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Woodmaster Matthias Schorn: "Der Musik Freiheit geben"

21. Juni 2019, 10:09 Uhr
Matthias Schorn
"Woodmaster" Matthias Schorn Bild: Lukas Beck

Er ist Soloklarinettist bei den Wiener Philharmonikern. Und Woodmaster beim Festival "Woodstock der Blasmusik" in Ort im Innkreis von 27. bis 30. Juni. Über diese Ehre und seine "Haltestelle für Kunst aus allen Richtungen" hat Matthias Schorn (36) mit Karin Schütze gesprochen.

Warum er einen alten Bahnhof zur Bühne gemacht hat, erzählt Matthias Schorn im Gespräch.

Es ist jetzt 9 Uhr. Dass Musiker Langschläfer sind, ist also ein Klischee?

Matthias Schorn (lacht): Ich versuche schon, mich darauf einzustellen, dass der Soundcheck für die große Bruckner e-Moll-Messe beim Woodstock der Blasmusik um acht Uhr früh sein wird.

Sie sind Woodmaster der Blasmusik. Wie geht es Ihnen damit?

Dass ich nach drei großartigen Blechbläsern – Thomas Gansch, Christoph Moschberger und Andreas Hofmeir – als erster Holzbläser ein Woodmaster im wahrsten Wortsinn sein darf, ist für mich eine schöne, stimmige Sache. Mich freut’s besonders, weil ich als einer der Mitinitiatoren von Anfang an mit diesem Festival eng verbunden bin, Simon (Festivalorganisator Simon Ertl., Anm.) und ich sind wahnsinnig lang befreundet. Es ist ein großes Festival im Sinn der Einzigartigkeit und Vielfalt daraus geworden.

Sie sind auch Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker, seit Sie 25 Jahre sind. Wie fühlt man sich so jung inmitten eines der weltbesten Orchester?

Ich kannte den Orchesterbetrieb ein wenig, es war nicht völlig neu. Aber als Österreicher, der in Wien studiert hat und mit diesem Musikantentum muttersprachlich verwurzelt ist, sind die Wiener Philharmoniker einfach das unglaublichste, größte Geschenk. Es war eine große Freude und eine riesengroße Herausforderung. Der Opernbetrieb war für mich völlig neu. Ich musste wahnsinnig viel Repertoire lernen. Aber es wurde mir die Freiheit gegeben, auch so manchen Fehler zu machen. Dafür bin ich sehr dankbar. Es ist bis heute spannend. Beim Musikmachen lernt man nie aus.

Man spricht oft vom Wiener Streicherklang. Gibt es auch einen Wiener Klarinetten-Sound?

Ich glaub schon. Die klangliche Vorstellung geht in ein rundes, weiches Klangbild. Wir spielen mit Material, das spezifisch versucht, diese Klangideale – sehr gedeckt, sehr warm – zu fördern, mit Blättern, Klarinetten-Mundstücken und -Modellen. Ich habe einmal zeitgenössische Musik eines norddeutschen Komponisten gespielt und war an einer Stelle ein bisschen zu langsam. Da hat er zu mir gesagt: "Ah, du bist ja Wiener Philharmoniker." (lacht). Manchmal kümmert man sich so sehr darum, dass es immer schön klingt, dass man fast andere wichtige Aspekte vergisst.

Ist Ihr Ensemble "Faltenradio" ein Ausgleich zu den Philharmonikern, um auch einmal richtig die Sau rauszulassen?

Auf alle Fälle. Aber im Idealfall lassen wir auch im Orchester die Sau raus. Ich glaube ganz fest daran, dass die Musik ein großes Universum ist und gar nicht so trennbar. Für mich persönlich ist es eine Symbiose dieser vielleicht doch gar nicht so verschiedenen Arten, Musik zu machen. Im besten Fall profitiert auch das Orchesterspiel davon, dass ich vielleicht gerade von einem Volksmusikensemble-Projekt komme und mit einer tänzerischen Energie eine Ballettvorstellung spiele. Diese Erfahrung hält mich am Leben und hilft mir, dass dieses Feuer nie aufhört.

In Ihrem Wohnort betreiben Sie am ehemaligen Bahnhof Altenmarkt-Thenneberg eine "Haltestelle für Kunst aus allen Richtungen"…

Ich habe schon lang davon geträumt, ein eigenes Theater zu haben, einen Ort Freiheit, wo man keinem verpflichtet ist, eine gewisse Schublade zu bedienen, sondern der Musik die größtmögliche Freiheit geben kann. Der Bahnhof wurde 1877 erbaut, bis 2005 sind dort Menschen in die Schule, in die Arbeit gefahren, haben dort gewartet. Ich finde das Bild des Schwellen-Überwindens schön – im übertragenen Sinn darf diese Haltestelle jetzt wieder so etwas sein. Man kommt dorthin, um eine Art von Begegnung zu erleben. Ich finde den Ort, wo etwas passiert, grundsätzlich sehr wichtig. Und dieser Ort hat die Kraft, den Rahmen dafür zu bilden, woran ich glaube. Wir haben auch versucht, alles so zu lassen – die alten Anlagen, wo man die Weichen gestellt hat, eine alte Uhr, die alten Fahrpläne. Es ist immer noch ein Bahnhof, er ist nicht zu Tode renoviert.

Der Bahnhof hat auch eine Pilgerunterkunft. Waren Sie einmal Pilgern?

Der Ort, wo ich wohne, liegt an der Via Sacra von Wien nach Maria Zell. Ich bin den Weg von meiner Haustür in Altenmarkt an der Triesting weg gegangen. Pilgern hat für mich mehr einen meditativen, spirituellen Charakter. Ich bin vorsichtig und kritisch den verschiedenen Kirchen gegenüber. Man kann auch spirituell sein, ohne es mit einem gewissen Stempel zu versehen. Das Bei-sich-Sein gehört ja manchmal zu den schwersten Aufgaben. Dafür ist dieses Gehen, diese Langsamkeit eine gute Möglichkeit. Wir haben zwei alte Eisenbahnwaggons. In einem davon bzw. in der ehemaligen Fahrdienstleiterwohnung können Künstler oder eben Pilger übernachten. Es ist keine Luxusunterkunft, aber eine sehr besondere, ruhige und passende Übernachtungsmöglichkeit.

Wie hat eigentlich Ihr Weg zur Musik begonnen?

Niemand in meiner Familie ist Berufsmusiker, aber es war immer eine große Liebe zur Musik vorhanden. Mein Großvater war in unserem Dorf der Kulturmensch schlechthin, als Chorleiter, Organist, Theaterleiter, Mundartdichter. Er hat Flügelhorn und Zither gespielt. Meine Eltern waren bei der Blasmusikkapelle, das war völlig normal und selbstverständlich. Mein Wunsch als Kind war schnell klar. Dass ich das jemals beruflich mache oder gar Wiener Philharmoniker werde, war aber damals so weit weg wie der Mond.

Leben

Matthias Schorn (36) aus Bad Vigaun/Hallein, begann als 16-Jähriger Klarinette in Wien zu studieren. Er spielte im Radio-Symphonieorchester Wien, im Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, bei den Münchner Philharmonikern. Seit 2007 ist er Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker und lehrt am Konservatorium Wien.Mit seinem Ensemble Faltenradio (Jazz bis Klezmer) tritt er seit 2009 auf. Er lebt mit seiner Frau in Altenmarkt an der Triesting, ist Hobbyimker und Obst- und Gemüsebauer. Beim "Woodstock der Blasmusik" spielt er u. a. mit Faltenradio am 30. 6., 16.30 Uhr; mit MoZuluArt am 27. 6., 18 Uhr; mit den Glücksspielern am 27. 6., 14.30 Uhr.

Woodstock der Blasmusik

Von 27. Juni bis 30. Juni lädt das neunte von Simon Ertl organisierte Festival in die Arco-Arena in Ort im Innkreis. 100 Auftritte von insgesamt 1300 Musikern aller Stilrichtungen sind auf erstmals sechs Bühnen zu erleben, u. a. die US-Band Kool & the Gang, sein Woodstock-Debüt gibt Canadian Brass. 

Mitspielen beim Gesamtspiel: Am 29. Juni, 13 Uhr sind alle Gäste eingeladen, zum Instrument zu greifen, im Vorjahr waren es 1500 Musiker. 

Karten: 0732/7805 805, nachrichten.at/ticket 

OÖNcard-Vorteile: 3 Euro Rabatt pro Tagesticket, Gratis-Eintritt am 30. 6. beim OÖNcard-Frühschoppen 

Alle Infos und das Programm finden Sie auf http://woodstockderblasmusik.at

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