Adalbert Lanna – Der verlorene Ruhm
Vom Salzkammergut nach Prag und zurück – der rasante Aufstieg und Niedergang einer Unternehmerfamilie aus dem 19. Jahrhundert.
Admiral der Moldau" nannte ihn die Gründerzeit des 19. Jahrhunderts, weil damals den Militärs das öffentliche Ansehen der heutigen Wirtschaftsmanager zukam.
Adalbert Lanna I. (1805-1866) war Vollblutunternehmer. Die Vorfahren waren als Zimmerleute aus dem Salzkammergut nach Südböhmen ausgewandert. Ihre Kenntnisse im Schiffsbau und in der Flößerei waren im habsburgischen Salzhandel gefragt. Nach wenigen Generationen machten sich die Lannas in Südböhmen selbstständig. Adalbert Lanna I. allerdings wurde dann zu jenem Pionier, der Handel und Infrastruktur in der Mitte Europas maßgeblich mitgestaltete, ihm folgte in ambitionierter Familientradition sein Sohn Adalbert II., der als Großindustrieller und Mäzen das Unternehmen ausbaute und unzählige Kultureinrichtungen förderte.
Einen Schiffbruch überlebt
Adalbert I. sollte eigentlich in Prag Maschinenbau studieren. Er überwarf sich dort aber mit seinem Professor, kehrte in das väterliche Schiffbauunternehmen am Budweiser Moldauufer im damaligen Vierhöf zurück – die Gebäude liegen heute noch nahezu unverändert am linken Flussufer – und lernte von Grund auf das Flößerhandwerk. Er überlebte 1824 als einziger einen Schiffbruch auf dem damals noch wilden Flusslauf und setzte sich daraufhin zur Lebensaufgabe, die Moldau schiffbar zu machen. Sein Ehrgeiz zielte aber nicht allein auf die Zähmung jenes Stroms, sondern auf internationalen Handel. Und es gelang ihm, den Handelsweg über die Elbe bis Hamburg zu erschließen und dort das Holz der Flöße an Reedereien zu verkaufen. Das war unerhört, denn allein auf der Moldau zählte man damals mehr als 100 Gefahrenstellen. Hamburg wurde zum Absatzmarkt für die brachliegenden südböhmischen Holzreserven der aristokratischen Grundbesitzer, vorneweg der Fürsten Schwarzenberg.
Lanna übernahm auch die Finanzierung schwieriger Baulose der Pferdeeisenbahn zwischen Linz und Budweis. Der Stapelplatz, an dem er die Handelsware von der Schiene auf das Wasser setzte, existiert noch: Es ist das Gasthaus "Zum Grünen Ast", heute an einem Nebenarm der Moldau in Budweis.
Die schwerste Niederlage
Als Bauunternehmer errichtete er in Rekordzeit von nur einem Jahr eine moderne Kettenbrücke über die Moldau (einen Zwilling kann man nahe Tabor besichtigen) und den Hiberner Bahnhof in der Hauptstadt (später "Masarykbahnhof"). Bald engagierte er sich im Kohlebergbau und in der Eisenindustrie. Die Bahntrassen sollten die Rohstofflager verbinden. In Kladno wurde mit Partnern die "Adalbert-Hütte" gebaut. Sein eigenes Tempo holte ihn allerdings ein. Denn die Eisenproduktion seines Hochofens war technologisch noch nicht ausgereift. Das brachte ihm finanziell, vor allem aber prestigemäßig als Selfmademan die schwerste Niederlage seiner Karriere ein. Der "vielseitig elastische Mann", wie ihn ein früher Biograf nannte, der mit sozialem Gespür die Industrialisierung Böhmens vorantrieb, starb an Herzversagen im Jänner 1866.
Wer heute nach Adalbert I. sucht oder nach seinen Projekten, findet neben der Kettenbrücke und dem Geburtshaus in Budweis den Masarykbahnhof in Prag, große Teile der Uferverbauung in der tschechischen Hauptstadt, sein einstiges Stadtpalais und die nach der Wende wieder aufgestellte Bronzestatue im Stadtpark von Budweis, mit der er bereits 1879 geehrt wurde.
Adalbert Lanna II. (1836-1909) war stolz auf das späte Adelsprädikat, das seinem Vater zuerkannt wurde, er gehörte von Jugend an zu jenem Großbürgertum der Monarchie, das sich als Elite ausweisen wollte. Als privater Bauherr errichtete Adalbert II. kurz hintereinander und zeitgerecht vor dem großen Börsenkrach 1873 zwei Villen, die standesgemäße Repräsentation ermöglichten und, wie es Jan Bazant von der Prager Karls-Universität beschrieben hat, viel über die soziale und politische Lage verrieten.
Lanna ließ sich in Dresden von der Neorenaissance Gottfried Sempers inspirieren und setzte dessen konservative Architektur als Erster in den böhmischen Ländern in die Praxis um, im damaligen Vorort Prag-Bubenec. Lanna war ein Landespatriot alten Stils mit Kontakten zur tschechischen wie zur deutschen Führungsschicht in Böhmen in Zeiten immer aggressiverer nationalistischer Strömungen.
"Traunsee-Salon" in Prag
Er förderte als Mäzen im großen Stil heimisches Kunstgewerbe, wurde zum Mitbegründer des Kunstgewerbemuseums in Prag. Die Antike, deren Mythologie er von Meistern des Historismus an die Wände seiner Häuser zaubern ließ, wurde für ihn zum wichtigen neutralen Boden, übernational und damit vereinbar für die gesellschaftlichen Anlässe des Geschäftsmannes, der die Polarität zwischen Tschechen und Deutschen zu überwinden trachtete. Und der in seiner Prager Villa mit dem "Traunsee-Salon" den Ursprung seiner Familie und das Salzkammergut würdigte. Zeitnah, im Dezember 1870, kaufte Adalbert Lanna II. dann eine Liegenschaft in Gmunden und ließ auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel seine zweite Residenz errichten, umgeben von französischem Gartenparterre und englischem Landschaftsgarten.
Er lebte gewissermaßen zwischen den nationalen Welten, deren Konflikte sich im ausgehenden 19. Jahrhundert immer bedrohlicher abzeichneten. Er umspannte in seiner Persönlichkeit und mit seinem Kosmopolitismus, der sich vor allem in seiner großen Sammelleidenschaft und im Mäzenatentum ausdrückte, noch die Fliehkräfte, die die Donaumonarchie zerreißen sollten. Ein Bildungsbürger, der um die Spannungen wusste und sie auch zu spüren bekam.
Als er die Widmung seiner Glassammlung an das neugegründete Prager Kunstgewerbemuseum im Jahr 1906 nicht gewürdigt fand und glaubte, dass auch in seiner Familie, unter seinen Kindern, niemand Interesse an seinen kulturellen Ambitionen habe, entschloss er sich, den großen restlichen Anteil in zwei internationalen Auktionen versteigern zu lassen.
Das Refugium in Gmunden
In der Villa in Gmunden, in der heute seine Nachfahren leben, die Familie Trauttenberg, hatte sich Lanna ein Refugium geschaffen; für sich und seine Frau Franziska, der der Maler Heinrich Gärtner hier ihre italienischen Sehnsuchtslandschaften gestaltete. Sie begeisterte sich aber auch an der Jagd. Deshalb besaß die Familie mit anderen böhmischen Industriellen ein Jagdrevier im Almtal.
Geplant wurde die Gmundner Villa vom Ringstraßen-Architekten Gustav Gugitz, die Anlage ist ein Gesamtkunstwerk des 19. Jahrhunderts, das in seltener Authentizität die Zeit überstanden hat. Adalbert Lanna II. starb 1909 in Meran.
Sein Sohn, Adalbert Lanna III., wählte zunächst die Beamtenlaufbahn. Nach dem Wunsch seines Vaters hätte er die Unternehmerdynastie fortsetzen sollen. Er versuchte das auch, der Erste Weltkrieg riss ihm aber das Steuer aus der Hand. 1920 verkaufte er den Konzern und siedelt sich schließlich in München an, wo er früh, 1922, an Tuberkulose starb. Seine Witwe zog, noch ausgestattet mit einem feudalen Vermögen, an die französische Riviera, endete aber in einem Genfer Armenhospital.
Nach 1989 erst begann man in Tschechien, unterstützt nicht zuletzt durch Hubertus Trauttenberg, die Spuren der Familie wiederzuentdecken, eine Dissertation von Katerina Zahrnhofer sammelte wichtige Quellen und Zeugnisse. Im Rahmen der ORF-Dokumentation konnte auch das Mausoleum der Lannas, das größte Bauwerk auf dem Friedhof von Prag-Olsany, besichtigt werden. Derzeit wird es von der Stadt Prag und Sponsoren aus der tschechischen Bauindustrie saniert. Es zeigt den Anspruch und das Selbstverständnis des humanistisch gebildeten Großindustriellen. Und es dokumentiert auch die dramatischen Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts, in denen die Erinnerung an die Lannas nahezu verlorengegangen war.
TV-Tipp: Österreich-Bild ,,Der verlorene Ruhm – Adalbert Lanna" am Sonntag, 27.Oktober, 18.25 Uhr, in ORF 2; Gestaltung: Johannes Jetschgo
Lanners Nachfahren (einst niedester Adel - Baron) Trauttenberg litten offenbar ständig unter Geldnot, verkauften Grundstücke -> daher entstand schon schäbige Dörferlstruktur in Gmunden auf Lannergrundstücken & von einstigen Lanneranwesen blieb karges Areal inkl Haus. Kein Wunder, dass Trauttenbergs trotz (mittelalterlicher) Heizung winters mit Mäntel ihren Alltag bewältigen müssen -> Fernsehen, Essen.
Gmunden eben, stillos & abgesandelt.
Renoviert durch Steuergeld ( lt Artikel letztes Jahr, da Kulisse für Pseudofilm), aber Privatbesitz? Ist das in diesen Kreisen üblich? Auch heute noch?
Tinto aka Garfield und FakeNewsLeser und Verbreiter, da haben sich zwei gefunden! Süß!
Netter Artikel.
Vierhöf ist heute ein Stadtteil von Böhmisch Budweis, dort stehen die großen Studentenheime. Čtyři Dvory jsou část Českých Budějovic (= "Vierhöf ist [ein] Teil von B. Budweis").