Wie man mit einem Barsch verreist
Ich habe Erich Möchel getroffen, Erich ist vielleicht die berühmteste Persönlichkeit aus Wels, noch vor Peter Hörmanseder von Maschek und Götz Spielmann, dem Regisseur.
Erich wohnt am Rande des Bezirks Vogelweide, einer Plattenbau-Gegend, die so trostlos wie Eisenhüttenstadt in der DDR von 1957 aussieht. Er wohnt dort mit seiner sehr lieben, hunderteinjährigen Mutter und einer rumänischen Betreuerin aus Sibiu, der Stadt von Herta Müller, der Literaturnobelpreisträgerin, Namenspatronin des lokalen Fußballvereins "Hertha Wels", der irgendwo in der Regionalliga Ost am unteren Tabellenrand grundelt, wie der der Stadt namensgebende Schlammfisch, der kommt auch nie nach oben, nie ans Licht, der Schlamm ist sein geistiges Biotop. Auch Peter Maffay ist aus Sibiu, ich vergöttere ihn und singe Erichs Mutter "Du hattest keine Tränen mehr" vor, sie lächelte, sie hat das Licht am Ende des Schlamms gesehen.
Verschollen in der Anstalt
Ich kenne Erich seit 40 Jahren, wir haben gemeinsam ein Buch, nun ja, geschrieben, oder sagen wir, gemeinsam konzipiert. Erich hat geschrieben, ich habe Input geliefert und illustriert, das Buch heißt "Verschollen in der Anstalt" und kam beim Verlag Deuticke heraus, der Titel ist eine Paraphrase auf Kafkas "Das Schloss", umgelegt auf die undurchsichtigen Zustände beim ORF. Das Buch ist, gelinde gesagt, seltsam, aber das war und ist Kafka ja auch. Wir trafen uns jeden Freitag und haben Ideen und Stoßrichtungen geplant in einem Lokal in Wien namens "Darkstar" (finsterer Stern), in dem das Klo zum Schreien schmutzig war, das gehörte einfach dazu, konnte man nicht ändern, einen Wels kann man auch nicht zwingen, in der Badewanne zu schwimmen.
Zu der Zeit war Erich, immer wenn Anthony Burgess in Wien war, der Chauffeur des Autors von "Clockwork Orange", weil Burgess seine deutschsprachigen Bücher bei Deuticke veröffentlichte. Erich musste ihn zum Friedhof der Namenlosen, zum Freudmuseum, in die Kapuzinergruft und an ähnlich moribunde Orte fahren, einmal waren Erich, Anthony und ich auch fischen. Ich hatte eine improvisierte Angel aus Finnland, wo ich damals lebte, mitgebracht, ein umfunktioniertes Tennisracket mit einer Filmdose als Spule, wir angelten mit so genanntem Knicklicht, fingen aber nichts, Anthony nur einen Sonnenbarsch von vier Zentimetern Länge, den er sogleich in der Hosentasche verschwinden ließ, kommentierend: "In case I get hungry on the return journey." Er wohnte damals in Malta, Barsche in Malta sind wohl genauso wenig bekannt wie Welse in Wels.
Als ich von Erich und seiner Mutter aus Little Eisenhüttenstadt tief in der Nacht zu meiner Bleibe in der Welser Neustadt zurückradelte, habe ich mich natürlich verfahren, desorientiert, substanzinduziert, aber wundersamerweise, ich hab’s ausgerechnet, die exakte Zeit gebraucht, die ein Flugzeug von Wels nach Malta benötigt.