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"Der Seiler hätte diese Tour nicht machen dürfen"

12. April 2014, 00:04 Uhr
"Der Seiler hätte diese Tour nicht machen dürfen"
Hajo Baumgärtner (rechts) bei den Dreharbeiten zu seiner Dachstein-Doku. Bild: OÖN

Filmemacher Hajo Baumgärtner über seine Doku über das Drama, das am Karfreitag auf Servus TV zu sehen sein wird (21.15 Uhr).

Als TV-Mann war der Heilbronner Hajo Baumgärtner immer wieder mit dem Dachstein-Unglück konfrontiert. Im Ruhestand hat er endlich Zeit gefunden, sich intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Seine Dokumentation wird am Karfreitag auf Servus TV im Rahmen der Serie "Retroalpin" erstmals ausgestrahlt (21.15 Uhr). Der Film könnte Staub aufwirbeln. Im Gespräch mit den OÖNachrichten verrät Baumgärtner, warum.

OÖN: Herr Baumgärtner, Sie recherchieren seit sechs Jahren die Hintergründe des Dachstein-Dramas. Was hat Sie dazu bewogen?
Baumgärntner: Ich habe in Heilbronn zwanzig Jahre lang TV-Nachrichten produziert. Da gab es bei den Jubiläen immer wieder Beiträge über diese Katastrophe. So wie die Journalisten immer wieder die alten Geschichten abgeschrieben haben, waren die Filme im Prinzip auch immer wieder die gleichen. Ich habe gespürt, dass die Geschichte so nicht stimmen kann. Jetzt hatte ich endlich Zeit, nach der Wahrheit zu suchen.

Bei den Gedenkfeiern wird die Schuldfrage ausgeblendet. In den Reden heißt es immer nur, die Antwort nach dem Warum weiß nur der Dachstein – und der Berg schweigt. Haben Sie eine Antwort gefunden?
Sie haben Recht, die Schuldfrage ist wirklich ein Tabu. Vor allem in Heilbronn. Ich glaube jedoch schon, eine Antwort gefunden zu haben. Schuld an der Katastrophe hatte der Überehrgeiz des Lehrers. Der Seiler hätte diese Tour nicht machen dürfen.

Warum ist er mit seinen Schülern trotzdem losgewandert?
Er hatte einen starken Minderwertigkeitskomplex. Es gab in Obertraun Reibungen zwischen ihm und dem Verwalter der Bundessportschule. Seiler wollte seinen Willen unbedingt durchsetzen und es allen zeigen.

Seine Schüler, die in Obertraun nicht dabei gewesen sind, haben ihn aber als tollen Lehrer beschrieben.
Ja, die haben ihn alle vergöttert, das tun sie heute noch. Seiler hat sich auch sehr um sie gekümmert. Er war nur 1,62 Meter groß – mit allen, die zu ihm aufschauten, kam er sehr gut zurecht. Mit den Erwachsenen gab es häufig Probleme.

Es heißt, Seiler wäre ein bergerfahrener Südtiroler gewesen.
Das stimmt nicht. Er ist in Südtirol geboren, kam aber als Fünfjähriger ins deutsche Flachland. In seinen ersten fünf Lebensjahren wird kein großer Alpinist aus ihm geworden sein.

In Heilbronn werden Sie sich nicht beliebt machen, wenn Sie das Tabu der Schuldfrage brechen. Ist Ihnen das bewusst?
Ja, und ich verstehe es auch, dass man so eine Katastrophe gerne als Schicksal begreifen möchte und einer höheren Macht oder einem Wetter-Phänomen die Verantwortung überträgt. Für die Hinterbliebenen ist das einfacher, und auch der Schule bleiben haftungsrechtliche Fragen erspart. Nur meine ich, dass 60 Jahre später Zeit dafür wäre, sich der Wahrheit zu nähern und keinen Mythos zu pflegen.

Haben Sie Seilers Familien-Geschichte weiterverfolgt?
Ja. Seine Frau hat er vor der Dachsteintragödie, zwei Wochen vor der Geburt seines dritten Kindes, verlassen. Seine Familie ist nach der Katatstrophe praktisch aus Heilbronn geflüchtet. Die Frau hat später Selbstmord begangen. Die Spuren seiner drei Kinder haben sich verloren. Bis zum heutigen Tag sind viele Menschen von den damaligen Ereignissen traumatisiert.

Das Dachsteinunglück fasziniert auch die Menschen. Bücher und Theaterstücke wurden geschrieben, Filme gemacht. Glauben Sie, dass dieses Drama auch ein Stoff für einen Kinofilm sein könnte?
Um ehrlich zu sein: Ich arbeite an einem Drehbuch. Mich lässt diese Geschichte nicht los. (chz)

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