Totgeschwiegene Frauen und Kinder im Almtal
VORCHDORF. Der aus Vorchdorf stammende Schriftsteller Bruno Schernhammer schrieb 2018 einen Roman über die Zwangsarbeiter, die während der NS-Zeit die Autobahnbrücke in Vorchdorf errichteten. Die STRABAG errichtete ihnen daraufhin eine Gedenktafel.
Jetzt setzte der 66-Jährige einer anderen totgeschwiegenen Menschengruppe ein literarisches Denkmal: Sein neuer Roman "Am weißen Fluss – Die Kinder des Almtals" handelt von jungen Frauen, die im Nationalsozialismus ungewollt schwanger wurden und ihre Kinder verloren. Schernhammer beschreibt das Schicksal der jungen Magd Rosa, die sich fern von zuhause auf einem Bauernhof im Almtal verdingt. Und er erzählt von der polnischen Zwangsarbeiterin Maria, die ebenfalls im Almtal in der Landwirtschaft eingesetzt wird.
Jahrelang ging Schernhammer Schicksalen wie diesen nach. Oft sind es nur kryptische Eintragungen in Pfarr- und Gemeinderegistern, die an die jungen Mütter und ihre Kinder erinnern. In einigen Fällen verlieren sich die Spuren auch in NS-Heimen, in denen Kinder von Zwangsarbeiterinnen getötet wurden. Darüber geredet wurde nach dem Krieg nicht. Verschämte Einträge in Archiven sind alles, was bisher von den Schicksalen geblieben ist.
Schwielige Hände
Schernhammer erzählt in kurzen, unprätentiösen Sätzen die Geschichte zweier junger Frauen, die fast noch Mädchen sind. Die sich widerstandslos in einer patriarchalen Welt einrichten müssen, in der Gehorsam Pflicht und Selbstverwirklichung nur ein Traum ist. Der Krieg ist in der Geschichte nur Hintergrundmusik, die Bombardierung von Wels, heimkehrende Kriegsversehrte und Rationierungen gehören wie selbstverständlich dazu. Im Zentrum stehen dagegen zwei unschuldige Frauen, die nichts anderes wollen, als sich irgendwie durchzuschlagen. Es geht um schwielige Hände, schlechte Ernährung, den Kitzel von Tanzveranstaltungen, um die Angst vor einer Schwangerschaft und den Zwang zum Erwachsenwerden innerhalb von neun Monaten. Und vom Verschwinden der Väter in den Kriegswirren.
Schernhammers Romane sind Geschichtsschreibung in Form von Literatur. Sie stecken voller akribisch recherchierter Details und sind Heimatkunde im besten Sinn. Wer wissen will, wie die Menschen im Raum zwischen Gmunden und Wels im Nationalsozialismus lebten, findet hier eine authentische Beschreibung. Und noch besser: Schernhammer holt jene Menschen aus dem Schatten, die wir beinahe vergessen hätten.
Bruno Schernhammer: "Am weißen Fluss – Die Kinder des Almtals", Theodor Kramer Gesellschaft, 228 Seiten, 24 Euro