Razzia bei "Sächsischen Separatisten": 6 Männer in U-Haft
KARLSRUHE. Die deutsche Bundesanwaltschaft hat acht mutmaßliche Rechtsterroristen in Deutschland und in Polen festnehmen lassen. Es gibt Verbindungen zu AfD und FPÖ.
Gleichzeitig wurden rund 20 Objekte durchsucht, wie die Karlsruher Behörde am Dienstag mitteilte. Auch in Österreich fanden Durchsuchungen statt. Die Räumlichkeiten von "nichttatverdächtigen Personen" in Wien und im Bezirk Krems-Land seien betroffen, hieß es. Die Bundesanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, den "Sächsischen Separatisten" anzugehören.
"Apokalyptische Vorstellungen"
Sechs der Männer wurden in Untersuchungshaft genommen. Wann die übrigen beiden Männer dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden, ist unklar. Einer konnte nach Angaben der Karlsruher Behörde aufgrund einer Verletzung nicht nach Karlsruhe gebracht werden, der andere befinde sich noch in Polen, wo er festgenommen worden war.
Die Gruppierung habe sich spätestens im November 2020 gegründet. "Hierbei handelt es sich um eine aus fünfzehn bis zwanzig Personen bestehende militante Gruppierung, deren Ideologie von rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen geprägt ist", heißt es in der Mitteilung. "Ihre Mitglieder verbindet eine tiefe Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland."
Deutschland vor Kollaps?
Die Vereinigung geht den Angaben zufolge davon aus, dass Deutschland vor einem "Kollaps" stehe. Wenn Staat und Gesellschaft zusammenbrechen, wolle die Gruppierung mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Ländern erobern, "um dort ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen zu errichten", hieß es weiter. "Unerwünschte Menschengruppen sollen notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Gegend entfernt werden."
Vier der Festgenommenen sollen zu den ursprünglichen Mitgliedern gehört haben, einer soll Anführer gewesen sein. Die anderen haben sich nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft später angeschlossen. Sie hätten wiederholt paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung absolviert. "Dabei wurden insbesondere der Häuserkampf, der Umgang mit Schusswaffen, Nacht- und Gewaltmärsche sowie Patrouillengänge eingeübt", heißt es in der Mitteilung. Zudem habe sich die Gruppierung militärische Ausrüstungsgegenstände wie Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten besorgt. Sie waren 21 bis 25 Jahre alt.
Amtshilfe in Österreich
Die Maßnahmen in Österreich seien von der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) umgesetzt worden. Das Innenministerium in Wien bestätigte auf Anfrage, dass österreichische Behörden auf Ersuchen Deutschlands Amtshilfe geleistet haben. Dies sei auch ein Zeichen der engen und guten Kooperation, betonte ein Sprecher. Die Ermittlungen führen demnach die deutschen Behörden. Unter den Festgenommenen sollen sich nach Informationen des deutschen Nachrichtenmagazins "Spiegel" (online) auch die Brüder Jörg und Jörn S. befinden, die zur Familie eines bekannten österreichischen Rechtsextremisten gehören sollen. Jörg S. wurde laut Bundesanwaltschaft in Zgorzelec, der polnischen Schwesterstadt von Görlitz in Sachsen, festgenommen.
Die Berliner Tageszeitung "taz" berichtete online, dass Jörg S. der Rädelsführer der Gruppe gewesen sein soll. Sein Großvater soll angeblich laut "taz" ein früherer Politiker der FPÖ und sein Vater ein mehrfach verurteilter österreichischer Rechtsextremist sein. Bei zwei weiteren Brüdern fanden demnach Durchsuchungen statt, aber keine Festnahmen, hieß es in dem Bericht. Offiziell bestätigte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe diese Angaben gegenüber nicht.
AfD-Politiker unter Festgenommenen
Unter den Festgenommenen befindet sich nach übereinstimmenden Informationen auch ein AfD-Lokalpolitiker. Demnach handelt es sich um einen Lokalpolitiker aus Sachsen, der auch Mitglied der Jungen Alternative Sachsen ist. Der sächsische AfD-Landesverband wies jede inhaltliche oder organisatorische Verbindung zu der Gruppe zurück. "Unsere Partei steht fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Mit einer solchen mutmaßlich neonazistischen 'Separatistengruppierung' verbindet uns weder inhaltlich noch organisatorisch irgendetwas", sagte Parteisprecher Andreas Harlaß der Deutschen Presse-Agentur. Sollten sich die Vorwürfe gegen den Mann bestätigen, werde ein unverzüglicher Parteiausschluss vollzogen werden, teilte ein Sprecher der Bundespartei auf Nachfrage mit.
Auch der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla distanzierte sich ausdrücklich. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, hätten solche Personen "weder in der JA (Junge Alternative, Anm.) noch in der AfD etwas zu suchen", betonte Chrupalla in Berlin.
Polizisten mit Waffe bedroht?
Nach offiziell noch unbestätigten Angaben aus Sicherheitskreisen trat der Lokalpolitiker in der Früh bei der Razzia mit einer Langwaffe vor die Polizeibeamten. Ein Polizist habe daraufhin zwei Warnschüsse abgegeben, hieß es. Der Beschuldigte habe einen Bruch am Kiefer erlitten und werde zur Stunde operiert. Wie es zu der Verletzung kam und weitere Details zu dem Zwischenfall sollen Zeugenvernehmungen klären.
Neben den acht festgenommenen deutschen Männern gibt es den Angaben zufolge noch sieben weitere Beschuldigte, die auf freiem Fuß sind. "Es ist ein großer Erfolg, dass es dem Generalbundesanwalt und den Sicherheitsbehörden gelungen ist, diese ungeheuerlichen Pläne aufzudecken und die Verantwortlichen festzunehmen", sagte der deutsche Justizminister Marco Buschmann. Gleichzeitig mahne dieser Ermittlungserfolg abermals: "Unser Rechtsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung werden von vielen Seiten bedroht."
"Dass der Umgang mit Waffen trainiert und militärische Ausrüstung beschafft wurde, zeigt, wie gefährlich diese Rechtsextremisten sind", sagte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser. Sie verwies auf die frühzeitige Aufklärung der Gruppe durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.