"Unser Verstand kann zum Schlachtfeld werden. Wer Infos verzerren kann, kann ihn auch hacken.“
Der Oberösterreicher Friedrich Moser zeigt mit seiner Regiearbeit „How to Build a Truth Engine“ Strategien gegen Fake News, Desinformation und Verschwörungstheorien auf
Bekannt ist er als Hollywood-Star und Sexsymbol mit Spitzbubenlächeln. Oberösterreich wird George Clooney (63) jetzt in einer anderen Rolle kennenlernen: Grund dafür ist Friedrich Moser aus Desselbrunn (Bez. Vöcklabruck). Der Regisseur bringt mit „How to Build a Truth Engine“ morgen seinen neuen Dokumentarfilm ins Kino. Und Clooney? Den konnte sich der Wahl-Wiener (55) als sogenannten „Executive Producer“ angeln.
Als solcher unterstützt der Doppel-Oscar-Sieger und Sohn von Journalistenlegende Nick Clooney, dem früheren „Armin Wolf des Mittleren Westens“, den Film weder mit Geld noch Schauspiel, sondern als Netzwerker und Botschafter für dessen Sache: Stärkung von Fakten, deren Überprüfung und somit des zivilisatorischen Zusammenhalts.
Aufdecken von Kriegsverbrechen
Moser ist vor fünf Jahren angetreten, um in seiner Arbeit maßgebliche Bauteile aufzuzeigen, die die Weltgesellschaft braucht, um „einen Motor der Wahrheit“ zu bauen. So ist „How to Build a Truth Engine“ letztlich „ein Plädoyer für den Journalismus“, sagt Moser. „Viele Menschen wissen gar nicht, was Journalismus im Kern bedeutet. Es heißt nicht, irgendetwas zu schreiben oder zu präsentieren, sondern in erster Linie zu hinterfragen und zu recherchieren, eine Vielzahl von Quellen zu haben, um Fakten sauber zu belegen.“
Ein Gerücht, eine falsche oder bewusst manipulierte Information sei – vor allem online – schnell verbreitet. „Aber wer von den alltäglichen Social-Media-Nutzern hat etwa die Möglichkeit, einen Experten zu befragen? Wer hat die Nummer eines Forschers oder Politikers? Ganz wenige.“ Und die meisten davon sind Journalisten, die wie „Spamfilter“ für die Demokratie funktionieren – auch gegen Kriegspropaganda. Um diese diffizile Arbeit zu veranschaulichen, hat Moser den Schwanenstädter Journalisten Christoph Koettl und seine Kollegen von der „New York Times“ (NYT) begleitet. Koettls Spezialität für die US-Qualitätszeitung? Die Auswertung von Satellitenbildern. Ein Beispiel im Film: wie die NYT die Massaker durch Russen an Ukrainern in Butscha 2022 aufdeckte. „Russland behauptete, auf den Straßen lägen keine Toten, sondern es seien Schauspieler.“
- Der Regisseur im Porträt: Ein Motor für die Wahrheit
Mosers Film ist auch ein „Plädoyer für Technologie“. „Wir sind von ihr überrollt worden, aber wir sollten sie für uns arbeiten lassen.“ Ein faszinierendes Beispiel im Film: eine Software, die im Netz Verschwörungstheorien findet und visualisiert. Sie analysiert, in welchem Verhältnis die Akteure einer Erzählung zueinander stehen. Eine echte Geschichte wächst natürlich, Akteure stehen in Verbindung. Bläst sich eine Verschwörungstheorie auf, haben diese (fast) nichts miteinander zu tun.
Noch bemerkenswerter als solche „Kunststücke“ der Technologie ist Mosers Zugang zu denen, bei denen alles beginnt: uns Menschen. Moser erklärt uns über Experten, wie wir Infos überhaupt verarbeiten. Ironischerweise lässt uns eine neurologische Fähigkeit, die wohl unser Überleben begründet, anfällig für falsche Erzählungen werden. Sehr einfach gesagt, ordnen wir unsere Umwelt – speziell bei emotionaler Erregung – in kognitiven Mustern. Das reduziert Überraschungen und ermöglicht schnelles Handeln. „Unser Gehirn sucht so aber auch Abkürzungen und wird so zum Einfallstor für Fake News und Verschwörungstheorien.“ Muster basieren auf falschen Annahmen und werden weiter zementiert. Moser:
„Wir müssen uns bewusst sein: Unser Verstand kann zum Schlachtfeld werden. Wer Informationen verzerren kann, kann ihn auch hacken.“
Clooney hilft Moser übrigens gerade bei Verhandlungen mit US-Verleihen. Ob der zweiten Amtszeit von Trump und seiner „alternativen Fakten“ möge es gelingen.
- Kinostart: in Oberösterreich morgen (12. 12.) im Linzer Moviemento.
- Am Dienstag (17. 12., 19 Uhr) präsentiert Regisseur Friedrich Moser den Film dort persönlich: www.moviemento.at. Weitere Vorführungen in Kinos in OÖ sind in Planung.
- Wie Friedrich Moser zu George Clooney kam: Für seinen Dokumentarfilm „A Good American“ (2015) gewann der Regisseur bereits Oliver Stone als ausführenden Produzenten. Dies führte Moser die positiven Effekte einer solchen Kollaboration vor Augen (Werbewert, Aufmerksamkeit u. a. bei Streamern). Für „How to Build a Truth Engine“ knüpfte Moser über einen US-Partner den Kontakt zu Clooney. Mit einem Teaser (kurzer Film zum Projekt, Anm.) überzeugte er den Star und seine Frau Amal, eine Menschenrechtsanwältin. Laut Moser sieht Clooney in Zoom-Meetings genauso gut aus wie auf der Leinwand.
- Kurzkritik: „How to Build a Truth Engine“ ist ein Dokumentarfilm, der im ersten Moment kompliziert wie komplex klingt. Schließlich verbindet er Machtfragen, Geopolitik, Desinformation, Hirnforschung und journalistische Tätigkeiten – und das in der analogen und digitalen Welt. Das Kunststück, das dabei jedoch gelingt, ist eines: Der Film lässt einen durch all das mühelos durchgleiten. Gespräche mit Experten, Visualisierungen und Archivmaterialien (z. B. Sturm aufs Kapitol, Befreiung des KZ Mauthausen) wechseln sich mit prägnanten Naturaufnahmen ab, die einem Zeit zum Denken geben. Ein famoser Film, richtig für unsere Zeit, der einen die Welt mit
anderen Augen sehen lässt. - OÖN Bewertung: