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Die Frage nach der Zukunft

Von Superintendent Gerold Lehner, 17. Dezember 2016, 00:04 Uhr
Die Frage nach der Zukunft
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Von Superintendent Gerold Lehner.

Von Superintendent Gerold Lehner

Ich liebe die Bibel, denn sie ist voll von Geschichten. Eine dieser Geschichten geht in etwa so: Ein Unternehmer hat einen großen Besitz an Wald, Ackerland, Weinberge, den er erfolgreich bewirtschaftet. Eines Tages aber beschließt er außer Landes zu gehen und setzt Verwalter ein.

Am Anfang geht alles seinen geregelten Weg. Der Betrieb wird im Sinne des Besitzers weitergeführt. Aber der bleibt immer länger weg. Ein Jahr vergeht und dann noch eines, ohne dass man Nachricht hat von seinem Verbleib. Und die Verwalter gewöhnen sich daran, dass sie niemanden zu fragen haben. Immer mehr fühlen sie sich selber als die Herren und beginnen selbstherrlich zu agieren. Sie verfolgen ihre eigenen Interessen, sie rivalisieren miteinander, intrigieren gegeneinander. Jahr um Jahr geht ins Land, und der Besitzer wird zu einer nebelhaften Gestalt, einem Gerücht. Kinder werden geboren, die ihn nicht mehr kennen. Alte, die ihn noch gekannt haben, sterben. Aber dann, nach langer Zeit geschieht das Unerwartete: Der Besitzer kehrt zurück.

Mit diesem Gleichnis Jesu sind wir mitten im Thema der Erwartung. Nicht zu Unrecht hat man unsere Zeit als eine charakterisiert, die permanent nach der Zukunft fragt. Diese Frage zeugt auch von einer großen Unruhe. Denn wir müssen ständig danach fragen, was uns erwartet, um uns in der Gegenwart darauf einzustellen, – damit wir eine Zukunft haben und nicht abgehängt werden und zurückbleiben. Die christliche Erwartungshaltung berührt diese Einstellung und unterscheidet sich doch markant von ihr. Sie unterscheidet sich darin, dass die Erwartung der Christen eine der Freude und der Hoffnung ist. Nicht Furcht und Angst kennzeichnen sie, sondern Zuversicht. Denn Christen erwarten nicht eine gesichtslose und unbestimmte Zukunft, sondern sie erwarten Christus. Man könnte diese Erwartung auf eine komprimierte Formel bringen: Am Anfang: Gott. Am Ende: Gott.

Die Erwartung der Christen ist nicht abstrakt und unbestimmt, sie trägt ein Gesicht, und sie ist Teil der großen Erzählung, an die wir glauben. Wir glauben, dass diese Welt und mit ihr wir selbst aus Gottes Händen hervorgegangen sind. Von ihm her kommt unsere Bestimmung und unsere Größe. Auf ihn bezogen ist unsere Verantwortung. Unser Menschsein ist ausgespannt zwischen Herkunft und Zukunft. Und hier berührt sich unsere Erwartung mit der allgegenwärtigen Frage nach der Zukunft. Denn auch wir glauben, dass die Zukunft die Gegenwart beeinflusst, ja mehr, dass die Zukunft das Leben der Gegenwart bestimmt.

Wir glauben, dass Gott am Ende richten wird: Deshalb suchen wir heute und hier, was gerecht ist. Wir glauben, dass Gott fragen wird nach unserer Barmherzigkeit, nach unserer Liebe. Und so bedingt die Erwartung der Zukunft, dass wir uns heute und hier prüfen, gerade in der Zeit des Advents: Leben wir noch in dieser Spur, oder haben wir das, was wichtig ist, übersehen und vernachlässigt? Weil wir immer wieder versagen, ist es notwendig, unser Leben immer aufs Neue entlang dieser Erwartung auszurichten. In diesem Sinne leben Christen zukunftsförmig. Denn sie glauben daran: Er kommt zurück.

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