Nur die Harten kommen durch
LIENZ. 30. Dolomitenmann: Wie Werner Grissmann seine Lienzer Natur-Arena bespielt.
Er hatte einen Traum. Vor 30 Jahren. Seine Heimatstadt Lienz spielte die Hauptrolle. Und natürlich der Sport. "Irgendwie war es eine Spinnerei", sagt Werner Grissmann, der Träumer von damals, heute. Seine Vision ist inzwischen als "Dolomitenmann" eine Institution geworden. Am Wochenende wird der einzigartige Staffelbewerb, der für Extremsportler den Charakter eines Ritterschlags hat, zum 30. Mal über die Bühne gehen. Klar, dass Grissmann wie immer am Samstag um 10 Uhr auf dem Lienzer Hauptplatz den Startschuss abfeuern wird, um die erste Welle der Dolomitenmänner bergwärts zu jagen.
Die Geschichte: "Lienz ist das größte Stadion der Welt, das ist eine einzigartige Arena", erklärt Grissmann seine Vision, die Natur-Bühne vor seiner Hautüre artgerecht mit Spitzensport zu bespielen. Seit der ersten Ausgabe 1988 zählen der Berglauf rund 2000 Höhenmeter hinauf auf das Kuhbodentörl, das Gleitschirmfliegen über die Moosalm hinunter nach Lienz, das Mountainbiken über die Weltcup-Abfahrt und die Kanufahrt im wilden Wasser der Drau zu den fix montierten Pfeilern des Spektakels. Historisch ist auch eine Regel, die inzwischen anachronistisch wirkt. Beim Dolomitenmann gilt das Gesetz "Man only". Das Geschlecht, das längst nicht mehr das schwache ist, darf nur zuschauen. Grissmanns etwas machomäßige Begründung: "Ich möchte Frauen nicht so leiden sehen." Na ja, gegen das Zur-Welt-Bringen von Kindern ist der Dolomitenmann vielleicht gar nicht so hardcore wie der "Grizzly" glaubt.
Die Strapazen: "Es tut verdammt weh, jedes Mal denke ich mir, warum tust du dir das an." Andreas Goldberger bringt die vielen (Selbst-)Erfahrungen der Dolomitenmänner auf einen gemeinsamen Nenner. Egal, in welcher Disziplin, nur die Harten kommen durch. Der ewige Lausbub und inzwischen zweifache Vater wird am Samstag zum zehnten und letzten Mal als Bergläufer dabei sein. Dann möchte er das Kapitel Dolomitenmann beenden. "Ich habe mich lange genug gequält." Nachfolger hat er auch schon einen im Schlepptau. Ex-Biathlet Christoph Sumann wird heuer den ersten Selbstversuch starten, um später in Goldis Fußstapfen zu steigen. "Ich verfluche mich jetzt schon dafür", sagt der Steirer, der als Modell-Athlet nicht unbedingt die Idealfigur für einen Bergläufer hat.
Die Asse: Im Starterfeld von 520 Athleten aus 20 Nationen tummeln sich einige (Welt-)Meister ihres Fachs. Berglauf-Weltmeister Victor Kiplangant oder Kajak-Champion Maxime Richard sind genauso dabei wie Stars aus der Gleitschirm-Szene wie Paul Guschlbauer oder Aaron Durogati. Snowboard-Ass Benjamin Karl wird sich wieder auf dem Mountainbike abstrampeln. Als Schwiegersohn von Werner Grissmann hält er die Familienehre hoch, denn "Grizzlys" Tochter Sandra und Sohn Niki sind längst im Organisationsteam unabkömmlich.
Die Zukunft: Im Jahr seines 65. Geburtstags träumt Grissmann noch immer. Zum Beispiel von einem Dolomitenmann an der Côte d’Azur in Monte Carlo. Prinz Albert ist damit einverstanden. Grissmann: "Ich warte darauf, dass der Didi nickt." Der Didi ist Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz. Er hat es als Sponsor ermöglicht, dass Grissmanns "Spinnerei" vor 30 Jahren Realität geworden ist. Am Samstag werden ihn viele der 520 Dolomitenmänner unterwegs kurz dafür verfluchen. Ehe man sich am Abend bei der großen, von Mando Diao vertonten, Party auf dem Hauptplatz darauf einigen wird, dass die ganze Quälerei doch eine Hetz gewesen ist, irgendwie.
Mehr zum Bewerb: redbulldolomitenmann.com
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