Ein Wunderkind der Lüge
Pulitzer-Preisträger John Carreyrou hat den gigantischen Betrug von Elizabeth Holmes – einst als weiblicher Steve Jobs gefeiert – aufgedeckt und ein packendes Buch dazu vorgelegt.
Elizabeth Holmes war noch keine zehn Jahre alt, da wusste sie schon in knappen Worten ihren persönlichen amerikanischen Traum zu definieren: "Ich will Milliardärin werden." Keine zwei Jahrzehnte später war dieser Traum wahr geworden – ehe er sich als Alptraum entpuppte und als größter Betrugsfall, den das kalifornische Start-up-Paradies Silicon Valley erlebt hat. Der zweifache Pulitzer-Preisträger John Carreyrou hat den tiefen Fall des einstigen "weiblichen Steve Jobs" enthüllt und nun im Verlag DVA unter dem Titel "Bad Blood" meisterhaft spannend – und zum Kopfschütteln animierend – veröffentlicht. Gerade rechtzeitig zum Prozessbeginn gegen die heute 35-Jährige.
Ein Tropfen Blut
Elizabeth Holmes brach mit 19 ihr Studium an der Stanford Universität ab, weil sie eine Vision hatte. Mit einem einzigen Blutstropfen, abgenommen per Fingerstich, sollten in Windeseile 200 verschiedene Krankheitsbilder erkannt werden und sich die passende Behandlung daraus ableiten lassen. Damit würde die Studienabbrecherin als Heilsbringerin etwas schaffen, woran (richtige) Wissenschafter bis heute gescheitert sind. Holmes gründete das Startup "Theranos" und verdrehte 15 Jahre lang Investoren, Mentoren und Kunden mit ihrer Idee den Kopf. Denn sie war ein geniales Naturtalent im Präsentieren und Verkaufen – und im Manipulieren.
Keine konnte so gut lügen wie sie. Bei ihren Reden, bei denen sie stets sehr burschikos auftrat, erzählte sie oft das Beispiel ihres an Krebs gestorbenen Onkels. Schicksale wie dieses würden vermieden werden können, wenn das "Edison" genannte Diagnosegerät erst einmal marktfähig sei.
Damit verdrehte sie alten, verdienten und superreichen Haudegen wie Henry Kissinger, George Shultz (beide ehemalige Außenminister der USA) oder James Mattis, dem kurzzeitigen Verteidigungsminister unter Donald Trump, Joe Biden oder dem mexikanischen Telekom-Milliardär Carlos Slim den Kopf. Sie und viele andere investierten hunderte Millionen Dollar in das Hirngespinst der jungen Dame, die stets in schwarzen Rollkragenpullovern auftrat und Sprachtraining nahm, um ihre Stimme tiefer zu legen und damit der männerdominierten Geschäftswelt anzugleichen.
Barack Obama und Hillary Clinton zeigten sich mit ihr, das Time-Magazin wählte Holmes zu den 100 einflussreichsten Personen der Welt. Alle haben ihr geglaubt, auch aus Angst, epochale Start-ups wie jene von Mark Zuckerberg oder Elon Musk zu verpassen.
Tausende falsche Testwerte
Alle glaubten Holmes, obwohl sie nie lieferte. Das Theranos-Gebäude glich einer Festung, Holmes und ihr brutal agierender Lebensgefährte Ramesh "Sunny" Balwani heuerten und feuerten Personal in großem Stil. Mitte der 2010er-Jahre wurde Theranos auf neun Milliarden Euro bewertet – ohne je ein marktfähiges Gerät zu besitzen.
Als der Druck der Öffentlichkeit zu groß wird, mutiert Theranos zur Betrugsmaschine. Tausende Tests, die völlig falsche Werte liefern, werden durchgeführt. Davon bekommt John Carreyrou Wind. Der Journalist des Wall Street Journal lässt sich von Drohungen der Theranos-Anwälte nicht einschüchtern. Carreyrou bringt sich selbst in seinem Buch erst spät ins Spiel, lange Zeit erzählt er die von ihm recherchierten Fakten, spannender als viele frei erfundene Wirtschaftskrimis. Auch sein Herausgeber Rupert Murdoch stellt sich ihm nicht in den Weg – obwohl er 125 Millionen Dollar in Theranos investiert hatte.
Elizabeth Holmes hat auf ihrem Weg zur Kurzzeit-Milliardärin tausende Patienten mit falschen Bluttests betrogen oder in Angst versetzt und ihre Investoren rund 900 Millionen Dollar gekostet. John Carreyrous Buch "Bad Blood" ist eine aufregend geschriebene, penibel recherchierte Zeitreise voller krimineller Energie.
"Bad Blood" von John Carreyrou, Verlag DVA, 400 Seiten, 24,70 Euro
OÖN Bewertung:
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Das Buch hat ISBN 3421048231, falls jemand danach suchen möchte.
Es ist sowohl original auf Englisch oder in deutscher Übersetzung erhältlich. Habe es mir gerade bestellt, übrigens beim Thalia und nicht beim US-Ausbeuterkonzern mit Versteuerung in irgendwelchen Oasen weit weg von Österreich.
Diese Betrügereien finden bei uns übrigens täglich statt, und zwar im Bereich der Alternativmedizin. Die lächerlichste Form davon ist ein Kästchen, auf welches man die Hand legt, und es spuckt ca. 30 Werte aus, die zu hoch oder zu niedrig sind, Kostenpunkt ca. 100 Euro. Teurer wird`s mit einer echten Bluteinsendung "nach Deutschland", es kommen ca. 50 zum Teil haarstreubend abweichende Werte zurück, allerdings sind diese völlig aus der Luft gegriffen. Kosten incl. anschließender "Entgiftung" etc. etwa 700 Euro. Komischrweise regt sich darüber aber außer mir niemand auf.
Ja das ist ein übel. Wäre das nicht job vom Gesundheitsministerium da Klarheit zu schaffen? Globoli ist auch Hokuspokus.
Nein, eher vom Bildungsministerium.
Bei soviel Blödheit hilft nur Totalresektion; oder warten.
Oder eigentlich vom Innenministerium, weil es sich um Betrug und Individualgefährdung handeln könnte.
Da bist nicht alleine - mich regt der Hokuspokus auch auf.
Von ganz gewöhnlichen Gaunern rede ich schon gar nicht.
Hier ist ein schönes Beispiel, wie leicht doch Menschen - auch die sogenannte Intelligenz (im Hinterkopf die Gier nach Geld und Ruhm) - betrogen werden kann.
Egal, ob von Heilsbringern, Politikern oder sonstigen Scharlatanen.