Stuttgart 21: Gegner stehen trotz Massenprotesten vor Niederlage
STUTTGART. Die Proteste gegen das Milliardenprojekt des neuen Stuttgarter Bahnhofes mobilisierten Zehntausende Bürger, weit über Umweltbewegte und Linke hinaus. Dennoch dürften sie nun bei der Volksabstimmung am Sonntag eine Niederlage einstecken.
Der Streit um das vor 17 Jahren erstmals geplante Bahnprojekt hat in Baden-Württemberg 2010 zu einem politischen Erdbeben geführt. Als die Bahn im Sommer in der Landeshauptstadt begann, für den Neubau Teile eines denkmalgeschützten Altbaus abreißen zu lassen, gingen Zehntausende Menschen auf die Straße. Nicht nur Grüne, die das Projekt schon seit Jahren bekämpften, sondern auch Wähler anderer Parteien, viele von ihnen standen der seit der Nachkriegszeit dominierenden CDU nahe. Im September 2010 eskalierte der Streit, als die Polizei Proteste gegen die Abholzung von Bäumen im Stuttgarter Schlossgarten brutal bekämpfte. Mehr als hundert Demonstranten, darunter viele ältere Menschen, wurden verletzt, auch einige Polizisten.
Proteste entschieden Wahl
Der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) konnte die Stimmung auch mit der Einrichtung einer öffentlichen Schlichtung mit dem renommierten Alt-CDU-Politiker Heiner Geißler nicht mehr drehen. Im März dieses Jahres verlor die CDU nach 60 Jahren die Macht im Land. Seither wird das bedeutende Industrieland von einem grünen Ministerpräsidenten geführt.
Seither sind die Emotionen verflacht, die Kosten einer Baueinstellung wären gigantisch. Für die Gegner von „S21“ sieht es jetzt schlecht aus: Laut Landesverfassung muss mindestens ein Drittel aller Wahlberechtigten dafür sein, dass das Land aus der Finanzierung aussteigt. Wie stark aber sind Wähler im 200 Kilometer entfernten Freiburg am Stuttgarter Bahnhof interessiert, wie sehr jene in Konstanz, das fast ebenso weit weg ist?
Gestritten wird seit eineinhalb Jahrzehnten. Der alte Stuttgarter Bahnhof dürfe nicht abgerissen und durch einen neuen ersetzt werden, der noch dazu viel koste, sagen die Gegner. Von 2,8 Milliarden Euro war 2007 die Rede gewesen, heute spricht der Bauherr, die Deutsche Bahn AG, von 4,1 Milliarden Euro.
Viele fühlten sich außerdem nicht ordentlich informiert und witterten Verfilzung von Politik und Wirtschaft. In den vergangenen Monaten gingen Tausende Gegner Woche für Woche auf die Straße. „Fortschrittsverweigerer“ nennen die Befürworter sie. Die Stadt dürfe nicht „abgehängt“ werden.
Grün-Rot uneins
Konservative, Liberale und die Parteispitze der SPD sind für „S21“, die Grünen sind dagegen. Die neue grün-rote Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die die CDU-FDP-Koalition abgelöst hat, hat schon im Wahlkampf vereinbart, eine Volksabstimmung abzuhalten. Kretschmann will ein für ihn negatives Ergebnis als direktdemokratische Entscheidung akzeptieren, auch wenn viele seiner grünen Parteigänger die hohen Hürden bei der Volksabstimmung für undemokratisch halten. „So ist es halt in der Demokratie, wenn sie direkt ist“, sagte Kretschmann.
Der Finanzierungsvertrag von Bahn, Bund, Land, Region und Stadt ist seit 2009 nicht mehr kündbar – es geht jetzt also um eine außerordentliche Kündigung. Eine solche sei möglich, wenn der Finanzplan von 4,5 Milliarden Euro gesprengt wird, sagt die Regierung – falls die „S21“-Gegner das Referendum gewinnen.
Schadenersatz
Die Deutsche Bahn kündigt Schadenersatzforderungen von 1,5 Milliarden Euro an, wenn das Land nach der Abstimmung aus dem Projekt aussteigt und den Anteil von 930 Millionen Euro nicht zahlt. Das bestätigte DB-Chef Rüdiger Grube. Bei einer Ablehnung hätte das Land den finanziellen Schaden und das Manko einer veralteten Infrastruktur, sagte Grube.
Und die Presse gibt dieses Märchen ungeprüft wieder.
Bis auf einige Ausnahmen.
Und die Presse gibt dieses Märchen ungeprüft weiter.