Ex-Bildungsminister Faßmann: "Ich wollte Lastkraftwagenfahrer werden"
WIEN. Vor 60 Jahren wurde der Geographie- und Wirtschaftskunde-Unterricht geschaffen, wie wir ihn heute kennen. Darüber spricht der Präsident der Akademie der Wissenschaften, Ex-VP-Bildungsminister und Geograf Heinz Faßmann.
Er wollte eigentlich Lastwagenfahrer werden, mittlerweile ist er Präsident der Akademie der Wissenschaften und war für die ÖVP Bildungsminister. Im Interview mit der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz erzählt studierte Geograf Heinz Faßmann über 60 Jahre "Geographie und Wirtschaftskunde"-Unterricht.
Herr Faßmann, im Jahr 1963 waren Sie acht Jahre alt. Damals ist der Traunsee zum letzten Mal zugefroren. Zum ersten Mal wurde hingegen das Fach Geografie mit Wirtschaftskunde verbunden. Später studierten Sie beide Disziplinen. Wussten Sie vor 60 Jahren, dass Sie Geograf werden wollen?
Heinz Faßmann: Nein, selbstverständlich nicht. In dem Alter wollte ich Lastkraftwagenfahrer werden, weil ich in einem autoaffinen Haushalt großgeworden bin und weil mir das Bereisen der Welt immer gut gefallen hat.
Im Lehrplan von 1963 steht mitunter: „Übungen im Lesen von reliefartigen Landkarten“. 2023 haben wir Google Maps. Was waren in den letzten sechs Jahrzehnten die größten Transformationen für dieses Schulfach?
Das Schulfach reflektiert die großen globalen Veränderungen. Das Bild des globalen Dorfes ist ein zutreffendes. Die Welt ist auch aufgrund der technischen Möglichkeiten, insbesondere der Digitalisierung, zusammengewachsen. Die Herkunft der Produkte, die unser tägliches Leben begleiten, ist so mannigfach und vielfältig geworden wie noch nie zu vor. Eine Wohlstandsvermehrung auch für die Bevölkerungen des globalen Südens war damit möglich. Unser Fach musste diese Veränderungen aufgreifen, seine Perspektiven erweitern, die ökonomischen Mechanismen erklären und auf die ökologischen Folgen aufmerksam machen. Die Einbindung aktueller Inhalte in den Unterricht funktioniert heute auch sehr viel besser, denn über das Internet können viele Informationen, Meinungen und persönliche Eindrücke integriert werden. Was dennoch gleichgeblieben ist, trotz Globalisierung und Digitalisierung, sind die obersten Bildungsziele: kritikfähige und kompetente junge Menschen sollen das Bildungssystem verlassen, die einen Platz in
der Gesellschaft einnehmen und für ihre selbständige Existenz sorgen können.
Viele fragen sich nach wie vor: Wie passen Geografie und Wirtschaftskunde zusammen?
Sehr gut, wenn beide Bereiche aufeinander zugehen. Die Geografie muss inhaltliche Abstriche machen und die Betriebs- und Volkswirtschaftslehre ebenso, und gleichzeitig sind sie
gefordert, grundsätzliche Konzepte zu vermitteln. Preisbildung, Marktmechanismen oder wirtschaftspolitische Grundmodelle sind ebenso zu weiterzugeben wie Standortfaktoren,
demographische Modelle, die Bedeutung von Distanzen und die physische Qualität von Räumen. Geografie und Wirtschaftskunde sind Fächer des realen Lebens, beide tangieren die Lebenschancen jedes Einzelnen und beide Bereiche sind für junge Menschen wichtig.
Haben Sie in Ihrer Amtszeit als österreichischer Bildungsminister in diesem Zusammenhang ein Spannungsfeld wahrgenommen und wie stehen Sie zu dieser Symbiose?
Natürlich gibt es ein Spannungsverhältnis und das aber bereits seit vielen Jahrzehnten. Manche universitären Proponenten der Wirtschaftskunde, aber auch der Geografie reklamieren jeweils für sich ein eigenes Fach. Dabei geht es auch um Eigeninteresse. Wer für einen klar umrissenen Arbeitsmarkt Studierende in großer Zahl ausbildet, der hat auch bei Verteilungsfragen in der eigenen Universität eine starke Position. Aber das Bildungssystem kann nicht für alle als relevant erachteten Bildungsaufgaben eigene Fächer schaffen. Die Stundentafel wäre über Gebühr belastet. Fächerkombinationen durch ein „Und“ verknüpft, sind daher gang und gäbe und auch notwendig.
60 Jahre „GW-Unterricht“: Wie populär ist das Fach unter Österreichs Schülern?
Seriös ist diese Frage nicht einfach zu beantworten. Ich kenne keine umfassende Erhebung über die Popularität der Fächer. Mein Eindruck ist aber ein positiver. Es ist ein beliebtes Fach, weil es so etwas wie Weltsicht vermittelt und Horizonte erweitert. Es ist vielleicht nicht so beliebt wie „Sport und Bewegung“, aber auch weniger gefürchtet als Mathematik oder Latein. Also: Eine gute Ausgangsposition.
Aus „Geografie- und Wirtschaftskunde“ wird ab Herbst „Geografie- und Wirtschaftliche Bildung“. Was bewirkt die Veränderung des neuen Lehrplans?
Die stärkere Kompetenzorientierung und damit mehr Freiheit der Lehrenden, über die eigentliche Lehrinhalte zu bestimmen. Das ist gut so, auch wenn ich vermute, dass den Schulbüchern eine noch größere Rolle zukommen wird.
Warum sind die geographischen Gegebenheiten für das Verständnis der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse eines Landes für die Schüler:innen von heute relevant?
Weil Wirtschaft, soziale Strukturen und politische Gegebenheiten nicht nur das Ergebnis einer historischen Entwicklung sind – die longue durée -, sondern auch der Möglichkeiten des geographischen Raums. Trotz oder vielleicht sogar wegen der Globalisierung bekommen die räumlichen Unterschiede ein stärkeres Gewicht.
Was sagen Sie einem Kind, das sich weder für Geografie noch für wirtschaftliche Bildung interessiert?
Lass dich darauf ein, sonst entgeht dir so etwas wie Weltsicht.
Was im Lehrplan zum GW-Unterricht einer Welt von 1963 noch steht: Kenntnis der „Bedeutung des Klimas für Menschen, Tiere und Pflanzen“, „Bewusstsein der Verbundenheit der Völker Europas und der Welt“ sowie eine damit einhergehende „Achtung der Toleranz und Humanität“. Könnte man vor dem Hintergrund der aktuellen Krisenherde in der Welt behaupten, dass sich die Kombination von Geografie und wirtschaftlicher Bildung in Österreich bewährt hat?
Ich meine schon, denn hinter den aktuellen Krisen, dem Krieg in der Ukraine, aber auch dem anthropogen verursachten Klimawandel stehen Menschen, Gesellschaften, wirtschaftliche und geographische Interessen und räumlich relevante Verhaltensweisen. Unterschiedliche Fachbereiche zusammenzubringen, ist die Aufgabe von GW, als ein Fach zur Erklärung von Welt.
Was wünschen Sie sich für dieses Schulfach für die nächsten Jahrzehnte?
Kompetente und begeisterungsfähige Lehrerinnen und Lehrer, denn sie sind die entscheidenden Persönlichkeiten im Klassenzimmer. Schulgesetze sind wichtig, Lehrpläne ebenso,
Schulbücher noch ein wenig mehr, aber charismatische Personen, die ihre Begeisterung weitergeben können, sind von zentraler Bedeutung.
Wo woar sei Leistung ?!?!?!
wäre besser gewesen aber mit dem IQ hätte er die Fahrprüfung nicht geschafft.
Was können Sie uns über Ihren IQ erzählen? Abgesehen davon, dass ein IQ nichts über die Denkfähigkeit eines Menschen aussagt?
Der beste Unterrichtsminister der letzten Jahrzehnte, da er kein Parteisoldat ist wurde er leider abgesägt und mit einem schönen Posten etwas getröstet. Pölaschek kann ihm in keiner Weise das Wasser reichen.