Spione und Schatzsucher: Als der Krieg im Salzkammergut endete
SALZKAMMERGUT. Mythos Alpenfestung: Vor 70 Jahren war das Salzkammergut der letzte Fluchtpunkt für hochrangige Naziverbrecher – aber auch ein Tummelplatz schillernder Persönlichkeiten.
Am 9. April 1945 sprang Albrecht Gaiswinkler über dem Feuerkogel aus einem britischen Bomber. Der Ausseer Kommunist war 1944 in Frankreich zu den Engländern übergelaufen und einer von vielen Agenten, die von den Alliierten in der Alpenfestung abgesetzt wurden. Sie sollten die Nazis in ihrem letzten Rückzugsgebiet von innen bekämpfen.
Doch Widerstand gab es im Salzkammergut längst. Hier hatte sich um den Bad Ischler Sepp Plieseis eine Gruppe von Partisanen und Wehrdienstverweigerern gebildet, die sich im Toten Gebirge verschanzte.
Und auch die Gegenseite war im südlichen Salzkammergut stark vertreten: Nach dem Selbstmord Hitlers war das Ausseerland zum letzten Fluchtpunkt schwer belasteter Nazis geworden. Adolf Eichmann, verantwortlich für die millionenfache Deportation von Juden, tauchte hier ebenso unter wie Ernst Kaltenbrunner, Leiter des Reichshauptsicherheitsamtes. Einige von ihnen hofften, sich mit den Westalliierten gegen die Sowjets verbünden und damit ihre Haut retten zu können.
Doppelagent und Schuldirektor
Unter ihnen auch der aus Wien stammende SS-Offizier Wilhelm Höttl, der Adjutant Kaltenbrunners. Höttl hatte bereits zu westlichen Geheimdiensten Kontakt aufgenommen, war jedoch abgeblitzt. Am 12. Mai wurde er auf einer Ausseer Alm verhaftet, diente sich aber weiter den alliierten Geheimdiensten an und sagte in Nürnberg gegen Kaltenbrunner aus, bevor er als Romanautor Geschichtsklitterung in eigener Sache betrieb und in Bad Aussee zu einer einflussreichen Person aufstieg. "Es gibt in Europa kaum eine Nachrichtenorganisation, zu der dieser Mann nicht Kontakt hätte", schrieb der "Spiegel" 1953. Höttl selbst hatte zu diesem Zeitpunkt in Bad Aussee bereits ein Privatgymnasium gegründet, das Kindern mit Schulschwierigkeiten und betuchten Eltern (unter ihnen Jochen Rindt und André Heller) zur Matura verhalf. 1995 verlieh ihm VP-Landeshauptmann Josef Krainer trotz heftiger Proteste der "Lagergemeinschaft Mauthausen" das Goldene Verdienstkreuz des Landes Steiermark.
Aber auch auf Seiten der Widerstandskämpfer nahm man es nach dem Krieg mit der Wahrheit nicht immer genau. Albrecht Gaiswinkler hatte über dem Feuerkogel den Sprung seines Lebens gemacht, wurde danach aber zu einer umstrittenen Figur im Ausseerland. Der Sohn eines Salinenarbeiters schwang sich in den letzten Kriegstagen zum Anführer des Widerstands in seiner Heimat auf – wobei das Verhältnis zur Ischler Gruppe um Sepp Plieseis alles andere als reibungsfrei war.
Sprung in den Nationalrat
Im Unterschied zu Plieseis verstand es Gaiswinkler jedoch, aus seiner Partisanenrolle nach dem Krieg Kapital zu schlagen. Die Amerikaner setzten ihn kurz als Bezirkshauptmann ein, die SPÖ schickte den Marxisten 1945 in den Nationalrat. 1947 veröffentlichte er das Buch "Sprung in die Freiheit", in dem er die turbulenten letzten Kriegstage und seine Rolle dabei schilderte. Bald stellte sich jedoch heraus, dass er es mit der Wahrheit nicht besonders genau nahm. Seine Behauptung, er sei maßgeblich an der Rettung der Kunstschätze in den Altausseer Salzstollen beteiligt gewesen, wurde von den tatsächlich Beteiligten heftig bestritten. 1949 wurde Gaiswinkler aus der SPÖ ausgeschlossen, er wurde vom Star zum Außenseiter. Inzwischen weiß man, dass "Sprung in die Freiheit" nicht von ihm selbst, sondern von einem Journalisten namens Rudolf Daumann geschrieben wurde.
Viele Rätsel der letzten Kriegstage sind bis heute nicht gelöst. Nicht nur auf dem Grund des Toplitzsees und auf der Blaa-Alm, wo Eichmann im Mai 1945 Gerüchten zufolge 22 Kisten Gold vergraben haben soll. Dubiose Leichenfunde am Fuß des Toten Gebirges in den Monaten nach Kriegsende lassen bis heute Raum für wilde Spekulationen.
Ab 1. Mai ist im Bad Ausseer Kammerhofmuseum eine Ausstellung über "Das Kriegsende im Salzkammergut" zu sehen.
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