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Ein würdiger Ort der letzten Dinge

Von Georg Wilbertz, 21. Dezember 2019, 00:04 Uhr
Ein würdiger Ort der letzten Dinge
Gesamtansicht der terrassenförmigen Friedhofserweiterung Bild: Walter Ebenhofer

In Rainbach im Innkreis wurde für die besondere Bauaufgabe Friedhof eine ambitionierte und individuelle Lösung gefunden.

Landläufig scheint es, dass Tod und Sterben immer stärker aus unserem persönlichen und öffentlichen Alltag verdrängt werden. Der Tod führt häufig eine tabuisierte Randexistenz. Umso erstaunlicher ist es, dass die kleine Gemeinde Rainbach im Innkreis (1485 Einwohner) mit einer ambitionierten Friedhofsarchitektur das Thema auf markante Weise wieder in den Ort zurückgeholt hat.

Die vom Welser Büro Luger und Maul gestaltete, komplexe Architekturtopographie des Projekts stellt nicht nur eine schlichte Erweiterung des bereits um die Kirche bestehenden Friedhofs dar.

Ortszentrum neu definiert

Sie definiert zugleich architektonisch und städtebaulich das Ortszentrum neu. Darüber hinaus verbindet sich die baulich geschaffene Topographie der neuen Friedhofsarchitektur mit der sanft hügeligen Landschaft, die Rainbach umgibt.

Ein würdiger Ort der letzten Dinge
Blick in die Aufbahrungshalle Bild: Walter Ebenhofer

Vom Material her besteht allerdings ein bewusst inszenierter Kontrast zu den benachbarten Gebäuden. Der aufwendig hergestellte, fein strukturierte Sichtbeton der neuen Anlage stieß deshalb zunächst auf Kritik innerhalb der Dorfgemeinschaft. Zwei Dinge förderten jedoch die heute vorherrschende Akzeptanz für die Architektur. Zum einen wurde die Ausführung ansässigen Bauhandwerkern überlassen. Für Maximilian Luger ist die intensive Zusammenarbeit mit lokalen Handwerkern und Firmen einer der wesentlichen Schlüssel zum Erfolg eines Bauprojekts. Folgerichtig wurden die Mühe und Sorgfalt der Handwerker bei der Errichtung von den Rainbachern wohlwollend registriert. Zum anderen verdeutlicht das Ergebnis, dass der bewegte, dynamische Charakter der Architektur mit einem anderen Material nicht zu realisieren gewesen wäre.

Hinzu tritt ein weiteres Argument: Der handwerklich perfekt verarbeitete Beton steht für Dauerhaftigkeit und Solidität. Eigenschaften, die nicht nur bei den Menschen der Gemeinde Rainbach geschätzt werden. Sie passen außerdem ideal zur Bauaufgabe. Und so changiert die Wirkung des Bauwerks spannungsreich zwischen selbstbewusster Eigenständigkeit und sensibler Einpassung in den Ort.

Die Architektur selbst wurde in eine bestehende Hanglage gebaut. Rampen und Treppen erschließen das von abgeschrägten Stützmauern gegliederte Terrain. Diese bewegte Architektur findet ihren Abschluss in der bekrönenden Aufbahrungshalle. Sie ist im Äußeren bewusst als einfacher Kubus gestaltet und bildet damit den architektonischen Ruhepol der Gesamtanlage. Auch sie ist in Sichtbeton errichtet und nahtlos mit den darunterliegenden Ebenen verbunden.

Aufbahrungshalle und Urnenhain bilden eine organische Einheit. Eigenständig und markant ist dagegen das große, kräftige Flachdach der Vorhalle gestaltet. Es ist quadratisch und ruht auf vier schlanken Rundstützen. Mit seiner einfachen, klaren Architektursprache erinnert es nicht nur an Prinzipien der Moderne. Auch die symbolische Reminiszenz an eine Tempelarchitektur ist nicht zufällig. Das Vordach setzt innerhalb des Ortsbilds einen starken Akzent. Zugleich tritt es mit der umgebenden Bebauung und vor allem der Pfarrkirche in einen spannenden, den Platz belebenden Dialog.

Eine völlig andere architektonische Atmosphäre als bisher beschrieben zeigt sich mit dem Eintritt in den Innenraum der Aufbahrungshalle. Helles Holz umfängt mit seiner warmen Anmutung die Besucher. Der Raum ist schlicht. Eine runde Lichtöffnung in der Decke erinnert an Kultbauten und verleiht dem Raum eine würdige, fast sakrale Lichtwirkung. Zur schlüssigen Gesamtwirkung nicht nur dieses Raums tragen die mit großer Sorgfalt gestalteten und hergestellten baulichen Details bei. Es zeigt sich, wie so häufig, dass die angemessene Gestaltung der Einzelformen maßgeblich zur Wirkung und Aura des Gesamten beiträgt.

Erstaunliche Symbiose

Entstanden ist in Rainbach eine zeitgemäße, Moden vermeidende Friedhofsarchitektur. Sie spannt zwischen einer kleinen Kapelle im Westen des Areals und der Pfarrkirche im Osten einen archaisch anmutenden "heiligen" Hain auf.

Zwei widersprüchlich scheinende Funktionen finden zu einer erstaunlichen Symbiose: eine würdige Architektur für die Toten und Trauernden verbindet sich neugestaltend mit dem lebendigen Ortskern. Dem Mut zur Realisierung einer kraftvollen Architektur, die eine auratische Wirkung entfaltet, gebührt Anerkennung.

Daten

Projekt: Aufbahrungshalle und Friedhofserweiterung Rainbach im Innkreis
Planung: Architekten Luger und Maul, Wels
Bauherr: Gemeinde Rainbach im Innkreis
Wettbewerb: 2009
Planungsphase: 2016 bis 2018
Fertigstellung: Mai 2018
Bauweise: Massivbeton, Dach in Leimholzbauweise

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Autor
Georg Wilbertz
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