Spitzenforscher Hochreiter: "Damit könnte man von Linz aus die Welt umstülpen"
LINZ. Linzer Spitzenforscher Sepp Hochreiter spricht im Interview über ChatGPT, den KI-Fluch und Politiker-Kritik.
Sepp Hochreiter begleitet fast jeden von uns täglich, aber nur wenigen ist das bewusst: Seine "Long Short-Term Memory"-Technologie (LSTM) ist Grundlage für die Spracherkennung moderner Smartphones und Navigationssysteme. Wie er Systeme wie ChatGPT sieht, was ihn nach wie vor an der Forschung reizt und was er von den Aktivitäten der Regierung hinsichtlich künstlicher Intelligenz hält, sagt der gebürtige Bayer und Leiter des Instituts für Machine Learning an der JKU im Interview.
OÖN: Herr Hochreiter, Ihr Sprachmodell LSTM steckt heute in jedem Handy. Hand aufs Herz: Hätten Sie das beim Schreiben Ihrer Diplomarbeit vor 32 Jahren für möglich gehalten?
Sepp Hochreiter: Nein, überhaupt nicht. Damals habe ich bloß daran gedacht, mein Studium fertig zu machen. Ich für mich habe es spannend gefunden. Aber ich hätte nie gedacht, dass es irgendwann einmal jemanden interessiert.
Spätestens mit dem Programm ChatGPT, das Texte in Sekundenschnelle schreibt, ist künstliche Intelligenz in der breiten Masse angekommen. Fluch oder Segen für einen Spitzenforscher?
Beides. Einerseits Segen, weil die Erfindungen jetzt verwendet werden und nicht in der Schreibtischlade verschwinden. Es interessieren sich mehr Leute dafür, und man bekommt mehr Studenten und Doktoranden. Andererseits ist es aber auch Fluch, weil sehr viel missverstanden wird. Viele Leute und Firmen, die sich jetzt mit dem Thema beschäftigen, sagen, das ist ein Schmarrn. Da muss ich mich oft ärgern, weil hinter solchen Aussagen nichts steckt.
Die Herausforderer von ChatGPT bringen sich in Stellung. Am Montag gab Amazon bekannt, vier Milliarden US-Dollar in den KI-Entwickler Anthropic zu investieren. Der Markt nimmt nun Fahrt auf.
Das ist unübersehbar. Es ist schon vorher viel im Hintergrund passiert. Mit ChatGPT ist die Gesellschaft aufgerüttelt worden.
Blicken wir in die Zukunft: Wie wird KI in 20 Jahren unseren Alltag verändert haben?
Bei vielen Sachen wird man es nicht merken, weil sie einfacher und bequemer gehen. Jetzt muss man googeln, auf die richtige Seite klicken und dann Informationen nachlesen. Mit Programmen wie ChatGPT kann ich direkt eine KI fragen. Wenn ein Rechtsanwalt künftig nach einem Fall sucht, wird ein digitales Register automatisch durchsucht. Wenn ich wissen möchte, warum mein Geschirrspüler tropft, kann ich ein Foto machen und die KI gibt mir rasch Rückmeldung. Die Menschen werden das für normal halten und sich wundern, wie umständlich das früher gewesen ist. Und natürlich werden viele Prozesse von der Logistik bis zur Kundenbetreuung durch KI optimiert.
Sie halten der KI-Forschung die Treue, trotz Lockrufen von Google und anderen Großkonzernen. Was reizt Sie daran?
Genau so etwas wie LSTM zu erfinden. Natürlich kann man zu großen Firmen gehen und viel Geld verdienen. Was man mit Geld aber nicht aufwiegen kann, ist, eine gute Idee zu haben, die dann funktioniert. Das treibt mich an.
Wie schwierig ist es, den Spagat zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung zu schaffen?
Das Schöne an der KI ist, dass sie für viele andere Sachen verwendet werden kann. Wenn etwa Trumpf in Pasching Bleche schneidet oder Borealis im Linzer Chemiepark Plastik oder Kunstdünger erzeugt, dann tauchen Probleme auf, bei denen die KI helfen kann. Das ist das Spannende an der Anwendung. Aber natürlich möchte ich Grundlagenforschung nicht vernachlässigen, da habe ich Stärken.
Sie haben wiederholt KI-Investitionen in Österreich kritisiert. Inwieweit naht Besserung?
Von der Regierung ist kein Cent zusätzlich in Sicht. In Oberösterreich hat mir die Landesregierung zugesichert, weiter meine Forschungsinstitute zu fördern. Das passt, aber ein bissl mehr geht immer. Ganz enttäuschend ist, dass vom Bund nichts kommt. Da wurde ich auf die Zeit nach den Nationalratswahlen 2024 vertröstet. In Deutschland hat mich das Bundeskanzleramt gebeten, als Experte Kanzler Olaf Scholz, Minister und Leute aus der Industrie zu beraten. Die haben mir gesagt, 13 Milliarden Euro zu investieren, zwar nicht nur für KI, aber doch. Da geht was. In Österreich haben bisher weder der Kanzler noch Minister angefragt. Es gibt aber Hoffnung.
Und zwar?
Wir arbeiten in Linz daran, ein verbessertes Modell von LSTM zu entwickeln, nämlich XLSTM. Damit schlagen wir ChatGPT bei Schnelligkeit und Genauigkeit, vor allem bei kleineren Datensätzen. Und da gibt es erste Anzeichen für Unterstützung. Damit könnte man von Linz aus die Welt umstülpen.
Wie würden Sie generell die Digitalszene in Österreich und Oberösterreich beurteilen?
Es kommt darauf an, mit wem man sich vergleicht. Im Silicon Valley und in China sind die Leute schneller bei der Umsetzung. Da gibt es eine Idee und sofort drei Start-ups, die das bauen, in China auch mit staatlicher Unterstützung. In der Forschung brauchen wir uns nicht verstecken. Es passiert einiges in Oberösterreich, aber es ist natürlich nicht vergleichbar mit Berlin, London oder Amsterdam. Die Leute bei uns sind total klug, gut ausgebildet und machen Sachen, die Hand und Fuß haben. Aber es gibt mehr Zurückhaltung. Andere Regionen sind forscher und risikofreudiger – auch wenn Projekte nicht sofort Erfolg bringen.
Ein Herbst im Zeichen der Digitalisierung
Künstliche Intelligenz ist nicht nur das zentrale Forschungsthema von Sepp Hochreiter, sondern steht auch bei den Digital Days der OÖNachrichten im Mittelpunkt. Diese finden heute, Mittwoch, und morgen, Donnerstag, im OÖN-Forum in den Promenaden Galerien in Linz statt. Auf die Teilnehmer warten spannende Vorträge, Workshops und Gespräche mit zahlreichen Digitalexperten aus Oberösterreich und Österreich.
Den Vorreitern der Digitalisierung in unserem Bundesland – ob Start-ups, etablierten Betrieben, Organisationen, Institutionen oder im Internet erfolgreichen Menschen – geben die OÖN und ihre starken Partner am 16. November in der Linzer Tabakfabrik eine Bühne: Dann wird zum bereits fünften Mal der Digitalos verliehen.
Es ist noch bis 7. Oktober möglich, sich in fünf Kategorien zu bewerben: digitale Start-ups, digitale Persönlichkeit, digitale Transformation, digitales Projekt, Sonderpreis Digitalia. Aus allen Einreichungen wählt die Jury um den Vorsitzenden und Vorjahrespreisträger Sepp Hochreiter die Sieger. Senden Sie uns Ihre Bewerbung!
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"In Österreich haben bisher weder der Kanzler noch Minister angefragt" - Nehammer setzt lieber auf Glauben und Hoffen, anstatt Spitzenforschung zu fördern.
Wenn man den diversen Studien glauben darf, ist ja das Interesse an der Wissenschaft in der österreichischen Bevölkerung auch nicht sehr groß. Da hat man lieber Angst vor der KI.
Aber wir haben ja die Lipizzaner und die Mozart-Kugeln. Und vor allem den Hausverstand von irgendeiner "Jetti-Tant". Wir werdens noch weit bringen.
Sarkasmus off.
das wichtigste bei der künstlichen Intelligenz ist immer das, dass sie ganz natürlich bleibt und letztlich wieder durch den Hausverstand bestätigt werden kann.
und man sieht es ja, was Leute oft mit bloßem Hausverstand schaffen in diesem schönen Land.
Ich will den Hausverstand an sich nicht angreifen, aber ohne Wissenschaft gäbe es unser "technisiertes" Leben nicht. Es gäbe nicht einmal eine Glühbirne und wir wären etlichen Krankheiten schutzlos ausgeliefert.
Etwas weniger Wissenschaftsdesinteresse oder Wissenschaftsfeindlichkeit könnte in Österreich sicher nicht schaden.
es gibt so viele Dinge im gesellschaftlichen Leben von uns Allen, wo die Wissenschaft nur viel zu spärlich eingesetzt wird.
viel könnte man sich ersparen genau dort, wo es laufend Troubles gibt, der Lösung extrem unbefriedigend ist.
und überall wo gesellschaftlich Baustellen immer dies selben Fragen, aber auch immer die ärgsten Populisten vor Wahlen stark machen, wäre Wissenschaft notwendig.
detto bei Gesetzen für die Umwelt, die nur Verbots Gesetze sind auf Kosten der Schwächeren, aber niemand spricht sich von Seiten der Wissenschaft für ein gemeinwirtschaftliches Vorgehen punkto nachhaltiger Energiegewinnung aus.
freie Wissenschaft könnte Wunder wirken, an den richtigen Stellen und zum Wohle aller eingesetzt.
freie Wissenschaft, von Allen getragen, aber nicht nur von einzelnen Gönnern, die immer mehr Macht und vielfach auch Reichtum letztlich damit gewinnen,
und im Extremfall mehr Kontrolle.
es gilt für Alle die Unschuldsvermutung.
Naja, die ÖVP hat's wieder mal vermurkst, blockiert, ignoriert oder was auch immer.
Das Problem bei den angeblichen österreichischen Investitionen oder Förderungen sehe ich darin, dass nur ein extrem kleiner Teil direkt an die Innovatoren geht. Der größte Teil der Forschungs- und Innovationsförderung ist eine indirekte Förderung und bleibt im System hängen.
Top artikel ..wohltuende Ausnahme
...... weil man in diesem Artikel die Ignoranz gegenüber (technischen) Innovationen erfährt ?
Österreich wird in 10 Jahren von (fast) ALLEN Staaten zumindest in Europa überholt worden sein. Ausser bei der Korruption......
Dann können wir wieder als rechtlos Bauernknechte und Industriearbeiter unsere Leben dahinfristen.
Danke ÖVP und FPÖ für die jährlichen Milliardenförderungen an das reaktionäre Ständestaatsystem.
Müssen Sie bei jedem Posting ihren parteipolitschen SPÖ-ÖGB-Senf abdrücken oder auch einmal sachlich zum Thema schreiben?
... was ist an meinem Kommentar unsachlich ?
Fragen Sie Ihren Arzt.
Ersetzen Sie jetzt die Telefonnummer 1450 ?!?!?!
A. Neumann
Die SPÖ, und ihre Wähler sie haben sich in den Zeiten der großen Koalition, und auch in den Zeiten in der Opposition , mit Kritik, und Tadel gegenüber den Rgierenden immer gemässigt.
Ob es Ihnen passt, oder auch nicht:
Die Zeiten sind vorbei:
" Wir lassen uns von Leuten wie sie, den Kampf für mehr Gerechtigkeit nicht verbieten.! "
es stimmt, dass viele junge JournalistenInnen immer mehr neuen Inhalt bringen und der ganzen Berichterstattung ein bisserl Würze verleihen. nur so kann Demokratie besser werden, durch mehr Offenheit und nicht nur gewissermaßen Obrigkeitsanbetung.
weil die Probleme werden nur mit mehr Demokratie und viel mehr Offenheit besser gelöst werden können.
"Andere Regionen sind risikofreudiger als Oberösterreich"
Stimmt nicht: Oberösterreich geht beim Bodenverbrauch und der Bodenversiegelung jedes Risiko ein und ignoriert alle Gesetze.
Wir sind halt ein extrem reaktionäres Bundesland.
es bleibt zu hoffen, ist aber doch noch offen,
ob jedes Bauansuchen durch künstliche Intelligenz besser behandelt werden kann,
als wenn jahrelang irgendein Sachbearbeiter dran,
und man nach Jahren nur das eine weiß, dass es nicht gelöst, was immer das auch heißt.
unlängst wieder im Schauplatz Gericht, da denkt man sich, die sind wohl alle nicht ganz nach fachlicher Pflicht, oder im Volksmund sagt man auch, die sind nicht dicht.
es wäre wirklich gut, wenn man künstliche Intelligenz im Amt und bei der Verwaltung öffentlichen Vermögens, viel mehr noch nutzen tut.
Es gilt für Alle die Unschuldsvermutung.
In Österreich hatte sich schon seit hunderten Jahren , vor allen voran, in OÖ, und NÖ., der kleinkarierte Konservatievmus, gegen eine vorschrittliche Entwicklung entgegen gestellt die Geschichte beweist es.
Geprägt vom Adel, der Kath. Kirche, von den Bauern, und der ÖVP.
Da hat sich bis Heute noch nichts geändert.!
Wen man‘s genau nimmt, dann war die Zeit des jüdischen Industrieadels des späten 19. Jhdts. die technisch innovativste.
Eine Ergänzung
Und das sagt ein Waschechter Österreicher, mit blauen Augen, und Arischen Wurzeln,, schon seit 1743.
Nicht nur in den technischen Wissenschaften, sondern auch in allen Bereichen, der Kultur, in der Bildung, und im Sport.
In diesem Zusammenhang sind auch die OÖN einmal zu würdigen! Wenn schon Regierung und Industrie in Ö schon nur sehr zaghaft auf diesen Schnellzug aufspringen, so kann ein Medium Bewusstsein schaffen!