Versteckter Software-Champion aus Steyr
STEYR. ESS simuliert bei der Hälfte der Autobauer weltweit die Lackierung – und hilft, teure Prototypen einzusparen.
Im Jänner 2015 gründete der gebürtige Steirer Martin Schifko das Spezial-Software-Unternehmen Engineering Software Steyr (ESS) als Management-Buy-out der Lackieranlagensimulation des Autozulieferkonzerns Magna. Am Ende des ersten Geschäftsjahres hatte er zwei Mitarbeiter, heute sind es knapp 50 aus 17 Nationen, davon 35 in Steyr.
Der Umsatz wächst im hohen zweistelligen Bereich, Förderungen fließen; heuer soll der Umsatz drei Millionen Euro erreichen. Weil die Nachfrage nach dieser Spezialsoftware vor allem aus der Autobranche so hoch sei, könne er sich der Anfragen kaum erwehren, so der Gründer und Geschäftsführer. "Alle Türen gehen auf."
Aber auch Mitarbeiter aus aller Welt finden das kleine Unternehmen aus Steyr, weil die Software eben so speziell sei und wenig Firmen dieses Know-how verwenden. "Aus Indien, dem Iran oder Polen sind die Mitarbeiter samt ihren Familien zu uns gezogen", erzählt Schifko, der sich über die bunte kreative Vielfalt seiner Leute sichtlich freut. Die Hälfte der Mitarbeiter habe einen akademischen Doktor-Grad.
Was macht die Software so besonders? Ein aktuelles Projekt von ESS ist etwa die Simulation der Beschichtung von Hohlräumen in Karosserieteilen mit Flutwachs für Audi und Volkswagen. Das sind sehr komplexe Vorgänge. Bei diesem Prozess wird das Wachs als Korrosionsschutz mit Düsen in den Hohlraum gespritzt. Mittels ESS-Software kann errechnet werden, wie man die Mindestschichtdicke erreicht, Lufteinschlüsse vermeidet und welche Bohrungen es braucht, damit das überschüssige Wachs restlos ausläuft. Diese Simulationen helfen den Autobauern, ihre Kosten radikal zu senken. Denn "in der Prototypenphase für einen Versuch ein zusätzliches Loch in eine Komponente zu bohren, kann schnell mit 200.000 Euro zu Buche schlagen", so Schifko.
Mit der ESS-Software können Änderungen im Produktionsprozess einfach simuliert und somit teure Prototypen eingespart werden. Da greift Schifko auch zu ungewöhnlichen Methoden – und baut kurzerhand seine eigenen Audi-Q3-Autotür aus, klebt die Löcher zu, füllt sie mit Flüssigkeit an und verwendet die dann ausgelesenen Daten zum weiteren Programmieren. Die Langlebigkeit der Autos steigt durch eine perfekte Lackierung, weil Rost verhindert wird. "50 Prozent der Autohersteller weltweit verwenden ESS-Spezialsoftware", sagt Schifko. Deshalb liegt die Exportquote auch bei 95 Prozent. Man habe mit dem US-Unternehmen MSC seit Herbst vergangenen Jahres einen guten Vertriebspartner gefunden.
Ein Vorteil der automatisierten Datenverarbeitung von ESS sei, dass die Software sehr bedienerfreundlich ist. Nicht nur Techniker, sondern auch Designer (von Autoteilen zum Beispiel) können sie benutzen. Sie benötigt aber auch sehr hohe Rechenleistung. ESS greift auf Grafikkarten mit 660 Teraflops zurück. Schifko: "Die JKU mit dem zweitgrößten Intel-Cluster Europas verfügt über 50 Teraflops."
Dank an die Poster unterhalb für die höfliche und kompetente Aufklärung.
Von einer solchen Simulation (nix Computerspiel) erwarte ich mir, dass sie auf Basis der Konstruktion und physikalischer Parameter die Berechnungen vornimmt. Das würde auch die enorme Rechenleistung erklären.
Wenn sämtliche Berechnungen auf Beobachtungen bei einem Prototyp aufbauen, dann ist die Simulation bei sämtlichen Abweichungen vom Basisprototyp auf interpolieren angewiesen.
Aber vielleicht liegt es wirklich nur daran, dass ich keine Ahnung habe.
Die Firma simuliert ja, wie im Beitrag zu lesen, nicht nur, sondern stellt diese Software auch her. Um so etwas zu programmieren, müssen doch Experimente mit realen Daten durchgeführt werden bzw. vorliegen. Man kann sich doch nicht aus der Luft greifen, was oder wie diese Software später simulieren soll.
Es gehören aber einfach Dinge erforscht/verifiziert, nicht alles ist mit einem einfachen F=m*a erklärt. Bzw. gehören einfach manchmal empirische Daten gesammelt (zB. Eigenschaften eines Werkstoffes). Solche Grundlagenforschung ist oft einfach notwendig. Und wenn Anfangs das Geld fehlt baut man offensichtlich schon mal die Autotüre aus
@tofu: Hier geht es wahrscheinlich darum, dass diese Simulations-Software sehr komplexe Prozesse simuliert (wie ja auch im Artikel steht) (also wenn ich vorne im Träger mit einer Düse unter diesen Bedingungen das Wachs mit jenen Eigenschaften hineinspritze, wie genau verteilt sich das Wachs an allen Oberflächenbereichen des Trägers z.B.).
Nun bildet die Simulations-Software die wirkliche Welt mehr oder weniger genau ab, aber je nach Form des Teils und diversen Parametern werden manche Effekte nicht ganz richtig berücksichtigt und das Simulations-Ergebnis weicht mehr oder weniger von der Realität ab.
Und damit man herausfindet, wie sehr die "wahre Welt" mit der Simulation getroffen wird und wie klein/gross die Abweichung zwischen Simulation und Realität ist, dazu vergleicht man eben Simulationsergebnis und wirkliche Beschichtung an bestimmten Mustern. Und baut dazu die Türe aus.
Nur dann weiss man, wie viel die Programme taugen...
Haspe, danke. Das ist einleuchtend.
Mutet seltsam an, wenn der Firmenchef sein Auto zerlegt um an Daten zu kommen.
Sollte das nicht die Software errechnen?
Da merkt man, dass du keine Ahnung hast, wie Simulation funktioniert. Bzw. wie Software zum Simulieren erstellt wird
tofu: wenn man keine Ahnung hat sollte man einfach mal........
Wenns nicht messbar sind, die Daten, dann müssens irgendwie messbar gemacht werden.
Na gut, ich bin nur im Nebenberuf in der Informatik tätig gewesen, ich bin nur ein Messtechniker.