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Ehemaliger Klinikleiter verlegte sein Kummersofa nach Schalchen

Von Marina Huber, 13. Oktober 2011, 00:04 Uhr
Ehemaliger Klinikleiter verlegte sein Kummersofa nach Schalchen
Dr. Christian Spaemann in seiner neuen Praxis für Seelische Gesundheit in Schalchen Bild: mahu

SCHALCHEN. Primar Christian Spaemann hat seit 2003 die Klinik für Psychische Gesundheit im Krankenhaus Braunau aufgebaut. Nun eröffnete er in Schalchen eine Wahlordination. Über den Wechsel und darüber, warum heute viele mit leeren Batterien zu kämpfen haben, spricht er im Interview.

Warte: Herr Dr. Spaemann, Sie waren acht Jahre Leiter der Klinik für psychiatrische Gesundheit in Braunau. Nun haben Sie sich in Schalchen niedergelassen. Für manche ist dieser Schritt schwer verständlich. Wieso haben Sie das Krankenhaus verlassen?

Spaemann: Das Krankenhaus und ich haben uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt. Bei allen Schwierigkeiten die solch ein Aufbau mit sich gebracht hat, schaue ich doch mit Dankbarkeit zurück. Mit dem Engagement aller Mitarbeiter konnte diese Klinik ein einzigartiges therapeutisches Profil unter den Abteilungspsychiatrien in Österreich entwickeln. Besonders freut mich, dass in den vergangenen drei Jahren der Aufbau einer hochqualitativen, nachhaltig arbeitenden Drogenambulanz gelungen ist, sodass hier eine wichtige Versorgungslücke für schwer kranke Menschen geschlossen werden konnte.

Warte: War es die Krankenhausluft?

Spaemann: Die Niederlassung ist für mich ein schöner, neuer Lebensabschnitt. Nach den Jahren des Aufbaus der Klinik freue ich mich, nun Zeit für die Patienten zu haben und ihnen meine Erfahrung zukommen zu lassen.

Warte: Sie sagen, Sie sind kein Medikamenten-Psychiater.

Spaemann: Ich sage nur, Tabletten sind keineswegs immer notwendig. Aber dort, wo sie notwendig sind, sollte man sie auch einsetzen.

Warte: Was sind denn die Top 3 unter den psychischen Störungen hier bei uns im Innviertel?

Spaemann: Also die sind im Innviertel sicher nicht anders als sonst. Depressionen, Burnout, also dieses Ausgebrannt- sein und Alkohol. Viele kommen aus einem anderen Grund zu mir, aber dahinter steckt eigentlich ein Alkoholproblem. Ich habe auch sehr viele Menschen mit Angststörungen und starker Selbstunsicherheit. Denen kann man mit Psychotherapie wirklich gut helfen.

Warte: Burnout ist ein relativ junger Begriff. Heute ist er in aller Munde: Volkskrankheit oder bloß Modewort?

Spaemann: Beides. Immer mehr Menschen leiden unter dem Gefühl, mit leeren Batterien jenseits der eigenen Grenzen mehr gelebt zu werden als zu leben.

Warte: Was ist passiert? Unsere Eltern, Großeltern erlebten Kriege und uns wirft der Arbeitsalltag aus der Bahn. Sind wir nicht mehr so robust?

Spaemann: Dass viele junge Leute für den Arbeitsmarkt nicht mehr so robust sind, ist eine Beobachtung, die man immer wieder hört. Das mag eine Rolle spielen. Die Hauptfaktoren sehe ich aber in einer extremen Arbeitsverdichtung in fast allen Bereichen und in einem Versiegen vieler Quellen, die dem Menschen Kraft geben könnten, wie zum Beispiel Geselligkeit und Spiritualität. Bemerkenswert ist, dass wir so viel Coaching, Supervision und Mediation haben wie nie zuvor, zugleich aber das Mobbing eher zu- als abnimmt. Hinzu kommt noch der Faktor Sinn und Anerkennung. Eine Arbeit muss als sinnvoll erlebt werden und sie muss auch anerkannt sein. Wenn dies der Fall ist, kann der Mensch ungemein viel arbeiten.

Warte: Wie können Sie helfen?

Spaemann: Natürlich gibt es Umgebungsfaktoren in Arbeit und Familie, die schwer zu beeinflussen sind. Wichtig ist die Erkenntnis, dass Urlaub, Entspannungsübungen, Sport oder Kuraufenthalte beim Burnout nur dann von Nutzen sind, wenn der Betreffende selber bei sich anfängt, seine Denk- und Lebensweise in Frage zu stellen und beginnt, für sich selbst Sorge zu tragen und entsprechend dieser Sorge zu handeln. Hierbei kann man sehr wohl Hilfestellung geben.

Warte: Sie sagen, Spiritualität und Religion spielen eine wichtige Rolle in der seelischen Gesundheit.

Spaemann: Ich denke, dass die Fähigkeit, sich selbst in einem größeren Zusammenhang zu sehen, ja, Urvertrauen zu haben, dass das Leben einen Sinn hat, auch wenn man ihn nicht immer gleich erkennen kann, eine Quelle der Leidensfähigkeit und eine Quelle von Lebensfreude sein kann.

Warte: Sind Sie religiös?

Spaemann: Für mich persönlich ist der Glaube ein entscheidender Faktor.

Warte: Was mich schon immer interessiert: Nervt es nicht, sich ständig die Probleme anderer anhören zu müssen?

Spaemann: Das hängt ein bisschen von meiner Verfassung ab. Wenn es mir gelingt, selber aus positiven Quellen zu leben, höre ich gerne zu und es ist mein Lieblingsberuf. Wenn ich an meine Grenzen komme, kann der Beruf schon auch eine nervige Seite haben.

Warte: Sind Sie privat auch eher der Zuhörer?

Spaemann: Nein, ich liebe die Geselligkeit und rede dann auch gerne selber.

Warte: Bei den Braunauer Zeitgeschichte Tagen zum Thema ‘Schwieriges Erbe’ kam noch einmal der Jägerstätterpark zur Sprache. Was bedeutet Ihnen als Initiator Franz Jägerstätter im Allgemeinen und für Braunau im Speziellen?

Spaemann: Ich denke, dass die Hervorhebung Jägerstätters für Braunau ein Gewinn ist. Böse Menschen wecken in uns oft einen gewissen Voyeurismus. Bei näherem Hinsehen trifft man auf Langeweile und Banalität. Bei guten Menschen ist das genau umgekehrt. Ich meine, der selige Franz Jägerstätter steht für Freiheit gegen jede Form geistigen Zwangs. Er soll uns vor allem ein Vorbild für die Gegenwart sein. Wie gehen wir heute mit der Würde des Menschen um? Trauen wir uns, die heute heißen Themen anzusprechen?

 

• Telefon 0676/4545146, Internet www.spaemann.com.

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