Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Lernen auf dem Betonboden: Wo Schulbänke Luxus sind 

Von Markus Staudinger aus Kasese, Uganda, 22. Juli 2024, 05:30 Uhr
Alltag in Schulen im ländlichen Uganda: Überfüllte Klassen, Schreibblock auf dem Oberschenkel
Alltag in Schulen im ländlichen Uganda: Überfüllte Klassen, Schreibblock auf dem Oberschenkel Bild: Markus Staudinger

KASESE. Mädchen, die auf dem Schulweg missbraucht werden, mehr als 100 Schüler in einer Klasse: Schulen im ländlichen Uganda kämpfen mit Problemen, die für uns schwer vorstellbar sind.

Manchmal bräuchte es nicht viel, um das Leben zu verbessern. Schulbänke beispielsweise, damit Kinder nicht auf dem Boden kauern müssen.

Lehrerin Miriam Mbambu unterrichtet eine erste Klasse einer siebenjährigen Grundschule an den Hängen des mächtigen Ruwenzori-Gebirges im Westen Ugandas. 126 Kinder umfasst ihre 1B-Klasse. Nicht alle sind an diesem Mittwoch in der Schule. Am Morgen hat es geregnet, das macht den Schulweg auf den Lehmstraßen und -wegen schwierig. Mit knapp 90 Schülern ist der Raum ohnehin voll genug.

Heute werden Zahlen gelernt. Der Reihe nach kommen Schülerinnen und Schüler an die Tafel, zeigen mit einem Stock auf die abgebildeten Zahlen. Die Klasse wiederholt sie in Lukonzo, der örtlichen Bantu-Sprache. Erste Buchstaben kommen später.

Zuerst neue Klassen, dann Bänke

Ist es für die Kinder nicht schwierig, schreiben zu lernen, wenn man das Schulheft auf dem Oberschenkel ablegen muss? "Natürlich", sagt Frau Mbambu. Würden Bänke helfen? "Selbstverständlich."

Allerdings gibt es ein Problem: Stellt man Bänke in das Klassenzimmer, haben nicht mehr alle Schüler im Klassenzimmer Platz. Am Boden können zur Not alle 126 Kinder sitzen.

Lehrerin Miriam Mbambu und ihre 1B-Klasse an  der Kitswamba-Grundschule
Lehrerin Miriam Mbambu und ihre 1B-Klasse an der Kitswamba-Grundschule Bild: Markus Staudinger

Die Kitswamba-Grundschule, an der Frau Mbambu unterrichtet, platzt wie viele im ländlichen Uganda aus allen Nähten – nicht zuletzt aufgrund der rasanten Bevölkerungsentwicklung in Uganda. Auch neue Klassenzimmer in neuen Schulgebäuden – in Wahrheit simple Baustrukturen – wären nötig.

55 Kinder pro Klasse hat die Zentralregierung in der Hauptstadt Kampala als Klassenschülerhöchstzahl ausgegeben. Uns erscheint das grotesk hoch. An den Hängen des Ruwenzori ist es dagegen eher paradiesische Utopie: Denn viel mehr als die Zahl vorzugeben, macht die Regierung nicht. Für neue Schulgebäude sorgt sie hier jedenfalls nicht.

Hier kommt "Sei so frei Oberösterreich" ins Spiel. Die entwicklungspolitische Organisation der Katholischen Männerbewegung in Oberösterreich ist seit bald 30 Jahren im Bezirk Kasese im Westen Ugandas aktiv. "Sei so frei" – bis in die 1990er Jahre bekannt als "Bruder in Not" – baut zusätzliche Klassenzimmer und stattet sie mit Schulbänken aus.

Neue Klassenzimmer und Schulbänke: Hier hat "Sei so frei" schon geholfen
Neue Klassenzimmer und Schulbänke: Hier hat "Sei so frei" schon geholfen Bild: Markus Staudinger

Wir sind zu Gast an der Rwakingi-Grundschule. Hier hat "Sei so frei" bereits geholfen. Ein neues Schulgebäude wurde gebaut, es bietet sieben zusätzliche Klassenzimmer. Vorher wurden einige Klassen teils im Schulhof unter einem großen Baum unterrichtet. Wenn es regnete, diente ein Holzverschlag, der an einen Stall erinnert, als Unterschlupf-Klassenzimmer.

Es ist große Eröffnung: Die örtliche Politikprominenz und Bewohner aus dem Dorf sind hier. Der Parlamentsabgeordnete der Region hebt in seiner Rede angeblich lokale Gebräuche hervor. "Wenn dir jemand etwas gibt, dann ist es bei uns Tradition, nach mehr zu fragen." Es ist kein Versprecher – er wird es später nochmals wiederholen. Es ist als Aufforderung formuliert.

„Sei so frei OÖ“-Geschäftsführer Franz Hehenberger
„Sei so frei OÖ“-Geschäftsführer Franz Hehenberger Bild: Markus Staudinger

Franz Hehenberger führt seit mehr als 25 Jahren die Geschäfte von "Sei so frei in Oberösterreich". Er hat mit so mancher angeblicher Tradition Probleme. In seiner Rede spricht er das offen an. Die Rolle der Frauen müsse respektiert werden. Auch Familienplanung sei essenziell. Bei zwei, drei Kindern sollte Schluss sein – um auch jedes Kind ernähren und ihm Bildung bieten zu können. Viele Familien, mit denen wir sprechen, haben neun, zehn, elf Kinder.

Große Probleme im ländlichen Uganda sind auch häusliche Gewalt und sexuelle Übergriffe. In Ibanda, einige Kilometer die Lehmpiste hinauf Richtung Ruwenzori-Nationalpark, hat "Sei so frei" 2014 ein "Girls Hostel" errichtet.

Wohnheim schützt vor Missbrauch

Es ist eine sichere Unterkunft für rund 140 Schülerinnen der angrenzenden Schule in Ibanda. In den Vorgebirgen am Fuße der bis zu 5000 Meter hohen Ruwenzori-Berge haben einige von ihnen einen Schulweg von bis zu zwei Stunden – nur Hinweg.

Die Distanz ist gar nicht das Problem. Das Problem besteht darin, dass den Mädchen auf dem Schulweg oft aufgelauert wurde, sie missbraucht und vergewaltigt wurden. "Die Mädchen wurden schwanger – und das war es dann mit ihrer Schulbildung", sagt Florence I. Basaliza. Die 63-Jährige leitet die "Ripple Foundation" (Rifo) in Kasese. Rifo ist so etwas wie der örtliche Ableger von "Sei so frei" in Kasese. Frau Basaliza strahlt eine stille, gefestigte Autorität aus. Bei Rifo und damit bei "Sei so frei" arbeitet sie seit zehn Jahren. Davor war sie selbst Lehrerin.

Eigeninitiative trägt das Projekt

Das "Girls Hostel" geht auf Basaliza und die örtliche Gruppe der Catholic Women Association (CWA) zurück. Den Bau des Gebäudes hat "Sei so frei" finanziert, seither läuft der Betrieb ohne jegliche Zuschüsse aus Österreich. Rund ein Dutzend gestandene Damen der CWA Ibanda kümmern sich darum.

Agrarlandesrätin Langer-Weninger, Rifo-Direktorin Basaliza mit Schülerinnen, die im Mädchen-Wohnheim in Ibanda wohnen
Agrarlandesrätin Langer-Weninger, Rifo-Direktorin Basaliza mit Schülerinnen, die im Mädchen-Wohnheim in Ibanda wohnen Bild: Markus Staudinger

Mit Beiträgen der Eltern und Zuwendungen aus dem Dorf kann man zum Teil auch Aufsichtspersonal finanzieren. Wenn es nicht reicht, springen die CWA-Damen selbst ein. Es ist das Gegenbeispiel zur vom Parlamentsabgeordneten mit verblüffender Selbstverständlichkeit vorgetragenen Tradition, dass man – wenn jemand schon gibt – eben nach mehr frage.

"Im Idealfall läuft es genauso wie beim Girls Hostel", sagt "Sei so frei"-Geschäftsführer Hehenberger. "Dass sich die mit Starthilfe von uns und der örtlichen Gemeinschaft initiierten Projekte nachhaltig selbst tragen." Zwar halte man nach wie vor regelmäßig Nachschau, finanziell könne sich "Sei so frei" damit aber neuen Projekten zuwenden.

Vielleicht umfasst eines davon den Bau neuer Klassenzimmer und die Finanzierung von Schulbänken an Frau Mbambus Schule.

Infos zu Uganda und "Sei so frei"

Mit rund 240.000 Quadratkilometern ist Uganda dreimal so groß wie Österreich. Aktuell hat Uganda rund 50 Millionen Einwohner, 1994 lag die Bevölkerungszahl noch bei 20 Millionen. Setzt sich das Bevölkerungswachstum im selben Ausmaß fort, wird Uganda 2050 rund 100 Millionen Einwohner haben – zu viele, als dass das Land sie ernähren könnte.

In Uganda konzentriert sich "Sei so frei OÖ" auf Projekte im Bezirk Kasese im Westen Ugandas. Neben dem Engagement im Schulbereich begleitet "Sei so frei" Kleinbauern und unterstützt sie mit Know-how und bei Anschaffungen wie Bienenstöcken, Saatgut oder Ziegen. Rund 350.000 Euro pro Jahr wendet "Sei so frei" derzeit für Projekte in Uganda auf. Allein seit 2014 konnten so 111 Klassenzimmer eingerichtet und mehr als 300 Kleinbauern unterstützt werden.

"Sei so frei OÖ" finanziert sich aus Spenden. Unterstützung gibt es auch vom Land Oberösterreich. "Es ist großartig zu sehen, wie ,Sei so frei’ mit großer Konsequenz darauf achtet, dass Geld so effizient eingesetzt wird, dass es nachhaltig den größtmöglichen Nutzen stiftet", sagt Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger (VP), die die Reise nach Uganda in Vertretung von Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP) begleitet hat.

Spendemöglichkeiten finden Sie auf www.seisofrei-ooe.at, der IBAN das Spendenkontos ist AT30 5400 0000 0069 1733

mehr aus Außenpolitik

Biden tritt als US-Präsidentschaftskandidat zurück

Schlägt nun die Stunde der Kamala Harris?

Trump: "Habe mir Kugel für die Demokratie eingefangen"

Politiker weltweit zollen Biden nach Rückzug Respekt

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen