustattung übertraf bei Weitem die Kirchenbauten. Der größte Teil der spätmittelalterlichen Bildwerke ist zerstört oder in alle Winde zerflattert. Um 1525 dürfte es in Oberösterreich mindestens 1500 größere Flügelaltäre gegeben haben, von denen noch etwa 20 mehr oder weniger vollständig existieren. Vorallem sind es die Flügelaltäre, etwa in St. Wolfgang (1471–81), Kefermarkt (1491–1504), Gampern (1490/1500), Hallstatt (1515), Pesenbach (1495), St. Michael ob Rauchenödt (1517?) Waldburg (1517), Frauenstein (um 1515) oder Gebertsham (1515/20), die die Spätgotik für Oberösterreich so bedeutend werden ließen.

Bevölkerung im Mittelalter

Für die Zeit vor der Pest kennt man keine genaue Einwohnerzahl für das heutige Oberösterreich, sie dürfte aber kaum geringer gewesen sein als zwei Jahrhunderte später. Man weiß, dass das heutige Oberösterreich um 1500 ungefähr 335.000 Einwohner hatte.

Während die Einwohnerzahl in den zwei Jahrhunderten als Ganzes kaum zugenommen hatte, hatte sich die Verteilung zwischen Stadt und Land stark geändert. Es hatte eine starke Landflucht eingesetzt.
Generell dürfte die Bevölkerung im Spätmittelalter im Ennstal, im Steyr- und Garstental und im Salzkammergut, wo überall ein industrieller Aufschwung einsetzte, stark gewachsen sein. Der abrupte Bevölkerungsrückgang, der durch die Pest ausgelöst worden war, hatte einen Rückgang der Agrarpreise und ein Ansteigen der Löhne zur Folge, die zu einem Siedlungsrückgang in Grenzertragslagen und zu einer Welle von Flur-, Haus- und Dorfwüstungen führte: Verlassen wurden die schlechtesten und am schwierigsten zu bestellenden Böden.

Bürgerhäuser verdoppelt. Das Spätmittelalter war die große Zeit des Bürgertums. Um 1250 gab es im heutigen Oberösterreich sechs Orte mit Stadtrecht und dazu noch ungefähr 28 Märkte. In diesen bevorrechteten Siedlungen gab es etwa 2500 Häuser. Insgesamt wird es wohl an die 50.000 Häuser im Land gegeben haben.
Um 1500 zählte Oberösterreich in etwa 56.000 Häuser, davon 6100 Häuser in den zwölf Städten und 72 Märkten. Steyr, um 1500 weitaus die größte Stadt im heutigen Oberösterreich und hinter Wien und Schwaz der drittgrößte Ort des heutigen Österreich, war im 15. Jahrhundert stark gewachsen. Dasselbe dürfte auch für Weyer, Steinbach/Steyr oder Hallstatt der Fall gewesen sein.

Orte mit Marktrecht um 1250

Orte mit Marktrecht um 1250, Kirchdorf (1283), Mondsee (1280), Frankenmarkt (1221), (Bad) Hall (1251), Obernberg/ Inn (1250), Ried/ Innkreis (1180), Neumarkt im Hausruckkreis (1220) Haag am Hausruck (1260), Engelhartszell (1293), Aschach (1218), Peuerbach (1281), Ebelsberg (1258), Putzleinsdorf (1236), Neufelden (1217), Ottensheim (1146), Gallneukirchen (1260), Pregarten (1251), Gutau (1220), Tragwein (1287), (Bad) Zell bei Zellhof (1220), Königswiesen (1180), Neumarkt im Mühlkreis (1171), Steyregg (1282), Mauthausen (1190), Schwertberg (1287), Perg (1269), Grein (1215, Stadt ab 1491), Münzbach (1251)

Lesen

Geschichte Oberösterreichs; Siegfried Haider, Wien 1987.

Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart; Roman Sandgruber, Wien 1995.

Die spätmittelalterlichen Wüstungen in der Grafschaft Schaunberg; Othmar Hageneder, JbLkNÖ NF 33 (1957) 65 ff.

Gotik-Routen Oberösterreich: Reiseführer; Norbert Loidol, Linz, Oberösterreichisches Landesmuseum, 2002, 225 Seiten + 1 gef. Routenkarte.

Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung; Karl Eder, Linz 1932.

Werden, Wachsen, Reifen. Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich; Alfred Hoffmann, Bd. 1: Von der Frühzeit bis zum Jahr 1848, Linz 1952.


Klicken

Mittelalter in Oberösterreich: ooegeschichte.at

Sieben Gotikrouten durch Oberösterreich, zusammengestellt nach dem von Herrn Mag. Norbert Loidol erstellten Gotikroutenführer gotik.at

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