Gewalttätiger Partner: „Mir wurde klar: Für meine Tochter muss ich weggehen“
Eine zweifache Mutter baut sich ein Leben ohne gewalttätigen Partner auf – das OÖN-Christkindl unterstützt mit Geld für Kaution und Einrichtung
Vier Jahre dauerte es, bis Fatima L.* sich aus der Gewaltbeziehung mit ihrem Ehemann befreien konnte. Bis sie erkannte, dass er sich nie ändern würde – egal, wie viel Liebe und Verständnis sie ihm schenkte, wenn er wieder einmal auf sie einschlug.
Er – der Name ihres Ex-Mannes fällt im Gespräch kein einziges Mal. Vor zwei Jahren flüchtete Fatima mit ihren beiden Kindern aus der gemeinsamen Wohnung. Ihre Angst vor ihm hat sie noch nicht ganz überwunden.
Ein einschneidender Moment
Es war ihre inzwischen fünfjährige Tochter, die ihr die Kraft für diesen Schritt gab: Als Fatima wieder einmal am Boden lag und aus Mund und Nase blutete, weil er zugeschlagen hatte, stand Shirin* vor ihr, sah sie mit großen Augen verängstigt an. „Da wurde mir klar: Für meine Tochter muss ich weggehen. Sonst glaubt sie, es ist normal, wenn ein Mann sie so behandelt.“
Das Problem: Fatima hat keine Ersparnisse. „Ich durfte nicht arbeiten, kein Deutsch lernen“, sagt sie mit Tränen in den Augen. In der Türkei hatte die Frau ihr Studium abgeschlossen, als sie über ihre Mitbewohnerin den zehn Jahre älteren Mann kennenlernte. Er wohnte in Österreich, nach der Hochzeit zog sie mit ihm dorthin. „Ich habe ihn geliebt“, sagt sie mit zittriger Stimme. Sie wollte erst Deutsch lernen und eine Weiterbildung machen, dann wollten die beiden Kinder bekommen. Was sich wie ein Traum anhörte, wurde schnell zum Albtraum: „Nach drei Tagen hat er mich zum ersten Mal geschlagen.“ Er verbot ihr, rauszugehen, sich mit jemandem zu treffen. Ständig beschimpfte er sie.
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Im ersten Jahr wohnten sie auf dem Land. „Ich habe dort nie andere Menschen gesehen“, erinnert sie sich mit einem Schaudern. „Wenn ich geschrien habe, weil er mich geschlagen hat, hat mich niemand gehört.“ Die Polizei rufen traute sie sich nicht: „Ich konnte ja kein Deutsch.“ Erst, als es Probleme mit dem Visum gab, erlaubte ihr Mann ihr, einen Deutschkurs zu besuchen. Zu dieser Zeit war ihre Tochter bereits auf der Welt und die kleine Familie in die Stadt umgezogen. „Ich war so glücklich, als ich langsam verstand, was die Leute sagten.“ Nach wie vor durfte sie mit niemandem reden, aber in der Stadt hörte und sah sie zumindest wieder andere.
"Keine Chance, wegzukommen"
Als sie zum zweiten Mal schwanger war – mit ihrem Sohn –, besserte sich die Situation kurzzeitig. „Als ich mit Shirin schwanger war, schlug er mich weiter. Für ihn war ein Mädchen nicht wichtig.“ Ein Sohn hingegen war etwas Wertvolles, er war glücklich. „Früher habe ich gedacht, ich habe keine Chance, dass ich von ihm wegkomme“, sagt sie und schüttelt den Kopf.
Auf dem Spielplatz, den sie schließlich mit Shirin und Emir* besuchen durfte, sprach eine Mutter, ebenfalls Türkin und geschieden, Fatima an. „Sie hat meine Blutergüsse gesehen.“ Die Frau gab ihr die Nummer der Volkshilfe. „Die Mitarbeiterin konnte Türkisch.“ Ein Rettungsring für die ehemals starke und eigenständige Frau, deren Selbstwertgefühl von einem Mann systematisch zerstört worden war.
Als er das nächste Mal zuschlug, rief Fatima die Polizei. Zwei Wochen lang durfte er sich der Wohnung und seiner Familie nicht nähern. Das hielt ihn aber nicht davon ab, vor dem Haus im Auto zu warten und seiner Frau ein schlechtes Gewissen einzureden. „Ich hatte die ganze Zeit Angst“, sagt sie leise und schluckt. Trotzdem ließ sie ihn wieder in die Wohnung, als er sich entschuldigte – wie so oft nach einem Gewaltausbruch – und ihr versicherte, er habe sich geändert. Er versprach ihr, dass sie arbeiten gehen und ein eigenes Konto haben dürfe.
Doch es kam anders: „Er beschimpfte mich als Schlampe, weil ich ihn auf die Straße gesetzt hätte, und meinte, ich sei eine schlechte Frau und Mutter.“ Dass er dem Arzt erzählte, sie schlage die Kinder, erfuhr Fatima beim Impfen von einer Krankenpflegerin. Da wurde ihr klar: „Er plant etwas, um mich loszuwerden.“ Wieder meldete sie sich bei der Volkshilfe. Wieder ging sie zur Polizei.
Zukunftspläne
Doch diesmal wollte sie nicht zurück in die Wohnung – sie flüchtete mit ihren Kindern in ein Frauenhaus. „Dort hat mein Leben angefangen“, sagt sie mit einem Lächeln. Sie fasste sofort Vertrauen zu der Sozialarbeiterin, die sie betreute. „Sie hat mich sehr beeindruckt und mir geholfen.“ Die Dankbarkeit ist ihr anzusehen. Endlich hat Fatima ein eigenes Konto und Arbeit. „Ich verdiene jeden Monat Geld – das macht mich stark.“ Auch eine Therapie half ihr, die traumatischen vier Jahre aufzuarbeiten.
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Zurück in die Türkei zu gehen, kann sich Fatima nicht vorstellen. „Dort hat er viel Unterstützung, hier ist er allein und fürchtet sich vor der Polizei.“ Ihr Plan für die Zukunft: „Ich will eine Ausbildung machen. Er hat mir lange eingeredet, dass ich nichts machen kann – aber ich kann alles!“, sagt sie überzeugt.
Zwei Jahre sind vergangen, seit die zweifache Mutter den mutigen Schritt gewagt und sich von allem gelöst hat, was sie in Österreich kannte. Bald wird die Familie in eine eigene Wohnung ziehen – für Einrichtung und Kaution greift ihr das OÖN-Christkindl unter die Arme. „Ein bisschen Angst habe ich schon davor. Aber ich muss mein neues Leben beginnen.“
*Namen von Redaktion geändert
Wenn Sie Hilfe brauchen, wenden Sie sich an die Frauenhelpline gegen Gewalt 0800 222 555 (24/7 anonym und kostenlos).
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