Letztes Heimspiel von Jesus Navas: Tränen und viele Emotionen in Sevilla
SEVILLA. Jesus Navas, Vereinslegende, Weltmeister und zweifacher Europameister mit Spanien, beendet am kommenden Sonntag auswärts gegen Real Madrid seine große Karriere. Am vergangenen Samstag absolvierte der 39-Jährige sein letztes Heimspiel für seinen geliebten FC Sevilla. Es war ein Abschied mit vielen Emotionen in der andalusischen Metropole. Für Kapitän Navas war die Partie am Wochenende gegen Celta Vigo das 702. im Trikot des FC Sevilla.
Samstagabend, kurz nach 18 Uhr im Estadio „Ramón Sánchez Pizjuán“ im Stadtteil „Nervion“ in Sevilla. Aus den Lautsprechern des ehrwürdigen Stadions, in dem Oliver Glasner im Sommer 2022 mit Eintracht Frankfurt das Finale der Europa League gegen die Glasgow Rangers gewann, dröhnt „All I Want for Christmas Is You“. Die Fans, recht viele sind es noch nicht, die knapp eine halbe Stunde vor dem Anstoß schon da sind, wollen aber heute Abend eher nur zwei Sachen sehen: einen Heimsieg gegen Celta Vigo und einen großen Abschied für die Vereinslegende schlechthin, Jesus Navas. Der 39-Jährige beendet – eher ungewöhnlich – bereits in der Winterpause seine große Karriere. Starke Hüftschmerzen plagen Navas seit Längerem, in dieser Saison kam er zu deutlich weniger Einsatzminuten als in den Jahren zuvor.
Das große Rampenlicht war nie die Sache von Navas, er überzeugte lieber auf dem Platz. Die Statistik spricht für sich: 885 Pflichtspiele, davon 71 in der Champions League und 62 in der Europa League beziehungsweise im UEFA Cup, für den FC Sevilla und Manchester City. Das spanische Nationaltrikot trug er seit 2009 zwar „nur“ 56 Mal, aber Navas hat nicht weniger als drei internationale Titel mit der „La Furia Roja“, wie die Nationalmannschaft genannt wird, geholt. 2010 wurde Navas Weltmeister, 2012 dann Europameister. Leicht fielen die Reisen Navas nicht, im Gegenteil: Er litt unter starkem Heimweh. Gut, es soll schlechtere Orte zum Leben als Sevilla, abgesehen von den Sommermonaten, in denen das Thermometer häufig mehr als 40 Grad anzeigt, geben. Aber das chronische Heimweh war sogar verbunden mit Panikattacken, das verzögerte auch sein Debüt in der Nationalmannschaft. Reisen zu Auswärtsspielen stellten kein Problem dar, weil diese nur ein bis zwei Tage dauerten.
Mehrmals lehnte er Angebote von anderen Vereinen ab, Navas suchte den Rat von Psychologen, 2013 sah er sich dann schließlich imstande, sein geliebtes Sevilla für vier Jahre zu verlassen. Mit Manchester City holte er einen Meistertitel, 2017 kehrte er nach Andalusien zurück.
Nachdem Navas, der verheiratet und Vater von zwei Söhnen ist, mehrere Jahre nicht mehr nominiert wurde, feierte er im Juni 2023 in der Nations League sein Comeback. Beim verdienten EM-Triumph der Spanier im Sommer stand der zu diesem Zeitpunkt 38-Jährige bei drei Spielen auf dem Platz. Durchaus kurios: Navas war seit 2010 nur bei drei von acht Turnieren (Welt- oder Europameisterschaften) für die Spanier im Einsatz – alle drei endeten mit dem Titel. Zum Drüberstreuen gewann der „personifizierte Erfolgsfaktor“ Navas mit Spanien 2023 auch noch die Nations League.
Zurück beim FC Sevilla: Sogar die Spieler von Celta Vigo tragen beim Aufwärmen T-Shirts mit der Aufschrift. „Es ist schwer zu schlafen, ich wünschte, die Zeit würde stehen bleiben. So viele Erinnerungen und Emotionen. Ich bin erstaunt über so viel Zuneigung. Ich bin so glücklich, weil ich dich so sehr liebe, mein Sevilla“, schrieb Navas in der Nacht vor dem Spiel auf seinem Facebook-Profil.
Schon vor dem Anstoß wird Navas, der seine Mannschaft ein letztes Mal in „seinem“ Stadion in seiner Stadt aufs Feld führt, von beiden Teams, die Spalier stehen, geehrt. Es ist das 702. Spiel von Navas für seinen FC Sevilla. Die Fans rollen ein großes Transparent mit der Aufschrift „El Orgullo de Nervion“ (der Stolz von Nervion) aus.
Das Spiel vor rund 40.000 Zuschauern läuft nicht nach Wunsch. Die Gäste aus Galizien sind die bessere Mannschaft, vor dem Tor aber zu harmlos. In der 16. Minute wird es wieder laut, „Navas, Navas, Navas“ Sprechchöre in Anlehnung an die Trikotnummer ihres Kapitäns. Mit dem Spiel ihrer Mannschaft sind die Sevilla-Fans unzufrieden.
Es läuft, wie schon in der vergangenen Saison, in der man zwischenzeitlich sogar in Abstiegsgefahr war und letztendlich 14. wurde, nicht wirklich, die finanzielle Situation ist trotz vieler Erfolge in der Vergangenheit alles andere als rosig. Ein älterer Herr macht, je näher der Pausenpfiff kommt, immer häufiger seinem Unmut gestenreich freien Lauf. Einen Österreicher kennt man übrigens in Sevilla auch mehr als 30 Jahre später noch gut. Ein gewisser Anton Polster erzielte von 1988 bis 1991 in 114 Spielen 57 Treffer für die Andalusier. „Ja, natürlich kann er sich an Polster erinnern“, sagt der ältere Fan beim kurzen Fachsimpeln in der Halbzeit auf Spanisch. Zum Glück schlüpft eine Frau in die Rolle des Dolmetschers. Wenige bis gar keine Spuren hat Maximilian Wöber als zweiter Österreicher mit Sevilla-Vergangenheit hinterlassen. 2019 trug der Abwehrspieler neun Mal das Trikot des FC Sevilla.
Video: die legendäre Vereinshymne wird immer kurz vor Anpfiff gesungen.
Navas küsst Rasen und Vereinswappen
Nach der Halbzeit wird es richtig laut im Stadion. Zum einen werden die Hausherren endlich stärker, zum anderen weiß jeder, die letzten Minuten des Kapitäns im „Ramón Sánchez Pizjuán“ sind angebrochen. In der 65. Minute erzielt der 20-Jährige Manu Bueno, der eigentlich in der zweiten Mannschaft in der dritten Liga zum Einsatz kommt, das goldene Tor in diesem Spiel. Er könnte der Sohn von Navas sein. Wenige Minuten später wird der Kapitän ausgewechselt. Tränen fließen, Navas küsst den Rasen und das Wappen seines Vereins. Keinem nimmt man diese Geste mehr ab als Navas. Sein Team bringt den Vorsprung irgendwie in einer hektischen Schlussphase über die Zeit. Die Fans verneigen sich vor der größten Legende des ruhmreichen Vereins. Navas hat mit Sevilla unter anderem zwei Mal den UEFA-Cup, zweimal die Europa League und zwei Mal den nationalen Pokal geholt.
"Bin unendlich glücklich über all das, was ihr mir gegeben habt"
Stadien sind in Spanien in der Regel Minuten nach dem Abpfiff leer, heute ist es anders. Ein Großteil der Zuschauer, genannt „Sevillistas“ bleibt, um ihren Kapitän zu feiern und für seine großen Verdienste zu huldigen. Navas dreht eine Ehrenrunde, er küsst immer wieder das Wappen, seine Söhne sind dabei. Sein letzter Tanz in einem Pflichtspiel „daheim“ ist vorbei. „Mir fehlen die Worte, was ich gefühlt habe. Ich bin unendlich glücklich über all das, was ihr mir gegeben habt“, äußert sich Navas in den sozialen Netzwerken.
Video: Navas und sein Team vor der "Fankurve"
Für seinen allerletzten Auftritt in „La Liga“ im Trikot des FC Sevilla, der bereits fünf Mal die Europa League und zwei Mal den UEFA-Cup für sich entscheiden konnte, geht es am kommenden Sonntag ins Estadio Santiago Bernabéu, in eine der „Kathedralen“ des Weltfußballs. Gegner ist Real Madrid, fast kitschig. Navas, Weltmeister und zweifacher Europameister, wird für seine Leistungen auch dort stehende Ovationen erhalten. Navas, der nie wegen irgendwelcher Skandale, sondern nur wegen seiner sportlichen Klasse Schlagzeilen machte, wird in Spanien von fast allen Fußballanhängern geschätzt. Sein 703. Bewerbsspiel für seinen Herzensverein wird das letzte für Navas sein.
Am 30. Dezember wird es für Navas dann noch ein offizielles Abschiedsspiel in Sevilla geben. Ein letztes Mal wird die legendäre Vereinshymne von den Sevillistas gesungen, Tränen, sowohl auf den Rängen als auch auf dem Rasen, werden fließen.
Video: Mitspieler feiern ihren Kapitän