Wiener Polizei sperrte 22 Klimaaktivistinnen in 25,85 Quadratmeter große Zelle
WIEN. Das Verwaltungsgericht Wien stellte fest, dass die Anhaltung der Klimaschützerinnen im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände unter diesen Umständen nicht rechtens war.
Die Anhaltung von 22 Klimaaktivistinnen der "Letzten Generation", die am 28. Februar 2024 nach Auflösung einer Versammlung vor dem Parlament zur Identitätsfeststellung ins Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände eingeliefert und zwei Stunden in eine 25,85 Quadratmeter große Zelle gesperrt wurden, war nicht rechtens. Das hat das Verwaltungsgericht Wien festgestellt.
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Das am vergangenen Donnerstag ergangene Erkenntnis ist nicht rechtskräftig. "Die Landespolizeidirektion Wien wird gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Rechtsmittel einlegen", teilte die Pressestelle der Polizei auf Anfrage mit. Das bekräftigte im Anschluss Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). "Für diese Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts kann ich kein Verständnis aufbringen. Ich habe daher die Landespolizeidirektion Wien mit der Einleitung der notwendigen Schritte zur Bekämpfung dieser Entscheidung beauftragt", teilte Karner mit.
41 Personen festgenommen
Die "Letzte Generation" hatte vor dem Parlament für das Grundrecht auf Klimaschutz demonstriert. 41 Personen wurden von der Wiener Polizei festgenommen und im PAZ nach Geschlechtern getrennt in zwei kleine, jeweils für sechs Personen konzipierte Zellen gepfercht. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts entsprachen die Haftbedingungen nicht den Mindestanforderungen zur Achtung der Menschenwürde.
1,23 Quadratmeter pro Person
Im Erkenntnis (VWG-102/067/5000/2024-13) wird darauf verwiesen, die Frauen hätten stundenlang eine Fläche von jeweils 1,23 Quadratmetern zur Verfügung gehabt, wobei der Platz im Haftraum zusätzlich durch drei Stockbetten, drei Wandschränke, drei Sitzbänke und einen Tisch "im nicht unbeträchtlichen Ausmaß eingeschränkt war". Die Frauen hätten ihr Essen teilweise im Stehen einnehmen bzw. sich auf den Boden setzen müssen. "Die Luft war stickig und es herrschte eine unangenehme Lautstärke", wird im Urteil festgehalten.
"Auch Klimaschützer haben Menschenrechte"
"Damit steht fest, dass auch wir Klimaschützerinnen und Klimaschützer Menschenrechte haben. Und dass diese von der Behörde zu achten sind", sagte der Klimaaktivist und Ex-Skirennläufer Julian Schütter (26), einer der Beschwerdeführer im gewonnenen Verfahren. "Ein Mastschwein mit 110 Kilo in ökologischer Haltung hat in Österreich Anrecht auf 1,3 Quadratmeter Platz. Die Landespolizeidirektion Wien hat uns an diesem Tag gerade mal rund 1,2 Quadratmeter zugestanden und damit weniger als bemitleidenswerten Tieren aus Massenhaltung. Und diese ganze Schikane nur, weil wir für ein Grundrecht auf Klimaschutz protestieren", betonte Lukas Zimmermann (28), ein weiterer Aktivist der "Letzten Generation". Der Datenanalyst hatte sich mit 18 anderen Männern eine Sechs-Personen-Zelle zu teilen.
"Klare Grenze aufgezeigt"
Der Anwalt der "Letzten Generation", Ralf Niederhammer, erläuterte in einer Aussendung: "Besonders verstörend ist, dass die Landespolizeidirektion der Meinung war, dass anerkannte Mindeststandards für die Anhaltung in Haft nicht gelten würden. Das Verwaltungsgericht Wien hat hier der Polizei Wien eine klare Grenze aufgezeigt, die bei künftigen Anhaltungen beachtet werden muss und ähnliche Situationen hoffentlich verhindert." Mit der Entscheidung werde ein Präzedenzfall für andere Betroffene geschaffen.
Das Verwaltungsgericht ließ das Argument nicht gelten, die Vertreterinnen und Vertreter der "Letzten Generation" seien "nur kurz" unter den beengenden Bedingungen festgenommen gewesen. "Eine Menschenrechtsverletzung ist eine Menschenrechtsverletzung, unabhängig davon, ob sie Stunden oder Tage dauert. Es ist absurd, dass wir das erst vor Gericht klären lassen müssen. Eigentlich sollte das der Exekutive in einem Rechtsstaat und einer Demokratie klar sein", betonte Schütter.
Die Landespolizeidirektion Wien kann gegen das Erkenntnis Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) bzw. eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erheben. Sie wäre binnen sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung einzubringen.
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