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"Es wird mehr Geld für Reisen als Lebensmittel ausgegeben"

Von Marina Mayrböck, 04. Juli 2024, 00:04 Uhr

KIRCHBERG, GILGENBERG. Landwirtschaft habe immer eine Chance, sagt Paul Maislinger. Der 47-jährige Kirchberger ist seit wenigen Tagen Bezirksbauernbund-Obmann und seit gestern auch Obmann der Bezirksbauernkammer Braunau. Ein Wechsel nach mehr als zwei Jahrzehnten: Bundesrat Ferdinand Tiefnig war die vergangenen 23 Jahre an der Kammer-Spitze. Gemeinsam mit Leiter Josef Detzlhofer sprechen sie über Biodiversität versus Rasenroboter in Privatgärten, Schrei nach strengen Auflagen versus Griff zur Billigimportware und über "richtige" Bauern.

OÖN: Herr Tiefnig, Sie sind 2001 in einer schwierigen Zeit Obmann geworden. Wie war damals die Situation im Bezirk Braunau?

Ferdinand Tiefnig: Damals war die BSE-Krise in Großbritannien. Die hatte zur Folge, dass unsere Schüler nicht nach London durften. Viele Nicht-Landwirte haben sich darüber aufgeregt, weil ihre Kinder wegen der Bauern daheimbleiben mussten. Neben der Rinderseuche gab es dann noch den Medikamentenskandal in der Schweinemast, der auch den Bezirk Braunau betroffen hatte. Aus dem Skandal heraus ist der österreichweite Tiergesundheitsdienst entstanden, ich erinnere mich noch an die Endverhandlungsrunde, bei der ich dabei war.

Sie haben diese Zeit und auch die ersten EU-Jahre, in der viele Landwirte aufgegeben haben, als Anfang 20-Jähriger auf dem Hof Ihrer Eltern erlebt und sich offensichtlich nicht entmutigen lassen.

Paul Maislinger: Nein. Ich war nach der landwirtschaftlichen Ausbildung in Burgkirchen und nach dem Präsenzdienst schon voll im Betrieb daheim integriert. Mein Vater war berufstätig und somit habe ich relativ früh gemeinsam mit meiner Mutter den Hof führen dürfen. Es hat für mich aus Überzeugung nie eine andere Alternative zur Landwirtschaft gegeben. Es ist die Freude am Beruf, das selbstständige Arbeiten, denn trotz aller Auflagen bleibt immer noch etwas Spielraum.

Wie ist die Gemütslage grundsätzlich unter den Landwirten?

Tiefnig: Die Stimmung ist zurzeit – sagen wir – volatil. Die Lebensmittelkennzeichnung wird noch immer stark gefordert, die Produktpreise sind gerade schwierig. Wenn ich die Aktionen diverser Handelsketten sehe, die einen Liter Milch unter einem Euro verschleudern – das sind schon seltsame Situationen. Auch Klimaschutz: Wir machen Biodiversität. Schaut man sich die Privatgärten an, sieht man überall Rasenroboter, die keine Pflanze mehr stehen lassen.

Auch Ihr Amtsantritt fällt in eine turbulente Zeit: Klimaschutz, Vollspaltenböden, Renaturierung: Was hat jetzt oberste Priorität?

Maislinger: Das sind Themen, die uns alle betreffen. Meine Aufgabe wird sein, den Bezirk in den entsprechenden Gremien bestmöglich zu vertreten, damit wir so geringe Auswirkungen wie nötig und so wenig Bürokratie wie möglich haben. Als Obmann möchte ich auch versuchen, dass wir alle an einem Strang ziehen, auch wenn es unterschiedliche produzierende Sparten und politische Stimmungen gibt.

Die Landwirtschaft gibt es ja im Grunde nicht, das ist ja eine heterogene Gruppe mit teilweise komplett unterschiedlichen Ansichten. Ist es überhaupt möglich, alle Interessen zu vertreten?

Maislinger: Das stimmt und das wird auch nicht einfach werden.

Sind die Landwirte untereinander toleranter geworden?

Tiefnig: Ja und nein. Als wir 2007/2008 die Milchkühe aufgegeben haben, wurde mir das angekreidet und es hieß, ich sei kein richtiger Bauer mehr. Das hat sich schon verändert.

Hatte das damit zu tun, dass der Bezirk Braunau einer der rinderstärksten überhaupt ist?

Josef Detzlhofer: Ja. Wir haben mehr Rinder als ganz Vorarlberg. Wir haben zirka 77.000 Rinder, Vorarlberg etwa 65.000.

Vom Rind zum Schwein: Wie viele Schweinebauern sind vom Verbot der Vollspaltenböden betroffen?

Tiefnig: Zirka 80 bis 85 Prozent.

Was werden sie machen: investieren oder aufgeben?

Maislinger: Das können wir noch nicht sagen. Die Anzahl der Schweinebauberatungen gehen momentan gen null. Tiefnig: Wir haben Betriebe, die vor wenigen Jahren neue Ställe gebaut haben und die müssten jetzt wieder investieren. Das Problem allgemein ist, dass die Planungssicherheit fehlt.

Droht dasselbe Dilemma wie in der Putenzucht? Dort haben höhere Standards dazu geführt, dass weniger Fleisch produziert und Billigware importiert wird.

Maislinger: Ja, genauso wie in Schweden, Dänemark und der Schweiz. Schweden hatte in der Schweinemast einen Selbstversorgungsgrad von 100 Prozent und ist auf 60 Prozent heruntergefallen. Wir erschweren die Produktion, nehmen dadurch Betriebe aus der Produktion heraus und als Folge wird Billigstes importiert, das wir in Österreich nicht haben wollen und erlauben. Aber gekauft wird es trotzdem. Tiefnig: Die Lebensmittel, die wir importieren, fehlen in anderen Ländern. Das ist genau das Gegenteil, was man erreichen will. Maislinger: Wir sind nicht gegen die Auflagen. 85 Prozent der oberösterreichischen Betriebe nehmen am Programm "Umweltgerechte Landwirtschaft" teil. Den Bauern sind die Umwelt und das Tierwohl ja nicht egal. Die wollen Tiere, die sich wohlfühlen. Wir haben schon höchste Standards und jetzt kommen weitere dazu. Auch die Datensammelwut macht den Bauern Sorgen.

Die Konsumenten fordern und greifen dann doch zur Billigware aus dem Ausland, wird beklagt. Zu Recht?

Maislinger: Man muss schon offen und ehrlich sagen, dass früher ein weit größerer Anteil des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben wurde. Detzlhofer: Die Österreicher geben mittlerweile mehr Geld für Reisen und Freizeit als für Lebensmittel aus. Der Prozentsatz war zuletzt bei zwölf Prozent, da sind aber alkoholfreie Getränke auch schon dabei. Es ist nicht hip, sich gesund und regional zu ernähren.

Eigentlich schon.

Detzlhofer: Ja, aber nur bei den Besserverdienern, die es sich leisten können, gut zu reisen und gut zu leben. Die meisten anderen sparen bei Lebensmitteln, denn Statussymbole wie Reisen und Auto sind wichtig. Dass ich heute eine österreichische Milch gekauft habe, lässt sich nicht so gut wie ein Urlaubsfoto auf Social Media posten. Man hat die Leute dahingehend erzogen, dass die Lebensmittel billig sein müssen. Auch der Handel suggeriert genau das mit seinen Lockangeboten.

Sie sind Obmann der Bezirksbauernkammer und Bezirksbauernbund-Obmann. Was ist Ihr Motor für dieses Engagement?

Maislinger: Landwirte sind eine klasse eigene Gesellschaft. Es ist schade um jeden Betrieb. Ich werde es nicht verhindern können, zumal auch die Wirtschaft im Bezirk Braunau extrem stark ist und viele Arbeitsplätze anbietet. Aber ich persönlich bedauere es sehr, wenn ein Landwirt seinen Betrieb aufgibt.

Sie sagten einmal, Landwirtschaft habe immer eine Chance. Sehen das die Jungen auch so? Als Obmann des Absolventenvereins Burgkirchen haben Sie sicher Einblicke.

Maislinger: Die Jungen haben einen ordentlichen Schwung und vor allem eine gute Ausbildung, das ist ein wichtiger Punkt. Ob Pflanzenbau oder Tierhaltung: Du musst dich ständig weiterbilden, um gut wirtschaften zu können. Manchmal produzieren zwei Betriebe dasselbe, bei dem einen bleibt etwas, der andere macht ein Defizit. Also Bildung ist sehr wichtig.

Herr Tiefnig, fällt Ihnen der Abschied nach 23 Jahren schwer?

Tiefnig: Nein, ich freue mich, dass es so gut weitergeht. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt und Freundschaften geschlossen. Dafür möchte ich mich bei allen bedanken.

Autorin
Marina Mayrböck
Redaktion Innviertel
Marina Mayrböck
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