Zwölf Tote nach Schießerei in Redaktion von Pariser Satiremagazin
PARIS. Bei einer Schießerei in der Redaktion des französischen Satiremagazins "Charlie Hebdo" sind am Mittwoch zwölf Personen getötet und elf verletzt worden. Am Abend hat die Polizei die Attentäter offenbar identifiziert.
Unter den zwölf Toten des Anschlags sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft acht Journalisten und zwei Polizisten. Auch ein Gast und ein Mitarbeiter am Empfang seien erschossen worden, sagte Staatsanwalt Francois Molins am Mittwochabend in Paris. Elf Menschen wurden demnach verletzt, vier mehr als zunächst vermutet. Von ihnen seien vier schwer verletzt. Nach den Tätern wird intensiv gefahndet.
Am Abend hat die Polizei die drei mutmaßlichen Attentäter offenbar identifiziert. Das berichtete am Mittwochabend die Zeitung "Le Monde" unter Berufung auf Ermittler.
Schwarz vermummte Attentäter
Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft waren drei Angreifer am Mittwoch gegen 11.30 Uhr vor dem Sitz von "Charlie Hebdo" im elften Arrondissement im Zentrum von Paris vorgefahren. Sie seien schwarz gekleidet, vermummt und mit Kalaschnikows bewaffnet gewesen. Zunächst hätten sie am Empfang von "Charlie Hebdo" das Feuer eröffnet, dann seien sie in den zweiten Stock gegangen, wo ein Redaktionskonferenz stattfand. Dort hätten sie zehn Menschen erschossen - acht Journalisten, einen Gast sowie einen Polizisten, der zur Bewachung von "Charlie Hebdo"-Chef Charb abgestellt war.
v.l.: Karikaturist Bernard Verlhac aka Tignous, Chefredakteur 'Charlie Hebdo', Charb, Cartoonist Georges Wolinski und Zeichner Cabu.
Neben Charb wurden auch die Zeichner Wolinski, Cabu und Tignous getötet. Dem Staatsanwalt zufolge sagten Zeugen, die Täter hätten "Allah Akbar" (Gott ist groß) gerufen und dass sie den Propheten rächen wollten. Die Satire-Zeitung hat sich über Jahre mit Mohammed-Karikaturen den Zorn von Islamisten zugezogen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft flüchteten die Täter dann in ihrem Auto. Es kam zu zwei Schusswechseln mit Polizeipatrouillen, bei denen zunächst niemand verletzt wurde. Dann sei ein Stück weiter ein Polizist verletzt worden, den die Angreifer am Boden liegend erschossen hätten, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit. Auf ihrer Flucht Richtung Norden hätten sie ein Auto gerammt und die Fahrerin verletzt. Dann hätten sie das Fahrzeug eines anderen Autofahrers übernommen.
Die Polizei fahndet nun unter Hochdruck nach den Tätern. Ein Zeugenaufruf wurde an die Bevölkerung herausgegeben. Für Paris wurde zudem die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen.
Hollande rief nationalen Trauertag aus
Frankreichs Präsident Francois Hollande hat für Donnerstag einen nationalen Trauertag ausgerufen. Die Landesflaggen sollten für drei Tage auf Halbmast gesetzt werden, sagte Hollande am Mittwochabend in einer Fernsehansprache. Er rief seine Landsleute auf, sich durch das Attentat mit zwölf Toten nicht spalten zu lassen: "Unsere beste Waffe ist unsere Einheit", sagte der Präsident.
Gedenken an die Opfer
Mehr als 100.000 Menschen haben am Abend in ganz Frankreich bei Trauerkundgebungen der zwölf Todesopfer des Anschlags auf die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" in Paris gedacht. In der Hauptstadt versammelten sich auf dem Platz der Republik mehr als 35.000 Menschen, wie die Polizei mitteilte. In vielen anderen Großstädten gingen ebenfalls tausende Demonstranten auf die Straße. In Paris hielten viele von ihnen Schilder hoch mit der Aufschrift "Ich bin Charlie", andere hatten Kerzen mitgebracht. In Lyon kamen laut Polizei bis zu 15.000 Menschen zusammen, ebenso im südfranzösischen Toulouse. In beiden Städten riefen Menschen "Charlie", in Toulouse wurden Stifte als Zeichen für die Meinungs- und Pressefreiheit hochgehalten. In Marseille im Süden Frankreichs gingen etwa 7000 Demonstranten auf die Straße. Im westfranzösischen Nantes versammelten sich etwa 5000 Menschen, darunter Ex-Premierminister Jean-Marc Ayrault.
Was bekannt ist und was nicht
Was ist bekannt?
- Bei dem Anschlag wurden zwölf Menschen getötet. Elf weitere Opfer wurden verletzt, vier davon schwer.
- Die Täter riefen "Allah ist groß" und islamistische Parolen wie "Wir haben den Propheten gerächt".
- Die Angreifer entkamen in einem Kleinwagen, der sichergestellt wurde.
- Die französische Regierung hat die Sicherheitsstufe zur Abwehr von Terroranschlägen auf das höchste Niveau gehoben. Damit werden zum Beispiel an viele öffentlichen Einrichtungen die Eingänge kontrolliert.
- Frankreich kämpf international gegen den islamistischen Terrorismus.
Was ist nicht bekannt?
- Die Zahl der Täter ist unklar. Der Staatsanwalt spricht von "mindestens zwei" Tätern. Ein Augenzeuge habe drei Angreifer gesehen.
- Bisher gibt es keine Informationen, ob die schwer bewaffneten Täter auf eigene Faust gehandelt haben.
- Die Identität der Opfer ist noch nicht offiziell bestätigt. Nach Augenzeugenberichten sind vier Redaktionsmitglieder von "Charlie Hebdo" unter den Toten.
- Ungeklärt ist, ob der Zeitpunkt des Anschlags bewusst gewählt wurde. Das islamkritische Magazin war bereits mehrfach Opfer von Angriffen. In einem Fall wurden die Redaktionsräume verwüstet.
Zentrale von Medienkonzern in Madrid evakuiert
Nach der Attacke auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" in Paris ist die Zentrale des Medienkonzerns Prisa in Madrid nach Erhalt einer verdächtigen Sendung evakuiert worden. Dies sagte eine Sprecherin des Mutterkonzerns der renommierten Zeitung "El Pais" am Mittwoch. Mittlerweile hat das spanische Medienunternehmen Prisa Entwarnung gegeben. Ein verdächtiges Paket habe nichts gefährliches enthalten, teilte die Firma mit.
"Charlie Hebdo" hat in der Vergangenheit mehrfach mit provokanten Mohammed-Karikaturen für Schlagzeilen gesorgt. Unter anderem kürzlich mit diesem Bild, auf dem zu lesen ist: "Noch immer keine Attentate in Frankreich" - "Wünsche kann man bis Ende Jänner äußern."
Hollande verurteilte in einer ersten Reaktion den Anschlag und sprach von einem "terroristischem Akt und Anschlag auf die Freiheit", den "Barbaren" verübt hätten. Frankreich stehe unter Schock und sei nun gefordert zu zeigen, dass man "ein geeintes Land" sei, betonte der Präsident und verwies neuerlich auf die Freiheit als eines der wesentlichen Grundprinzipien Frankreichs: "Deshalb werden wir attakiert. Aber wir werden klar machen, dass man in unserem Land nicht gegen diese Prinzipien handelt."
"Anschläge in Österreich nicht ausschließen"
Das österreichische Innenministerium ist nach dem Anschlag in Kontakt mit den französischen Behörden. "Nirgendwo auf der Welt können derzeit Anschläge mit Sicherheit ausgeschlossen werden", betonte Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Mittwoch.
Mehrere europäische Länder überprüfen nun ihre Sicherheitsmaßnahmen. In Belgien und Italien beriefen die Regierungen am Mittwoch Krisensitzungen mit Terrorismusexperten ein.
Italien erhöhte die Zahl der Sicherheitskräfte vor gefährdeten Objekten wie Presseredaktionen, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Innenminister Angelino Alfano lud den Antiterror-Ausschuss zu einer Sitzung. Der belgische Premierminister Charles Michel berief eine Sitzung von Sicherheitsberatern und Ministeriumsexperten ein. In Brüssel hatte ein Islamist im vergangenen Jahr bei einem Anschlag auf das Jüdische Museum vier Menschen getötet.
Experte: Weitere Anschläge möglich
Die Urheber der Attacke auf die französische Satirezeitschrift könnten nach Einschätzung des Terrorexperten Claude Moniquet in den nächsten Stunden und Tagen weitere Anschläge verüben. "Wenn sie nicht gefasst oder getötet werden, werden sie wahrscheinlich weitere Ziele ins Visier nehmen", sagte Moniquet am Mittwoch.
Der Anschlag mit zwölf Toten sei von langer Hand geplant und professionell ausgeführt worden. Die Attentäter hätten "extrem kaltblütig" agiert. Das deute darauf hin, dass sie "unter Kriegsbedingungen" zum Waffengebrauch ausgebildet worden seien. "Es ist ein Unterschied, ob man die Waffe auf dem Schießstand benützt oder in einer äußerst stressigen Situation", erläuterte Moniquet. "Wahrscheinlich" habe es sich bei den Tätern um Syrien-Rückkehrer gehandelt.
Der Leiter der Brüsseler Denkfabrik ESISC (European Strategic Intelligence and Security Center) wies auch darauf hin, dass die Attentäter ihre Flucht vom Tatort sorgfältig vorbereitet hätten, etwa durch den Wechsel des Fluchtautos. Der Grund dafür sei nicht, dass sie - im Gegensatz zu Selbstmordattentätern - nicht für ihre Überzeugungen in den Tod gehen wollen.
Weiterhin kein primäres Angriffsziel für die Islamisten ist nach Einschätzung Moniquets Österreich. Im Fokus der Terroristen stünden mit den USA, Großbritannien oder Frankreich jene Länder, die sich am militärischen Kampf gegen die Islamisten beteiligen. Die Wahrscheinlichkeit von Anschlägen hänge aber nicht nur von der außenpolitischen Ausrichtung eines Landes ab, sondern auch davon, wie viele Extremisten dort ansässig sind, sowie der Möglichkeit, "ein gutes Angriffsziel zu finden".