Flugtraining zum Arterhalt: Begleitete Waldrappe haben Andalusien erreicht
TACHING AM SEE. Gefährdete Art trainiert vom Grenzgebiet aus ihren Zugvogelflug
Ein Ultraleichtfluggerät war gemeinsam mit 36 jungen Waldrappen – einer vom Aussterben bedrohten Vogelart – von einem Trainingscamp im grenznahen bayerischen Taching am See gestartet: 52 Tage später wurde das Ziel Andalusien in Spanien erreicht. Mit Hilfe des Ultraleichtfluggerätes wurden die Vögel über 2600 Kilometer quer durch Süddeutschland, Frankreich und Spanien geleitet, um sie in Andalusien auszuwildern.
Noch nie seien Menschen mit einer so großen Anzahl an Jungvögeln und über eine so lange Strecke geflogen, so das "Waldrappteam", das aus 17 engagierten Personen aus Österreich, Deutschland und den USA besteht. Diese einzigartige Reise setze neue Maßstäbe im Artenschutz und demonstriere die Machbarkeit der Wiederansiedlung von Zugvögeln.
Experten versuchen, den vom Aussterben bedrohten Waldrappen ihren alljährlichen Zugvogelflug in den Süden beizubringen, denn Waldrappe geben dieses Verhalten von Generation zu Generation weiter. Trainiert wurde in der Vergangenheit auch über dem Innviertel. Noch niemals zuvor seien so viele Vögel einem Fluggerät gefolgt. Möglich sei das durch die Prägung der Küken auf die beiden menschlichen Ziehmütter und ein aufwendiges Training über den gesamten Sommer im Camp in Taching am See, so die Experten des Waldrappteams.
Entlang der Flugroute nach Andalusien sei das Team mit einer Vielzahl an Windsystemen konfrontiert gewesen, vom Mistral im Rhonetal über die langanhaltenden Winde im spanischen Hochland bis hin zu Levante und Poniente in Andalusien.
Die Kooperation mit professionellen Meteorologen der Austro Control half dabei, so Johannes Fritz, Pilot und Manager des Projekts. "Die völlige Abhängigkeit vom Wetter und dem Verhalten der Vögel hat die Geduld und Motivation von uns allen immer wieder sehr belastet. Die präzisen Wettervorhersagen haben eine optimale Planung der Flüge ermöglicht."
Dennoch mussten mehrere Tagesetappen per Auto zurückgelegt werden. Aufgrund der Erfahrungen mit ähnlichen Problemen während früherer Migrationen geht das Team aber davon aus, dass die 36 Jungvögel trotz fehlender Flugerfahrung den Weg zurück in ihr Brutgebiet finden. "Ich bin immer wieder von der Komplexität des Verhaltens dieser Zugvögel fasziniert. Auch nach 20 Jahren Forschung lassen sich viele ihrer Verhaltensweisen noch kaum interpretieren", sagt Fritz. Das Flugziel Andalusien führe zu einer Fusion mit einer dort angesiedelten Population. Miguel Angel Quevedo vom dortigen Projekt: "Die Fusion der beiden Populationen bietet weitreichende Möglichkeiten, um den Waldrappen in Europa langfristig das Überleben zu sichern." Gemeinsame Zielsetzung ist die Gründung einer europäischen Waldrapp-Population. Sie seien überzeugt, dass die menschengeführte Migration künftig auch das Überleben anderer bedrohter Zugvogelarten sichern könne, indem Zugrouten geändert und neue Populationen aufgebaut würden, so die Experten. Beim jüngsten Flug waren die Vögel mit GPS-Trackern ausgestattet.