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Pionierzeit der Eisenwurzen

22. Mai 2010, 00:04 Uhr

Oberösterreich verzeichnete im 16. Jahrhundert, zur Zeit der Renaissance und Reformation, eine wirtschaftliche Blüte. Hauptexportprodukt war das Eisen aus der Eisenwurzen.

Die Landesausstellung zum Thema Renaissance und Reformation in Oberösterreich übergeht einen Aspekt völlig: das Hauptprodukt der damaligen oberösterreichischen Exportwirtschaft, das Eisen. Es kam vom steirischen Erzberg und wurde in der Eisenwurzen verhüttet und verarbeitet.

Rund um den Erzberg war im Spätmittelalter ein Netzwerk verflochtener Tätigkeiten entstanden. Es reichte vom Erzabbau über die Verhüttung und Weiterverarbeitung zu Zwischen- und Endprodukten bis zur Versorgung mit Holzkohle und Nahrungsmitteln, zu den Transportleistungen und dem großräumigen Vertrieb. Mit einer Jahresproduktion von 13.000 bis 15.000 Tonnen war die Eisenwurzen im 16. Jahrhundert zum wichtigsten Eisenerzeuger Europas herangewachsen.

Rund um den Hüttenberg in Kärnten wurden zur selben Zeit nur rund 2000 bis 3000 Tonnen gewonnen, in England um das Jahr 1550 etwa 4500, in ganz Italien rund 7000, und in der Oberpfalz, dem damals größten deutschen Eisenrevier, ungefähr 5000 Tonnen. Man wird den damaligen Marktanteil der Eisenwurzen mit mindestens 20 Prozent nicht überschätzen. Punkto Qualität war das Erzberg-Eisen ohnehin unschlagbar.

Evangelische Eisenhändler

Einige Namen aus der Reformationsgeschichte sind mit dem Eisen engstens verknüpft: Die Jörger hatten zentralen Anteil an den Anfängen der oberösterreichischen Sensenindustrie, Christoph Weiß, um 1600 der größte Eisenhändler im Lande, bekannte sich zum evangelischen Glauben ebenso wie die 20 bis 25 Steyrer Händler, aber auch die Freistädter, Welser oder Linzer Bürger und Ennstaler Hammerherren.

Die Steyrer Eisenhändler hatten Geschäftspartner in Linz, Wels, Freistadt, Enns, Krems, Wien, Bruck, Judenburg, Graz und Murau. Ihre großen Märkte aber waren Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Frankfurt, Breslau, Krakau, Antwerpen und Venedig. Dorthin musste man reisen, um Handelsbeziehungen anknüpfen zu können, von dort kamen die Faktoren und Agenten, um in der Eisenwurzen einzukaufen.

Erfolgreiche Steyrer in Venedig

Das meiste Geld ließ sich im „Venedigerhandel“ machen mit den begehrten Waren des Orients und des Mittelmeerraums. Den sehr angesehenen Steyrer Eisenhändlern standen am Canale Grande im Fondaco dei Tedeschi eigene Räume („Kammern“) für ihre Geschäfte zur Verfügung. Der Steyrer Geschichtsschreiber Valentin Preuenhuber notierte Anfang des 17. Jahrhunderts: „Sonderlich aber hat die Venedigische Kaufmannschaft viel Gelds und Reichtum den Steyerischen Bürgern vor Jahren zu- und eingetragen.“

Importiert wurden aus Venedig Samt, Seide, Goldbrokat, Baumwolle, Elfenbein, Perlen und Korallen, Olivenöl, Süßwein, Feigen, Mandeln, Weinbeeren, Johannesbrot, Maroni, Zitronen, Orangen und Zucker, Pfeffer, Ingwer, Gewürznelken, Zimt, Muskat und Kardamom und venezianische Industrieerzeugnisse wie Bücher, Seife, Brillen, Glas und Spiegel. Im Gegenzug lieferten die Steyrer Eisenwaren wie Messer und Sensen, aber auch Leinwand, Wachs, Speik und Arsen.

Die Eisenhändler kamen früh mit Neuem in Berührung, mit dem Meistergesang, dem Protestantismus oder dem Tabak. Steyr hatte eine Meistersingerschule, ein protestantisches Schultheater sowie eine ausgezeichnete evangelische Lateinschule und war hinter Wien die einwohnerstärkste Stadt Österreichs: Die Pfarrkirche stammte vom Baumeister des Stephansdoms, prachtvoll waren die Bürgerhäuser, großzügig die Arkadenhöfe.

Manche Steyrer Handelsleute und Eisenhändler konnten geradezu „amerikanische“ Karrieren vorweisen: So schaffte Lorenz Gutbrodt innerhalb von acht Jahren, von 1498 bis 1506, den Aufstieg vom armen Diener zum reichen Kapitalisten, Andre Khölnpeck, aus niederem Adel stammend, kam als Angestellter der Fugger nach Österreich, heiratete in eine Eisenhändlerfamilie ein und wurde in vier Ehen so reich, dass er 1539 eine landständische Herrschaft kaufen und sich aus dem Handelsgeschäft zurückziehen konnte.

Der größte dieser Kapitalisten war der Welser Eisenhändler Christoph Weiß. 1548 als Müllerssohn oder anderer Überlieferung zufolge als Waisenknabe in Vöcklamarkt geboren und dort von einem Kaufmann adoptiert, war er bald so erfolgreich, dass er 1582 geadelt wurde. 1588 kam er nach Wels. In den 1590er Jahren ließ er sich hier das eindrucksvolle Stadthaus errichten. 1596 lieh er Erzherzog Mathias die Riesensumme von 100.000 Gulden und erhielt dafür als Pfand die Vogtei und Burg Wels. 1604 kaufte er die Herrschaft Offenhausen mit Schloss Würting, das er großartig ausbaute, und 1614 die Herrschaft Niederwallsee. 1615 wurde er in den Ritterstand aufgenommen.

Sein Vermögen machte er im Eisenhandel nach Nürnberg, Regensburg, Frankfurt und Venedig. Bei der Steyrer Eisenhandelskompanie war er mit der größten Einlage von 70.000 Gulden beteiligt. 1617 starb er, nicht ohne großzügige Stiftungen für die evangelischen Kirchen und Schulen hinterlassen zu haben.

Messer waren im Spätmittelalter das wichtigste Exportprodukt, die Messerer der häufigste gewerbliche Beruf der Eisenwurzen. Steyr und Steinbach waren die Zentren. Die Messererzeugung erfolgte in drei Stufen: Klingenschmiede stellten die Rohklingen her, Schleifer gaben den Messern den Schliff, die Messerer versahen die Messer mit Schalen, machten sie gebrauchsfertig und übernahmen zunehmend als Verleger den Vertrieb. Im 16. Jahrhundert arbeiteten allein in Oberösterreich mehr als 1000 Messerschmiede.

Die große Blütezeit des Handwerks lag zwischen dem zweiten Viertel des 16. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts. Um 1570 zählte allein Steyr rund 300 Werkstätten mit mehr als 600 Beschäftigten, die sich in dem neu gegründeten Stadtteil Wieserfeld ansiedelten. Dazu kamen an die 200 Klingenschmiede in Steyr, Dambach und Kleinraming. Auch bei der massenweisen Herstellung von Nägeln dominierten bis ins 19. Jahrhundert kleingewerblich-hausindustrielle Organisationsformen. Das wichtigste Zentrum war Losenstein, das nach einem Rückschlag im 17. im 18. Jahrhundert einen neuen Aufschwung erlebte.

Spricht man vom Reichtum der Eisenwurzen, denkt man in der Regel an die „Schwarzen Grafen“, die Sensenherren also, die im 19. Jahrhundert in Oberösterreich zum „Herz- und Kernstück“ des vom steirischen Erzberg dominierten Eisenwesens aufsteigen konnten. Die Grundlage dazu wurde im späten 16. Jahrhundert mit einer entscheidenden technischen Neuerung gelegt: der um 1580 einsetzenden Verwendung der Wasserkraft zum Ausschmieden des Sensenblattes. Begonnen hatte damit im Jahre 1584 der Micheldorf-Scharnsteiner Meister Konrad Eisvogel. Dieser schuf jenes entscheidende Grundmuster der großhandwerklichen Sensenerzeugung, das die nächsten Jahrhunderte hindurch das alpenländische Sensengewerbe prägte.

Von nun an gehörten zum Standardinventar einer Sensenschmiede zwei wasserradgetriebene Hämmer, einer zum Zainen und einer zum Breiten, eine wasserradgetriebene Schleife, mehrere Tupf- und Dengelhämmer und drei bis fünf Essen. Die alten städtischen Sensenschmieden, in denen die Knittel zugekauft und mit dem Fausthammer zu Sensenblättern verarbeitet worden waren, konnten diese Expansion nicht mitvollziehen.

Der Landadel des 16. Jahrhunderts, der die Brechung der städtischen Zunftprivilegien anstrebte und Betriebsansiedlungen außerhalb der Städte und im eigenen Bereich der ländlichen Grundherrschaften sehr förderte, unterstützte die Verlegung der Sensenwerke aus den Städten nachhaltig. Die unternehmerisch äußerst regen Jörger von Tollet, die 1584 die Grundherrschaft Scharnstein erworben hatten, errichteten fünf Werke, in denen die Sensen bereits auf die neue Weise erzeugt wurden. Eisvogel war dort einer der Meister.

Völliger Zusammenbruch

Erste Anzeichen der Krise zeigten sich schon in den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts. An der Wende zum 17. Jahrhundert setzte ein dauerhafter Rückgang ein, der in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts in einen völligen Zusammenbruch der bisherigen Organisation mündete. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatten sich Wetterkapriolen mit Missernten gehäuft, Überschwemmungen zerstörten die Betriebsanlagen der wassergetriebenen Hämmer, Holzrechen, Schiffswege und Straßen. Dazu kamen Arbeiterunruhen. Ein Teil der Eisenhändler zog sich vom Geschäft zurück. Um 1560 gab es 22 Eisenhändler in Steyr, 1585 nur noch 16. In diesem Jahr wurde als Sanierungsmaßnahme eine Eisenhandelskompanie gegründet.

Die Gegenreformation, die in der Steiermark 1599 einsetzte, hatte an diesem Niedergang zweifellos Anteil. Mehrere Eisenerzer Bürger und Radmeister wurden in Graz inhaftiert. Im Jahre 1600 mussten 13 Radmeister aus Eisenerz und die Besitzer von 15 Welschhämmern und von 20 kleinen Hämmern ihre Betriebe verlassen. Vorerst konnten die aus der Steiermark vertriebenen Eigentümer ihre Betriebe von Steyr aus weiter leiten, doch auch dort machte sich Verunsicherung breit.

Anfang des 17. Jahrhunderts verließen namhafte Eisenhändler die Stadt und ließen sich in Nürnberg und Regensburg nieder. Immer mehr Kapital wurde aus Steyr abgezogen, „weillen kheiner weiß, wie lang ainer oder der andre ohne Gewissensbeschwärung alhie verbleiben khan“. Steyr blieb aber noch einige Zeit eine protestantische Hochburg. 1617 gab es dort nur 18 katholische Bürger.

Die monetären Turbulenzen 1621–1623 (Kipper- und Wipper-Inflation) untergruben die Finanzkraft der Stadt und ihrer Eisenhändler. Deren Eisenabsatz brach völlig zusammen. 1620 warteten in Steyr etwa 15.000 Tonnen Eisen auf Abnehmer. Dem Reformationspatent (1625) beugten sich allein in Steyr 228 Familien nicht und verließen das Land. Zwischen 1626 und 1630 wanderte der Großteil der Steyrer Eisenhändler nach Regensburg und Nürnberg aus. Danach wurden für mehr als ein Jahrzehnt nur noch 2500 Tonnen Eisen erzeugt. Schuld waren der Krieg, die Geldinstabilität und auch die Gegenreformation.

Die über Steyr vertriebenen Eisenmengen, die in der Mitte des 16. Jahrhunderts fast 10.000 Tonnen erreicht hatten, lagen am Tiefpunkt in den 1620er Jahren unter 2000 Tonnen und um die Mitte des 17. Jahrhunderts bei 4000 Tonnen. Nach tiefgreifenden Reformen konnte das Produktionsniveau des 16. Jh. erst in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder erreicht werden.

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