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Im Dickicht des Paragrafendschungels

Von Ernst Sittinger*, 28. Mai 2011, 00:04 Uhr
Im Dickicht des Paragrafendschungels
Jugendschutz, Baurecht, Naturschutz: Teils bizarre Unterschiede in den Landesgesetzen.

LINZ. Reformfreudig hatten sich Österreichs Landeshauptleute zuletzt bei ihrer Konferenz in Bad Hall gegeben – auch im eigenen Bereich. Dass der Föderalismus gehörigen Reformbedarf hat, zeigt ein Überblick über teils bizarre Auswüchse der verschiedenen Landesgesetze.

Wer einen 14-jährigen Autostopper aus Wien Richtung Kärnten mitnimmt, sollte ihn am Wechsel aussteigen lassen. Denn in der Steiermark ist das Autostoppen unter 15 Jahren verboten, in Kärnten unter 14 Jahren. In allen anderen Bundesländern ist es erlaubt.

Gerade der Jugendschutz kennt viele bizarre Beispiele für die unterschiedlichen Landesgesetzgebungen: Unter 16-Jährige dürfen in Wien und Niederösterreich bis ein Uhr nachts ausbleiben, in Oberösterreich und Vorarlberg bis Mitternacht, in der Steiermark bis 23 Uhr. Laut Gesetz müssten also junge Steirer, die in einem niederösterreichischen Lokal bis Mitternacht feiern, auf dem Heimweg von ihren Eltern an der Landesgrenze abgeholt werden.

„Rauschzustände“

Die ganze Breite landesgesetzlicher Formulierungskunst zeigen die Alkoholverbote: In Oberösterreich ist für 16- bis 18-Jährige „übermäßiger Alkoholkonsum“ verboten. In Salzburg darf nur insoweit konsumiert werden, als nicht „offenkundig ein Rauschzustand hervorgerufen oder verstärkt“ wird. In Vorarlberg und Oberösterreich ist „der Erwerb, der Besitz und der Konsum von gebrannten alkoholischen Getränken sowie Mischgetränken“ untersagt. In der Steiermark beginnen harte Getränke bei 14 Volumenprozent Alkohol, in Kärnten bei 12.

Dürfen Jugendliche auf Campingplätzen nächtigen? Schwere Frage. Ohne Aufsichtsperson dürfen sie es in Wien unbegrenzt, in Vorarlberg ab zehn mit schriftlicher Eltern-Erlaubnis, in Oberösterreich ab 14, in der Steiermark ab 15, in Salzburg ab 16, in Tirol ab 18. Außer „bei Reisen oder Wanderungen“. Wobei man sich fragt, was denn sonst noch Anlässe für Camping sind.

Schlanke Steirer

Eine besonders üppige Spielwiese für Landesgesetzgeber sind die Bauordnungen. Wohnungstüren müssen in Oberösterreich 90 Zentimeter breit sein, bei den offenbar schlankeren Steirern nur 80 Zentimeter. Stiegen- und Balkongeländer erfordern in Kärnten 90 Zentimeter Höhe, in Salzburg einen Meter, im Burgenland müssen sie „geeignet“ sein.

Für gefährliche Orte verlangen viele Bundesländer 110 Zentimeter Geländerhöhe – aber was ist gefährlich? In der Steiermark sind es Balkone ab dem dritten Stock, in Oberösterreich eine Sturzhöhe ab 12 Metern, in Salzburg das 5. Obergeschoss, in Kärnten „Aussichtsplätze und Dachterrassen“.

Die Gesetze der Physik

Sind Brüstungen mindestens 40 Zentimeter tief, müssen sie in Kärnten mindestens 90 Zentimeter Höhe haben, in Oberösterreich 85 Zentimeter, in Salzburg 70. Fazit: Die Gesetze der Physik gelten überall, die Gesetze der Länder nicht.

Hohen kabarettistischen Wert haben die Regeln über Bauabstände zum Nachbargrundstück. In Niederösterreich muss der seitliche Bauabstand „der halben Gebäudehöhe“ entsprechen. In der Steiermark ergibt „die Anzahl der Geschosse, vermehrt um zwei“ den Mindestabstand in Metern.

Die Sache mit dem Winkel

In Kärnten droht eine größere mathematische Operation. Zitat: „Die Abstandsfläche muss so tief sein wie sechs Zehntel des Abstandes zwischen der Außenwand und den durch eine Linie verbundenen Schattenpunkten, die sich auf einer in Höhe des jeweiligen Fußpunktes der Außenwand gelegten Waagrechten ergeben, wenn über das Gebäude Licht in einem Winkel von 45 Grad einfällt.“ Das muss einem erst einmal einfallen – egal in welchem Winkel.

Übertroffen wird die Kärntner Vorschrift noch von jener in Tirol. Dort muss „jeder Punkt auf der Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen horizontalen Abstand aufweisen, der (...) das 0,6fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter, beträgt“. Dabei könnten es die Tiroler viel einfacher haben, indem sie das Vorarlberger Gesetz anwenden: „Oberirdische Gebäude müssen von der Nachbargrenze mindestens drei Meter entfernt sein.“ Allemannische Präzision und Kürze eben.

Auch beim Naturschutz „verhindern und erschweren“ laut Rechnungshof die neun Naturschutzgesetze der Länder eine effiziente Kooperation. Der Nationalpark Donauauen wird etwa nicht durch eine gemeinsame Gesellschaft verwaltet, sondern jeweils extra von den Ländern Wien und Niederösterreich. Ursache: unterschiedliche Rechtsgrundlagen.

Kein Fremdfischen

Dass die Jagd- und Fischereikarten nur im Heimatbundesland gelten ist ohnehin Ehrensache – und Einkommensquelle der Länder. Wer ausgrast, muss Gästekarten erwerben, die fünf bis dreißig Euro kosten.

 

* Ernst Sittinger ist Redakteur der Kleinen Zeitung. Der Beitrag ist Teil der Berichterstattung der führenden Bundesländer-Zeitungen zum Thema „Zukunft des Föderalismus“.

 

 

Die Zukunft des Föderalismus

Ein Staat, neun Länder, 2357 Gemeinden: Über die Zukunft des Föderalismus diskutierten die Chefredakteure der führenden Bundesländerzeitungen (darunter die OÖN) in der Vorwoche mit Österreichs Landeshauptleuten bei deren Konferenz in Bad Hall.
Das Prinzip starker Regionen müsse aufrechterhalten bleiben – darin war man sich einig. Dass freilich dürfe nicht bedeuten, alles so zu belassen, wie es ist. Reformbedarf gibt es unter anderem bei den Auswüchsen unterschiedlicher Landesgesetzgebungen (siehe nebenstehender Artikel).
Zu einem Abtausch von Kompetenzen mit dem Bund zeigten sich die Landeshauptleute in Bad Hall durchaus bereit. Was an den Bund gehen könnte, bewerteten sie jedoch unterschiedlich.
Trotz jahrelanger Bemühungen noch keine Einigung gibt es bei dem Bestreben des Bundes um einheitliche Jugendschutzbestimmungen in Österreich. Familienminister Reinhold Mitterlehner (VP) will die Hoffnung aber nicht aufgeben.

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5  Kommentare
5  Kommentare
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( Kommentare)
am 30.05.2011 18:08

oder ist Österreich größer als Bayern ?

Wann kapieren das die k.und k. Landeshauptleute ?

Wir brauchen nicht so viele Häuptlinge. Wir brauchen mehr Indianer.

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( Kommentare)
am 28.05.2011 14:41

bitte kloheinzi weg!

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konkel (2.667 Kommentare)
am 28.05.2011 12:30

No na, wenn ich Chefredakteur einer "Tiroler Tageszeitung" wäre, würde ich auch auf die Landesebenen nicht versichten wollen.
Löschen wir doch mal die Landesgrenezn aus, wie würden den dann die "Regionenzeitungen" heissen ?
Nachrichten Nord, Nachrichten West, Tageszeitung West ... ?
Welches Leserkreis würde den bedient ?
Wie werden die leeren Seiten gefüllt, wenn die Rubrik Landespolitik entfällt ?
Alles Fragen die eher die Existenz der Zeitungen bedroht, läßt sich doch so in dem jetztigen Netzwerk sehr gut verdienen.

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( Kommentare)
am 29.05.2011 07:55

...die Regionalität bleibt ja erhalten, dann wird unter der Rubrik Politik, halt mehr ein Auge auf die Gemeindepolitik
gestellt: in OÖ bietet sich zudem eine Unterteilung in die
Viertel; jedes Bundesland hat solche "Viertel" bzw "Gaue"...

...schon jetzt wird dem Landtag keine Bedeutung beigemessen, man erfährt von dem einen oder anderen Nonsens erst im Nachhinein und da auch meist ohne Erläuterung in einem Einzeiler (so zB dass der Landmaschinenfonds zugunsten von Parteien, konkret Funktionären erhalten wurde=Missbrauch), zu über 80 % ohnehin EU-Gesetze und Bundesgesetze-Absegnungen...

...zusätzlich muss halt jeder zentralen Änderung mehr Gewicht gezollt werden und die Auswirkungen auf die Regionen und sogenannten Eigenheiten dargestellt werden...und andere Schwerpunkte gesetzt werden...

ALSO: die Zeitungen brauchen keine Bundesländer, sie können sich auch anders definieren...

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gegenstrom (16.154 Kommentare)
am 28.05.2011 06:34

...gehören alle 9 Landesverwaltungen mitsamt dem ganzen Hofstaat und der Bundesrat sofort aufgelöst und eingespart!
Niemand hätte eine Verschlechterung für sich selbst zu erwarten, sondern vielmehr müsste nicht die Patientenversorgung zurück gefahren werden, wenn im GANZEN Bundesgebiet nur EINE Verwaltung das Sagen hätte.
Die EU gibt über 80 % der Gesetze vor, aber unsere "Volksvertreter" kapieren immer noch nicht, das sie vom Steuerzahler völlig umsonst ausgehalten werden. (oder wollen das nicht öffentlich eingestehen)
Niemand kann erklären wozu jedes Bundesland eigene Gesetze und Verordnungen braucht - siehe Artikel!
Im Falle der geplanten Krankenhaus"reform" zeigt sich zu deutlich, dass die wirklichen Ursachen der Verteuerung des Gesundheitswesen - das Punktesystem der KH-Finanzierung - überhaupt nicht angegangen wird, weil dies Bundessache ist.
Dafür soll jetzt die Bevölkerung durch das Schließen von ganzen Abteilungen, besonders an der Peripherie, büßen.

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