"Mir ist spät der Knopf aufgegangen"
PISCHELSDORF. Motorsport: Lukas Wimmer (24) lebt in München, studiert derzeit Physik in Barcelona, holte in der englischen Thundersport GB den Titel und kommt trotzdem gerne "heim"
Das Wort "Überflieger" wurde für Typen wie Lukas Wimmer erfunden. Der 24-jährige Pischelsdorfer hat vor Kurzem seine Koffer gepackt – für den Weltenbummler eine seiner einfachsten Übungen – und ist nach Barcelona übersiedelt. Dort wird er sein Physik-Studium fortsetzen (Master), Spanisch lernen und nebenbei die sportlichen Weichen für die kommende Saison stellen. Die Ausgangslage für Letzteres ist gut. Immerhin holte der Innviertler heuer den Titel in der englischen Thundersport GB. In der Klasse "Supertwins", einer Mischung aus Moto 2 und 3, feierte Lukas Wimmer in 32 Rennen zwölf Siege, elf zweite und einen dritten Platz. Dank dieser Bilanz konnte ihm kein anderer den Titel streitig machen. Im Interview spricht der 24-Jährige über seine Anfänge, einen Streckenrekord, der nicht lange gehalten hat, und Grenzen, die ständig neu gesteckt werden.
Können Sie sich noch an den Augenblick erinnern, als Sie das erste Mal auf ein Motorrad gestiegen sind?
Lukas Wimmer: Das ist lange her. Ich war 13 Jahre alt. Mein Opa hat mir einen Helm und dann eine kleine Motocross-Maschine gekauft. Ich habe nicht lange überlegt, mich draufgesetzt und bin losgefahren. Zuerst nur auf den Feldern. Später habe ich dann – wieder vom Opa – ein Pocket Bike bekommen. Anschließend bin ich auf ein Mini-Bike umgestiegen. Damit bin ich 2007 zum ersten Mal in der Deutschen Meisterschaft in der Klasse bis 50ccm an den Start gegangen. Besonders gut war ich aber nicht. Nur einmal bin ich Dritter geworden.
Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert.
Zum Glück! 2009 bin ich für das Racing Team Germany gestartet und gleich Deutscher Meister geworden. Damals ist mir der Knopf aufgegangen. 2010 wurde ich in der 125er-Klasse Meister. Ein Jahr später bin ich in die IDM (Internationale Deutsche Motorradmeisterschaft, Anm. der Red.) eingestiegen. Seither ist es eigentlich immer bergauf gegangen.
Nach vielen Erfolgen davor haben Sie heuer den Titel in der Klasse Supertwins der Thundersport GB geholt und auch noch ihr Physik-Studium abgeschlossen. Sind sie ein Organisations-Genie?
Nicht wirklich. Ich versuche einfach, mein Leben dem Motorsport so gut wie möglich anzupassen. Deswegen habe ich – ehrlich gesagt – auch mit einem Studium angefangen. Ich wollte mir die Zeit frei einteilen können. Bis jetzt hat das ganz gut geklappt. Heuer bin ich von März bis Oktober jeden Monat nach England geflogen und habe dort an den Rennen teilgenommen.
Recht erfolgreich.
Dass es so gut läuft, hatte ich nicht erwartet. Es waren wirklich gute Leute dabei, die es mir nicht einfach gemacht haben. Außerdem musste ich zwei Rennen auslassen, weil ich Prüfungen hatte.
Und am Ende haben Sie trotzdem den Titel geholt. Hatten Sie wenigstens Zeit zum Feiern?
Dazu bin ich nicht gekommen. Ich wollte unbedingt mein Bachelor-Studium abschließen und bin dann nach Barcelona übersiedelt. Aber Weihnachten komme ich wieder nach Hause. Dann werde ich mit meiner Familie ein bisschen nachfeiern.
Was war Ihr persönliches Saison-Highlight?
Die Rennen in Cadwell Park. Ich war gespannt, weil es dort einen Sprung gibt. Das ist äußerst selten. Drei von acht Rennen habe ich gewonnen und dabei einen neuen Streckenrekord aufgestellt. Der hat aber nicht lange gehalten, weil mein Teamkollege kurz darauf noch einmal um zwei Zehntel schneller war. Trotzdem war es das beste Wochenende überhaupt. Cadwell Park ist seither meine absolute Lieblingsstrecke.
Sie schwärmen von Sprüngen und Streckenrekorden. Sind Sie ein Draufgänger?
Eigentlich nicht. Aber ich denke nicht viel nach, wenn ich auf dem Motorrad sitze. Ich probiere gerne Dinge aus und teste meine Grenzen. Deswegen bin ich auch schon oft gestürzt, war aber nie in schwere Unfälle verwickelt. Bei mir waren es bis jetzt eher Kleinigkeiten wie ein gebrochenes Schlüsselbein.
Welche Eigenschaften sollte ein Motorsportler mitbringen?
Selbstreflexion und Disziplin sind extrem wichtig. Eine Portion Talent schadet natürlich auch nicht.
England, Barcelona, München – Bleibt Ihnen da noch Zeit, um nach Hause zu kommen bzw. ist Pischelsdorf noch ihre Heimat?
Es ist auf jeden Fall meine Heimat. Da komme ich her. Aber leider schaffe ich es nicht öfter als fünf, sechs Mal im Jahr nach Hause zu fahren. Meistens nur zu Weihnachten, Ostern und bei Geburtstagen.
Haben Sie dennoch einen Lieblingsplatz im Innviertel?
Einen Lieblingsplatz nicht, aber eine fixe Anlaufstelle. Einer meiner besten Freunde wohnt noch hier. Ihn zu besuchen ist meine erste Station, wenn ich nach Pischelsdorf fahre.
Wer hat Ihnen am meisten beigebracht?
Ein Mechaniker, der mich viele Jahre lang begleitet hat. Er war ein extrem wichtiger Mensch für mich, der mir viel beigebracht hat. Mein ganzes Grundgerüst habe ich ihm zu verdanken. Er hat mir eingebläut, dass der Sport immer Spaß machen muss und man trotzdem nie die Schule vernachlässigen sollte. Leider ist er vor einigen Jahren an Krebs gestorben.
Wie geht es für Sie jetzt weiter?
Derzeit wird in Bezug auf die neue Saison verhandelt. Ich möchte dem Profisport einen Schritt näher kommen, weiß aber, dass das schwierig ist. Man muss den richtigen Zeitpunkt erwischen.