Antisemitische Vorfälle nahmen seit Hamas-Angriff signifikant zu
WIEN. Im Schatten des Krieges zwischen der Hamas und Israel hat die Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) hat eine Sonderauswertung für den Zeitraum zwischen 7. und 19. Oktober 2023 durchgeführt.
Gezählt wurden ausschließlich jene Vorfälle, die in dieser kurzen Zeit verifiziert werden konnten.
Das Ergebnis: In den ersten 13 Tagen seit Beginn des Kriegs wurden insgesamt 76 antisemitische Vorfälle gemeldet. "Im Vergleich zu den im gesamten Jahr 2022 gemeldeten Vorfällen entspricht dies einer Steigerung um 300 Prozent", fasst IKG-Generalsekretär und Leiter der Meldestelle Benjamin Nägele zusammen.
Beispiele antisemitischer Vorfälle sind das Einschlagen einer Fensterscheibe eines koscheren Lebensmittelgeschäfts, wobei ein junger Mann einen Satz auf Arabisch rief und fortlief. Auch aus Schulen mehren sich die Meldungen. Unter anderem gab es drei Fälle an öffentlichen Schulen, bei denen jüdische Schulkinder durch terrorverherrlichende Gleichaltrige eingeschüchtert wurden. Wiederholt kam es zu antisemitischen Beschimpfungen in Sozialen Netzwerken, auch außerhalb des Schulkontextes. Hinzu kamen Shoah-relativierende oder gar Shoah-glorifizierende Hassbotschaften, on- und offline. Vorfälle ab dem 20. Oktober 2023, wie beispielsweise die heruntergerissene Israel-Fahne vor dem IKG-Gebäude in der Nacht von Freitag auf Samstag, flossen in die vorliegende Statistik nicht ein. Leider ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.
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So beängstigend diese Entwicklung klingen mag, so sehr halte die Gemeinde durch ihre Sicherheitsarbeit, die Kooperation mit den Sicherheitsbehörden, aber auch durch die Fortsetzung des Alltags in jüdischen Schulen, Synagogen und anderer jüdischer Einrichtungen sowie durch die Planung weiterer Jugend- und Kulturveranstaltungen dagegen, so Nägele. Die Expertinnen und Experten der Meldestelle sind täglich im Einsatz, um Meldungen zu bearbeiten. Betroffene werden unterstützt, beispielsweise durch Beratung vor der Anzeigeerstattung, der Vermittlung an Fachleute von ESRA, dem psychosozialen Zentrum der IKG, mit einem Einschreiten bei Betreibern Sozialer Netzwerke oder Intervention in Schulen, wenn jüdische Kinder oder ihre Freunde antisemitisch beschimpft oder drangsaliert werden. Nägele weist in diesem Zusammenhang auf wichtiger Grundsätze der Meldestelle hin: "Jede Meldeperson wird kostenlos beraten und entscheidet selbst darüber, welche weiteren Schritte gesetzt werden."
Explizit sei auf die Möglichkeit der Anzeigeerstattung in jeder Polizeidienststelle hingewiesen, unabhängig von der Meldung an die Antisemitismus-Meldestelle. Eine Anzeigeerstattung dient der weiteren strafrechtlichen Verfolg.