"Unsere Start-ups sind durch die Decke gegangen"
SANKT MORITZ / LINZ. OÖN-Interview: ÖSV-Sportdirektor Hans Pum sieht in seiner Bilanz nach seiner 17. Ski-WM wenig Bedarf für eine Strukturreform.
In seinem 40. Dienstjahr für den ÖSV erlebte Sportdirektor Hans Pum (62) aus St. Oswald bei Freistadt in St. Moritz eine Bilderbuch-Weltmeisterschaft. Kein Wunder, dass seine Bilanz im Interview mit den OÖNachrichten eher heiter als wolkig ausfällt.
OÖN: Was werden Sie von Ihrer 17. Ski-WM in Erinnerung behalten?
Hans Pum: Sicher die Slalom-Demonstration am letzten Tag. Nicht nur die von Marcel Hirscher, wir sind da als gesamtes Team stark aufgetreten und haben auch noch die Führung im Medaillenspiegel übernommen. Und das, obwohl die Ausgangssituation für uns vor dieser WM ja wirklich alles andere als einfach gewesen ist.
Wo wurde die Kehrseite der Medaille deutlich?
Der große Wermutstropfen ist die Verletzung von Mirjam Puchner (Anm.: Schien- und Wadenbeinbruch). Auch die anderen, die sich hier weh getan haben, tun mir leid. Rein sportlich war es schade, dass die Herren-Abfahrt auf der verkürzten Strecke ohne freien Fall gefahren wurde. Naja, und das Glück mit den Hundertstelsekunden hat uns in der Kombination der Herren und im Teambewerb leider auch gefehlt. Aber ein Grund, zu jammern, ist das nicht.
Österreich war in St. Moritz die Ski-Nation Nummer eins im Medaillenspiegel. Entspricht das den wahren Kräfteverhältnissen?
Ich habe vor der WM gesagt, dass wir mit einem Blue-Chip und einigen Start-ups nach St. Moritz kommen. Unser Blue-Chip namens Marcel Hirscher hat gezogen und unsere Start-ups sind durch die Decke gegangen. Was mich freut, ist, dass die Jungen ein großes technisches Können gezeigt haben. Der Medaillenspiegel einer WM ist aber eine Momentaufnahme, das ist mir auch bewusst.
ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel hat vor der WM von einer Strukturreform gesprochen und die Förderung von Privat-Teams angekündigt. Muss nach so einer WM nicht eher das Motto "Never chance a winning Team" gelten?
Privat-Teams sind kein Thema, es geht eher darum, kleinere Gruppen zu bilden. Wir sind permanent am Nachjustieren und ich glaube, dass jetzt schon innerhalb der Mannschaft eine individuelle Betreuung möglich ist. Was der Präsident mit einer großen Strukturreform meint, weiß ich nicht. Ich glaube nicht, dass jetzt irgend jemand etwas neu erfinden muss.
Wissen Sie spontan, um wie viele Goldmedaillen Österreich in St. Moritz weniger gewonnen hätte, wäre Hirscher nicht gestartet?
Um zwei, oder?
Nein, um keine. Wäre Hirscher nicht gefahren, hätte Roland Leitinger im Riesentorlauf und Manuel Feller im Slalom statt Silber Gold gewonnen ...
. . . genau, gerade das ist ja auch das Erfreuliche bei dieser WM gewesen. Österreich hat mannschaftlich so aufgezeigt, wie es vorher niemand erwartet hatte.
Vor Marcel Hirscher hat Rudi Nierlich Riesentorlauf und Slalom bei einer WM gewonnen. Kann man die beiden vergleichen?
Der Rudi hat das 1989 in Vail geschafft und mir damals vielleicht in meinem ersten Jahr als ÖSV-Herren-Cheftrainer den Kopf gerettet. Vergleichen kann man Hirscher und Nierlich nicht, das sind verschiedene Typen, aber in ihrer Zeit großartige Skifahrer. Marcel ist sowieso ein Phänomen, was der bis jetzt geleistet hat, ist wirklich einzigartig.
Fürchten Sie, dass Hirscher bald einmal im "besten Alter" seine Karriere beenden wird, weil ihm die sportlichen Ziele ausgehen?
Derzeit bin ich davon fasziniert, was der für ein kräfteraubendes Programm durchzieht. Das geht nur, wenn er nicht nur mit hundertprozentigem Einsatz, sondern auch mit Freude dabei ist. Ist diese Freude nicht mehr da, hat es keinen Sinn mehr. Wann das sein wird, weiß nur der Marcel.
Bei wie vielen alpinen Ski-Weltmeisterschaften wird man den Hans Pum noch in einer aktiven Funktion im ÖSV-Anorak sehen?
Sicher nicht mehr bei vielen. Für mich habe ich schon einen Plan im Kopf, aber den erzähle ich noch nicht weiter.
Franz Welser-Möst gratulierte musikalisch
Als großer Ski-Fan verfolgte zuletzt auch Österreichs Star-Dirigent Franz Welser-Möst die WM in St. Moritz. Am „goldenen Sonntag“ gratulierte er dem frischgebackenen Weltmeister Marcel Hirscher auf seine Weise. Beim Konzert der Wiener Philharmoniker, das Welser-Möst fast gleichzeitig zum WM-Slalom im Großen Saal des Musikvereins in Wien dirigierte, wurde nach der Pause „ Ein Heldenleben“ von Richard Strauss gespielt.
„Dieses Stück habe ich Marcel Hirscher gewidmet“, schrieb der Dirigent in einer Glückwunsch-SMS an ÖSV-Sportdirektor Hans Pum.
Marcel Hirscher reiste am Sonntagabend im Privatjet seines Sponsors von St. Moritz zurück nach Salzburg. Nächster Start im Weltcup ist Anfang März in Kranjska Gora.
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