Netanyahu deutet neue Gespräche über Geisel-Freilassung an
TEL AVIV. Israels Premier Benjamin Netanyahu deutet an, dass neue Verhandlungen über die Freilassung von Geiseln laufen.
Israels Offensive im Gazastreifen habe dazu beigetragen, dass es im November ein Teilabkommen zur Freilassung von Geiseln gegeben habe, sagte Netanyahu vor Journalisten. "Die Anweisungen, die ich dem Verhandlungsteam gebe, beruhen auf diesem Druck, ohne den wir nichts haben." Derzeit befinden sich noch immer rund hundert Geiseln in den Händen der Hamas-Terroristen.
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Netanyahu ist durch das am Freitagabend bekannt gewordene Fiasko der Armee bei Kämpfen im Gazastreifen in der Geiselfrage weiter unter Druck geraten. Angehörige der Verschleppten werfen ihm schon seit Wochen vor, die Militäraktion zur Vernichtung der Terrororganisation Hamas über das Wohl der Geiseln zu stellen. Am Samstag bekräftigten die Angehörigen ihren Aufruf an die Regierung, die Kampfhandlungen einzustellen.
"Wir nehmen nur Leichen in Empfang", sagte Noam Perry, deren Vater Haim Perry sich noch in der Händen der radikalislamischen Hamas befindet. "Wir wollen, dass Sie den Kampf beenden und Verhandlungen beginnen", sagte sie bei einer Veranstaltung des Forums für Geiseln und vermisste Familien in Tel Aviv am Samstag. "Wir fühlen uns wie beim russischen Roulette", sagte Ruby Chen, Vater einer 19-jährigen Geisel am Samstag. "Sie haben uns erklärt, dass die Bodenoffensive die Entführten zurückbringen würde", sagte Chen. Seitdem seien zwar Geiseln zurückgekehrt, "aber nicht lebendig", kritisierte er.
Hamas hat noch rund 100 Geiseln
Rund hundert Geiseln sollen sich noch in den Händen der Hamas-Terroristen befinden. Drei Geiseln waren bei Kämpfen in Shejaija im Norden des Gazastreifens von israelischen Soldaten erschossen worden. Erste Untersuchungen ergaben, dass die Männer mit einer behelfsmäßigen weißen Fahne auf die Soldaten zugegangen waren, was von letzteren aber als Bedrohung wahrgenommen wurde.
Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi übernahm am Samstag die Verantwortung für die Tötung. "Die Armee und ich als ihr Kommandant sind für das, was passiert ist, verantwortlich und wir werden alles tun, um zu verhindern, dass sich solche Fälle in der Zukunft der Kämpfe wiederholen", sagte er in einem auf der Plattform X veröffentlichten Video. Zugleich stellte er klar, dass auf Menschen mit weißer Flagge, die sich ergeben wollen, nicht geschossen werden darf. Bei der Tötung der Geiseln seien Einsatzregeln verletzt worden, betonte Halevi. "Die drei Geiseln haben alles getan, damit wir sie als solche erkennen - sie hatten ihre Hemden ausgezogen, damit wir sehen, dass sie keine Sprenggürtel tragen, und sie hielten eine weiße Flagge."
Unterdessen traf der Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad den Ministerpräsidenten von Katar, das im Krieg vermittelt. Netanyahu bekräftigte zudem trotz wachsender Kritik etwa der USA am harten Vorgehen im Gazastreifen seinen bisherigen Kurs. Israel sei in einem "existenziellen Krieg". Dieser müsse trotz der Kosten und des Drucks bis zum Sieg fortgeführt werden. Nachdem die Hamas besiegt worden sei, werde der Gazastreifen entmilitarisiert und unter die Sicherheitskontrolle Israels gestellt.
Großteils männliche Zivilisten
Nach von der Nachrichtenagentur AFP zusammengestellten Informationen handelt es sich bei den verbliebenen Geiseln größtenteils um Zivilisten und dabei um Männer. Die radikalislamische Hamas hält aber auch 16 Frauen sowie Soldaten in ihrer Gewalt. Zudem sind vermutlich einige der 129 Verschleppten, die Israel offiziell als Geiseln zählt, bereits tot.
AFP-Recherchen zufolge sind rund 110 der verbliebenen Geiseln im Gazastreifen mutmaßlich noch am Leben. Die anderen wurden entweder während ihrer Gefangenschaft getötet oder bei dem brutalen Großangriff der Hamas am 7. Oktober bereits als Leichen verschleppt. Unter den Überlebenden befinden sind demnach 100 israelische Staatsbürger oder Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, darunter auch ein Österreicher. Die weiteren mutmaßlich noch lebenden Geiseln sind Ausländer: acht Thailänder, ein Nepalese und eine Franko-Mexikanerin.
Baby, Kleinkind und Mutter tot?
Die Hamas hatte kürzlich den Tod der jüngsten Geisel, ein elf Monate altes Baby, dessen vierjährigen Bruder Ariel sowie der Mutter Shiri Bibas gemeldet. Israel hat den Tod dieser drei Geiseln bisher nicht bestätigt. Sollten sich die Angaben bewahrheiten, befinden sich keine minderjährigen Geiseln mehr im Gazastreifen.
Trotz der Freilassung zahlreicher weiblicher Geiseln während einer siebentägigen Feuerpause Ende November haben die Hamas und ihre Verbündeten weiter 16 Frauen in ihrer Gewalt. Die 70-jährige Judith Weinstein Haggai ist die Älteste unter ihnen. Fünf Frauen im Alter von 18 und 19 Jahren sind israelische Soldatinnen.
Fünf Personen weiterhin vermisst
Auch vier Männer im Alter von über 80 Jahren sowie sieben Männer über 70 werden noch festgehalten. Einige von ihnen sind die Ehemänner der bereits freigelassenen ebenfalls hochbetagten Geiseln Ruth Munder, Tamar Metzger, Jocheved Lifschitz und Nurit Kuper. Zusätzlich zu den 129 Geiseln gelten israelischen Angaben zufolge fünf Personen noch immer als vermisst, bei ihnen handelt es sich um vier Israelis und einen Eritreer.