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"Eigene Gefühle haben auf der Bühne nichts verloren"

Von Peter Grubmüller, 03. August 2019, 00:04 Uhr
"Eigene Gefühle haben auf der Bühne nichts verloren"
Julia Windischbauer hat sich die Tür zum großen Schauspiel aufgestoßen. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Wie sich die Linzer Schauspielerin Julia Windischbauer mit Herz und Hirn in der Münchner Theaterszene etabliert.

Ihrem Magnetismus kann man sich weder auf der Bühne noch im persönlichen Gespräch entziehen. Im Mai wurde Julia Windischbauer mit dem bedeutenden O. E. Hasse-Preis für herausragenden Schauspielnachwuchs ausgezeichnet. Seit 2016 studiert die Linzerin an der Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München, seit April gehört sie zum Ensemble der Münchner Kammerspiele. Im OÖN-Interview spricht die 22-Jährige über ihre vielen ersten Schritte: auf die Bühne, zu den Schauspiel-Schulen, zu sich selbst als Schauspielerin.

 

OÖN: Wann haben Sie am Theater einen Narren gefressen?

Julia Windischbauer: Mein Opa, ich sag’ Pepi zu ihm, war und ist noch immer eine wichtige Bezugsperson für mich. Als er 19 war, hätte er Schauspieler werden können - dann ist meine Oma zu meiner Mama schwanger geworden. Die Schauspielerei war ihm deshalb finanziell zu instabil. Trotzdem hat er jahrzehntelang in Laien-Gruppen mitgespielt. Unter anderem in der Theatergruppe Linz-Dornach - und dort hab’ ich meine ersten Theatererfahrungen gemacht.

Wie ist das abgelaufen?

Ab vier oder fünf war ich vor und hinter der Bühne immer dabei, bei allen Vorstellungen. Mit 13 durfte ich erstmals mitspielen. Es war der Froschkönig - und ich hab’ ihn gespielt, mit hautengem, grünem Kostüm und einer riesigen Froschmaske. Ich konnte damals weder Hochdeutsch, außerdem hatte ich eine leise, piepsige Stimme. Die Regisseurin sagte: "Julia, sei lauter, trau dich!" Das hat sich inzwischen gegeben (lacht).

Im Gymnasium wurden Sie in der Musisch-kreativen Klasse nicht genommen – warum nicht?

Weil sie gesagt haben, dass ich nicht singen kann. Dabei sing’ ich so gern. Gut, ich treffe nicht jeden Ton, aber das ist mir egal.

Beim Stück "Heaven in Pity" in München wurden Sie von der Süddeutschen Zeitung unter anderem wegen des Gesangs gelobt …

… in dieser Produktion singe ich "Where Is My Mind" von den Pixies, und da sind auch einige Töne falsch, aber es geht um das Gefühl. Ich möchte Leute berühren, das dürfte gelungen sein.

Warum haben Sie nach der Matura zuerst Englisch studiert?

Das war ein bisschen meinen Eltern zuliebe, aber nicht mehr als acht Vorlesungen lang. Von zwei Prüfungen hab’ ich eine geschafft, bei der anderen hab’ ich gewaltig daneben gehaut. Danach kam Theaterwissenschaften, dort hab’ ich es zu zwei Vorlesungen gebracht – das war vielleicht fad.

Parallel dazu haben Sie schon beim Nachwuchsprojekt des Burgtheaters mitgespielt.

Das hieß "Wiener Brut 6,0", aber leider gibt es die "Junge Burg" aus Kostengründen nicht mehr. Währenddessen ging meine Vorsprechen-Tour los: zuerst Reinhardt-Seminar in Wien. Ich dachte, da fahr ich hin, ich hab’ Talent, na die wird’s vom Hocker hauen. Nicht ganz, erste Runde raus. Von meinem zweiten Monolog konnte ich nicht einmal g’scheit den Text. Danach hab’ ich es in Frankfurt und Leipzig in die zweite Runde geschafft. Nach Potsdam kam die Falckenbergschule in München - und das war zwar enorm stressig, aber cool.

Inwiefern?

Die erste Runde war im Mai, die zweite im Juni - zu dieser Zeit hab’ ich im Linzer Landestheater beim Jugendprojekt "Freispiel" das Stück "Radikal" gespielt. In der Nacht mit dem Zug nach Wien, weil ich die erste Hauptprobe von "Wiener Brut" hatte, am nächsten Tag Aufnahmeprüfung in München. Dort bin ich in die dritte Runde am folgenden Tag gekommen und hab’ in Wien die Generalprobe verpasst. Weinend rief ich die Regisseurin in Wien an, dass ich auch zur Premiere nicht da sein werde, weil wir in München immer noch nicht fertig waren. Die Regie-Assistentin konnte den Text, sie sprang für mich ein. Als ich am Abend erfahren habe, dass ich aufgenommen bin, hab’ ich wieder geflennt, weil sich so ein Druck aufgebaut hatte. Was für eine geile Woche!

Wie war das Hineingleiten ins professionelle Schauspiel?

Ich fühlte mich verpflichtet, richtig Hochdeutsch zu lernen. Ich glaubte, nur so werde ich Schauspielerin. Und ich dachte, Schauspiel funktioniert nur, wenn ich eine Figur nicht bloß spiele, sondern bin. Das ist falsch, Theater hat nicht eins zu eins echtes Leben abzubilden. Schauspiel ist spannender, wenn man Gefühle größer herstellt und für Emotionen andere Farbtöpfe als gewöhnlich findet. Eigene Gefühle haben auf der Bühne nichts verloren.

Wie kommen Sie Ihren Figuren nahe?

Ich suche mir für jede Rolle ein Lied. Das höre ich vor der Vorstellung – meistens tanze ich dazu. Ich springe viel lieber in eine Rolle, als mich ihr langsam anzunähern.

Wo sehen Sie sich selbst in zehn Jahren?

Ich mag Dinge gerne so sehen, wie sie werden, also: 2029 arbeite ich an einem sehr coolen Haus im deutschsprachigen Theaterraum, als Gast. Ich bin freie Schauspielerin, weil ich für das österreichische Fernsehen wunderbare Filme drehe. Die sind viel interessanter als der deutsche Film. Ich stehe weiterhin lieber auf der Bühne, aber Film ist auch finanziell lukrativ und befördert eine Bekanntheit, die wieder für das Theater wichtig ist.

Was ist aktuell das coolste deutschsprachige Theater?

Die Münchner Kammerspiele sind für mich jetzt genau richtig. Dort werde ich als Person besetzt, sie wollten mich haben - mich, Julia - nicht eine junge Schauspielerin mit komischer Frisur, die Österreichisch spricht. Sie wollten all meine Schwächen – und all meine Stärken.

 

Julia Windischbauer

Windischbauer wurde 1996 in Linz geboren. Schon während ihrer Schulzeit am Linzer BRG Hamerlingstraße erhielt sie von 2008 bis 2014 eine künstlerische Ausbildung an der Musical Theatre Academy Puchenau (Schauspiel, Gesang, Ballett, Stepptanz und Jazz). In Wien studierte sie zunächst Englisch, später Theaterwissenschaften. Seit 2016 ist sie an der Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München. Ebendort gehört sie seit April 2019 zum fixen Ensemble der renommierten Kammerspiele. Wie von den OÖN berichtet, wurde Windischbauer im Mai der O.-E.-Hasse-Preis zuerkannt.

O.-E.-Hasse-Preis: Aus der Jury-Begründung von Klaus Völker (Theaterhistoriker, Dramaturg, 1993-2005 Rektor der Berliner Schauspielschule Ernst Busch): "Julia Windischbauer erarbeitet Rollen auf ihre ganz eigene Weise. Geschichten erschließen sich ihr weniger durch Bilder, viel mehr durch Wörter.....Bei ihr hängt wirklich alles an seidenen Fäden. Eine Gefühlsartistin. Eine Könnerin, bei der nichts gemacht ist. Keine Posen, immer Haltung."

Die mit 5000 Euro dotierte und von der Stiftung des Schauspielers Otto Eduard Hasse (1903-1978) in Zusammenarbeit mit der Berliner Akademie der Künste verliehene Auszeichnung wird seit 1981 vergeben. Sie fördert herausragenden Schauspielnachwuchs. Frühere Preisträger sind u.a.: Ulrich Tukur, Ulrich Matthes, Anne Bennent, Cornelius Obonya und Christoph Waltz.

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Autor
Peter Grubmüller
Ressortleiter Kultur
Peter Grubmüller
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