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EU-Gipfel - Nehammer: Waffenstillstand würde Hamas bestärken

Von nachrichten.at/apa, 26. Oktober 2023, 21:30 Uhr
++ HANDOUT ++ EU-GIPFEL DER STAATS- UND REGIERUNGSCHEFS IN BR†SSEL: BK NEHAMMER
Bundeskanzler Karl Nehammer Bild: ANDY WENZEL (BKA)

BRÜSSEL. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat ein "entschlossenes Vorgehen" gegen die Hamas gefordert. "Alle Fantasien von Waffenstillstand, Feuerpausen etc. führen dazu, dass sich die Hamas bestärkt fühlt", sagte er Donnerstagabend beim EU-Gipfel.

Österreich verstehe sich wegen seiner historischen Verantwortung als "Fürsprecher" Israels. Beim Kampf gegen die Hamas dürfte es "keine Kompromisse" geben. Die EU-Staats und Regierungschefs ringen um eine gemeinsame Nahost-Position.

Österreich sei dafür, dass in kurzen Zeitfenstern humanitäre Korridore geöffnet werden, um Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen. "Da ist es klar, dass in dieser Zeit die Waffen schweigen. Aber nur für diesen Fall", so Nehammer. "Wenn wir Sicherheit für die EU wollen, wenn wir Sicherheit für die Menschen in Europa wollen, müssen wir die Terrororganisation Hamas bekämpfen". An die Palästinenser im Gazastreifen richtete Nehammer den Appell, sich nicht von der Hamas "instrumentalisieren" zu lassen.

In einem zirkulierenden Entwurf für eine Gipfelerklärung wurden "humanitäre Korridore und Pausen für humanitäre Notwendigkeiten" gefordert, damit humanitäre Hilfslieferungen in den Gazastreifen gelangen können. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sagte vor Beginn des Treffens in Brüssel, es sei wichtig, "alles zu tun, dass dieser Konflikt nicht in der ganzen Region eskaliert", etwa durch die Hisbollah oder den Iran.

Scholz betonte zugleich, es gehe auch darum, gemeinsam deutlich zu machen, dass die EU Israel bei der Verteidigung des eigenen Landes gegen den "furchtbaren Angriff der Hamas" unterstütze. Auch die Menschen im Gazastreifen seien Opfer der Hamas, die durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen sei. Israel sei "ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien". Er sei sicher, dass die israelische Armee die Regeln aus dem Völkerrecht beachte, daran habe er keinen Zweifel, so Scholz.

Humanitäre Pausen

Der spanische Regierungschef Pedro Sanchez, dessen Land aktuell den Ratsvorsitz innehat, sprach sich klar für eine "humanitäre Pause" aus. Als spanischer Regierungschef würde er für einen "Waffenstillstand und eine humanitäre Feuerpause" eintreten. Das Leid in Gaza sei nicht hinnehmbar. Er unterstütze UNO-Generalsekretär Antonio Guterres in seinen Forderungen nach einer "dringenden Öffnung des humanitären Korridors, um Hilfe zu leisten". Die Europäer bräuchten ein gemeinsames Konzept für diesen Konflikt: "Es ist wichtig, eine eindeutige Botschaft der Menschlichkeit zu senden", forderte Sanchez.

Sanchez erwartet sich eine "intensive Debatte" und "eine Menge Arbeit in den nächsten zwei Tagen, damit sich alle Staaten in den Schlussfolgerungen wiederfinden". Sanchez forderte erneut eine internationale Friedenskonferenz, die die Zwei-Staaten-Lösung voranbringen solle.

Für Belgiens Regierungschef Alexander De Croo könne Israels Recht sich zu verteidigen keine Entschuldigung dafür sein, den Gazastreifen abzuriegeln und die palästinensische Bevölkerung "auszuhungern". Israels Militär habe aber das Recht, die Hamas anzugreifen, um künftige Attacken zu verhindern.

Der niederländische Regierungschef Mark Rutte appellierte laut dpa eindringlich an Israel, humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu lassen. Israel sei der "militärische Riese" der Region und ein Land, das auf Demokratie und Menschlichkeit basiere, sagte Rutte. Deshalb müsse es alles tun, damit Krankenhäuser in Gaza wieder in Betrieb genommen werden können und dass die Strom-, Wasser- und Treibstoffversorgung wieder aufgenommen werde.

Österreich zählt zu jenen Ländern in der EU, die den derzeitigen Gegenschlag der israelischen Armee auf die Hamas grundsätzlich als legitime Selbstverteidigung ansehen. Auf der anderen Seite gibt es Länder wie Spanien, Irland und Belgien, die Israels Vorgehen im Gazastreifen kritisch sehen und angesichts der vielen zivilen Opfer eine humanitäre Feuerpause fordern.

Zuletzt waren sich die EU-Mitgliedstaaten bei der genauen Formulierung noch uneinig. Österreich wollte sich der Forderung nach einer "Feuerpause" nicht anschließen. Ungarns Premier Viktor Orban wollte sich bei seiner Ankunft beim Europäischen Rat ebenfalls nicht festlegen. Die Meinungen würden weit auseinander gehen, er erwarte sich intensive Diskussionen. "Ich bin für das Recht Israels, sich zu verteidigen. Sie müssen tun, was sie zu tun haben, um weitere Terrorattacken zu verhindern", betonte Orban weiter. Aus Sicht der EU und Ungarns sind laut Orban zwei Länder im östlichen Mittelmeerraum wichtig: Israel und Ägypten. "Diese Region muss stabilisiert werden, sonst werden die Migrationsströme sofort nach Europa kommen."

Irland und andere für Waffenstillstand

Der irische Ministerpräsident Leo Varadkar erklärte, die große Mehrheit der EU-Länder wolle einen Waffenstillstand. Es gehe jedoch nicht um die Worte, sondern darum, dass die Gewalt und das Töten ende. Die Hamas wolle eine Eskalation. Auch andere Akteure würden dies wollen, um von der Ukraine abzulenken, in diese Falle dürfe die EU nicht gehen.

Er glaube aber, dass es möglich sein wird, eine gemeinsame EU-Position zu finden. Man müsse verstehen, dass die verschiedenen EU-Länder aufgrund ihrer Geschichte unterschiedliche Standpunkte vertreten. In Irland habe man wegen der eigenen Geschichte (Kampf um Unabhängigkeit von Großbritannien; Anm.) viel Sympathie für die Palästinenser.

Die Positionierung der EU im Nahostkonflikt ist das zentrale Thema bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs. EU-Ratspräsident Charles Michel zeigt sich optimistisch, dass man sich am Donnerstag auf eine "starke vereinte Position" einigen werde. Man unterstütze Israels Recht auf Selbstverteidigung im Einklang mit internationalem Recht. Man werde aber auch hervorstreichen, wie man sicherstellen will, dass humanitäre Hilfe im Gazastreifen ankommt.

Michel weist dann auch den Vorwurf zurück, dass die EU beim Nahost-Konflikt und dem Krieg in der Ukraine zweierlei Maße anlege. Man arbeite aktiv daran, den Ländern des Globalen Süden darzulegen, dass die EU keine Doppelstandards habe, sagte der Belgier im Vorfeld des EU-Gipfels in Brüssel.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, angesichts der vielen Herausforderungen durch die Kriege in der Ukraine und in Nahost müsse die EU "entschlossen und resolut handeln und reagieren". Dies brauche aber auch eine entsprechende Finanzierung, weshalb die EU-Kommission eine Revision des EU-Finanzrahmens vorgeschlagen habe, die auch beim Gipfel diskutiert wird.

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