Die Suche der EU nach Einigung bei Schulden
BRÜSSEL. Die EU-Wirtschafts- und Finanzministerinnen und -minister könnten sich in der Nacht auf Donnerstag in Brüssel auf eine Reform der EU-Schuldenregeln einigen. EU-Diplomaten zufolge ist eine politische Einigung zum Greifen nahe. Davor müssten aber noch offene Fragen geklärt werden.
Eine der offenen Baustellen: Berücksichtigung von Investitionen oder Zinskosten in Defizitverfahren. Eine Annäherung gab es bei den "Sicherheitslinien" beim Schuldenabbau. Das Treffen startet am Abend.
Die spanische Ratspräsidentschaft möchte ihr diese Woche verteiltes Kompromisspapier bei einem informellen Abendessen am Donnerstagabend von den Ministerinnen und Ministern absegnen lassen. Laut EU-Kommissionsvorschlag vom April sollen die EU-Staaten künftig nationale Pläne mit Maßnahmen zur Schuldenreduktion vorlegen - ausgelegt auf 4, in Ausnahmefällen auf 7 Jahre. Das würde den Mitgliedstaaten mehr Spielraum und Zeit bei der Konsolidierung ihrer Budgets lassen. Die Maastricht-Obergrenzen von maximal drei Prozent Haushaltsdefizit und 60 Prozent Gesamtverschuldung bleiben dabei unverändert.
Eine Annäherung gab es laut EU-Diplomaten bei der bisher umstrittenen "Benchmark" für den pro Jahr geforderten Schuldenabbau. Solch einen fixen Prozentsatz für ein Mindestmaß an Defizitreduzierung pro Jahr forderte etwa der deutsche Finanzminister Christian Lindner von seinen EU-Partnern. Auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) tritt für "strikte, durchsetzbare und klar definierte Schuldenregeln" ein. Österreich, Deutschland und einige weitere EU-Staaten sehen eine flexiblere Auslegung des EU-Stabilitätspakts skeptisch, wie sie beispielsweise Frankreich fordert.
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Laut EU-Diplomaten pocht Frankreich auf der Berücksichtigung von Reformen in den Defizitverfahren zum Schuldenabbau. Auch die Berücksichtigung von Zinskosten oder Investitionen ist noch umstritten. Einige EU-Staaten fordern gerade in Zeiten hoher Zinsen eine Herausrechnung der Zinskosten. Österreichs Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) möchte wiederum, dass soziale Ausgaben wie Investitionen behandelt werden und nicht als einfache Kosten. Staatsschulden für soziale Investitionen sollten demnach nicht in die Berechnung der Maastricht-Kriterien einbezogen werden.
Die EU-Regelungen zum Schuldenabbau waren in den vergangenen Jahren aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges vorübergehend gelockert worden. Wird bis Ende des Jahres keine Einigung unter den Ländern und mit dem EU-Parlament erreicht, treten die davor geltenden Regeln wieder in Kraft. Davor würde das Thema auch auf die ohnehin schon volle Agenda des EU-Gipfels der EU-Staats- und Regierungschefs kommende Woche in Brüssel kommen.
Heute Donnerstag treffen zuerst wie üblich die Finanzministerinnen und -minister der Euroländer in Brüssel zusammen, um die Haushaltspläne der Eurostaaten und die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der EU-Kommission ("Europäisches Semester") zu evaluieren. Auch der digitale Euro steht auf der Agenda.
Beim schuldenmachen werden sich die Laien und Co. schon einig werden.